Silvesterfeuerwerk:Appelle, die meist verrauchen

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Schön anzusehen, aber schlecht für Umwelt, Mensch und Tiere: Silvesterfeuerwerk über Aying mit München im Hintergrund. (Foto: Claus Schunk)

Verbote für Raketen und Böller wie in München gibt es im Landkreis München nur ganz vereinzelt. Die Kommunen beschränken sich auf Aufrufe und setzen der privaten Knallerei zentrale Silvesterfeuerwerke entgegen. Umwelt- und Tierschützern reicht das nicht

Von Martin Mühlfenzl

Bloody Blue heißt eine der Neuheiten in diesem Jahr. Das klingt nach Gemetzel. Tatsächlich verspricht der Hersteller dieses Feuerwerks ein 20 Sekunden langes Spektakel mit 40 Schuss und Explosionen in den Farben Rot und Blau. Zu haben ist das Ganze für etwa 30 Euro bei einem Internetanbieter. Doch wenn es nach immer mehr Kommunen und Organisationen geht, dann sollen die Menschen im Landkreis auf den Kauf von Feuerwerksbatterien, Raketen und Böllern an Silvester verzichten. Der Umwelt und Tiere zuliebe oder für einen guten Zweck.

"Lacher statt Kracher" heißt die Aktion, für die Kirchheims Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU) gemeinsam mit dem Münchner Moderator Thomas Gierling in diesem Jahr die Schirmherrschaft übernommen hat. Der Gedanke: Mit einer Spende an die Elterninitiative "Intern 3" der Haunerschen Kinderklinik in München oder an die Klinik-Clowns soll denjenigen ein Lachen geschenkt werden, die es besonders dringend brauchen: kranke Kinder und Senioren. "Als wir begonnen haben, Silvester zu planen, war klar: Wir wollen nicht nur feiern, sondern auch Gutes tun", erklärt Böltl. "Wir wissen, dass Lachen verbindet und Brücken baut. Gerade dann, wenn es schwierig wird."

Die Debatte über den Sinn und Unsinn von Feuerwerken geht inzwischen weit über persönliches Engagement hinaus. Die Stadt München hat mittlerweile ein Verbot für Böllerei zwischen Marienplatz und Stachus erlassen. In der gesamten Innenstadt ist es darüber hinaus nicht mehr erlaubt, reine Böller zu zünden. Ähnliche Verbote gibt es ebenfalls in Augsburg, Würzburg, Nürnberg und Fürth.

Auch die bayerische Schlösserverwaltung hat ein generelles Verbot von Raketen und Böllern rund um Schlösser, Burgen und Residenzen erlassen. Als Begründung nennt die Verwaltung die erhöhte Brandgefahr. Sie verweist auf die Brände etwa in der Burg Trausnitz in Landshut im Jahr 1961 oder die Katastrophe in der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar vor 15 Jahren. Damit fällt heuer auch die Lichtershow über den Schleißheimer Schlössern aus, die in früheren Jahren immer eine spektakuläre Kulisse abgab.

Schön anzusehen, aber schlecht für Umwelt, Mensch und Tiere: Silvesterfeuerwerk über Aying mit München im Hintergrund. (Foto: Claus Schunk)

Verbote bestehen auch rund um diversen Kirchen, etwa der Leonhardikirche in Siegertsbrunn, wo heuer erstmals ein Sperrbezirk eingerichtet wurde. In diesem dürfen keine privaten Feuerwerkskörper abgebrannt werden. Die Gemeinde Höhenkirchen-Siegertsbrunn begründet ihre Verordnung mit dem Denkmalschutz und dem Ruhebedürfnis an diesem "Platz der Stille". Verbote wurden und werden auch andernorts diskutiert, etwa in Neubiberg, wo die Initiative "Anti-Böller-Aktion" zumindest erreichen wollte, dass private Feuerwerke nur noch an Hauptstraßen und Hauptplätzen abgehalten werden dürfen. Zu einem Verbot konnte sich die Gemeinde zwar nicht durchringen, sie unterstützt aber den Appell der Initiative und hat einen entsprechenden Aufruf im Gemeinde-Blatt veröffentlicht.

Einfach verbieten können Kommunen Feuerwerk nicht. Das bundeseinheitliche Sprengstoffgesetz gibt den Gemeinden nur wenig Handlungsspielraum. Es verbietet das Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände allein in unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen. Auch für schützenswerte Altstädte und Baudenkmäler sind Verbote möglich. Der Deutschen Umwelthilfe reichen diese Regelungen allerdings nicht. Diese will zwar kein generelles Verbot der Silvesterknallerei, fordert aber, in 98 deutschen Städten die Böllerei zu untersagen. Die Umwelthilfe begründet dies vor allem mit der enormen Menge an Feinstaub, die an Silvester freigesetzt wird: etwa 5000 Tonnen.

Um die private Knallerei einzudämmen, spendiert die Gemeinde Haar ihren Einwohnern bereits seit 20 Jahren ein zentrales Feuerwerk am Sport- und Freizeitpark Eglfing - verbunden mit einem Spendenaufruf zugunsten bedürftiger Mitbürger. Diese Initiative reicht einigen aber nicht. Der örtliche Behindertenbeirat ruft heuer dazu auf, eine "Vorbildfunktion" abzugeben und das "kostspielige, professionelle Feuerwerk" durch eine Lasershow zu ersetzen - "mit Rücksicht auf alte und kranke Menschen sowie Kinder". Außerdem appelliert Beiratsmitglied Fritz Kerber an die Haarer, "mit Rücksicht auf Umwelt und Mitmenschen" ebenfalls von der Böllerei Abstand zu nehmen.

Bürgermeister Maximilian Böltl (rechts) und Moderator Thomas Gierling werben für Spenden. (Foto: Claudia Topel/oh)

Ganz im Sinne der Deutschen Umwelthilfe ruft die Stadt Garching dazu auf, freiwillig auf privates Feuerwerk zu verzichten. Laut Stadtverwaltung ist an Silvester ein deutlicher Anstieg der Luftmesswerte zu verzeichnen. Über einen Link auf der städtischen Homepage kann die Luftqualitätsmessung verfolgt werden. Zudem falle eine enorme Menge an Abfall an, der von den Mitarbeitern des Bauhofs an Neujahr beseitigt werden müsse, heißt es zur Begründung aus dem Rathaus. Vor dem Bürgerhaus gibt es ein zentrales Feuerwerk.

Anders in Grünwald. Dort bedauern "Die Freunde Grünwalds", dass die Gemeinde nicht so selbstbewusst" sei, das Abfeuern von Raketen zu verbieten. "In unserem Falle ist das besonders schade, da wir genau in der Ortsmitte mit dem Schweindlhof einen letzten noch erhaltenen Hof in kompletter Holzbauweise haben", beklagt der Vorsitzende des Vereins, Thomas Lindbüchl. In der alten Tenne sei zudem die Orgelwerkstätte mit Lagerung diverser uralter wertvoller Orgeln von Hubertus von Kerssenbrock untergebracht und auch das Holzlager für den Orgelbau. "Alles somit wirklich schützenswert, aber auch stark brandgefährdet." Er, so Lindbüchl, hätte sich gewünscht, "dass wir für Grünwald einen Kreis um die Burg und den Schweindlhof ziehen, in dem Böller und Silvesterraketen komplett verboten werden".

Wenn es kracht in der Nacht zum 1. Januar leiden aber nicht nur viele Menschen, sondern auch Tiere. "Vögel haben keinen Bock auf Böllerei" hat der Landesbund für Vogelschutz (LBV) seinen Aufruf zum Verzicht überschrieben. Innerhalb von Minuten stiegen Tausende Vögel vor Schreck von ihren Schlafplätzen auf. "Die nächtliche Flucht kostet sie dabei wertvolle Energie, die sie gerade in langen, kalten Winternächten zum Überleben brauchen", sagt LBV-Biologin Annika Lange. Ähnlich ergehe es auch Wildtieren. "Feuerwerk sollte nie in der Nähe von Wäldern gezündet werden", so Lange. "Auch öffentliche Grünanlagen und Gärten, wo sich viele Vögel und andere Tiere zur Nachtruhe sammeln, sind keine geeigneten Orte für das Silvester-Feuerwerk." Die Bloody Blue wird sonst für Tiere und Naturschützer zum blutigen Schrecken in der Nacht.

Wer die Aktion "Lacher statt Kracher" unterstützen will, kann für die Elterninitiative Intern 3 oder die Klinik-Clowns spenden. Nähere Informationen unter www.eltern-intern3.de und www.klinikclowns.de.

© SZ vom 28.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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