Sicherheitsdebatte:Hochangereicherte Angst vor dem Forschungsreaktor Garching

Sicherheitsdebatte: Geradezu unauffällig liegt der Forschungsreaktor auf dem Gelände der Technischen Universität in Garching.

Geradezu unauffällig liegt der Forschungsreaktor auf dem Gelände der Technischen Universität in Garching.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Kritiker des Forschungsreaktors in Garching sind besorgt, dass Terroristen sich Zugang verschaffen oder Anschläge planen könnten.
  • Beim Brennstoff des Reaktors handelt es sich um waffenfähiges Material.
  • Die Technische Universität beteuert, der Reaktor sei sicher.

Von Gudrun Passarge

Wie real ist die Gefahr, dass Terroristen Anschläge auf einen Atomreaktor verüben oder versuchen, an waffenfähiges Material zu kommen, um eine schmutzige Bombe zu bauen? Nach den Ermittlungsergebnissen von Brüssel ist das eine naheliegende Frage, und auch Ingrid Wundrak nimmt darauf Bezug.

Als Vorsitzende der "Bürger gegen Atomreaktor Garching" zeigt sich die Stadträtin der Grünen besorgt. Sie möchte vor allem wissen, "wie wir vor allen Terror-Gefahren beim Forschungs-Atom-Reaktor (FRM II) geschützt werden", und sie weist darauf hin, dass es sich beim Brennstoff des Reaktors um waffenfähiges Material handelt.

Diesen Punkt hat auch Christina Hacker, Vorstandsmitglied des gemeinnützigen Vereins "Umweltinstitut München", aufgegriffen. In einem Brief an das Bundesumweltministerium fordert sie die Prüfung eines gesicherten Zwischenlagers am Standort Garching, und gleichzeitig ein Verfahren zur Abreicherung des Urans zu entwickeln.

Die Diskussion um das hochangereicherte Uran mit einem Anteil von mehr als 90 Prozent (Highly Enriched Uranium, kurz: HEU) ist älter als der FRM II, der 2004 in Betrieb genommen wurde. Hacker sagt, die meisten Forschungsreaktoren seien mittlerweile umgestellt auf einen alternativen hochverdichteten Brennstoff. Auch der FRM II in Garching habe in der Genehmigung die Auflage bekommen, bis 2010 auf niedrig angereichertes Uran (LEU) umzustellen, doch das sei nicht passiert. "Aber unserer Meinung nach ist es möglich, unter 20 Prozent zu gehen", sagt Hacker.

Ein Deal mit dem Ministerpräsidenten

Sie weist auf die besonderen Gefahren hin, die durch "atomwaffenfähiges Material" entstehen. "Es kann entwendet werden, entweder auf dem Transport oder aus dem Lager."Denn bisher, so Hacker, sei der Entsorgungsnachweis für den Reaktor nicht sachgerecht. Die Brennelemente zu je fünf Kilogramm sollen in Spezialbehältern Hunderte Kilometer ins westfälische Ahaus transportiert werden "und über Jahre in einem relativ ungeschützten Zwischenlager lagern".

Ahaus, so Hacker, sei Teil eines Deals des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) mit der Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Bayern nehme danach Castoren aus Sellafield und La Hague auf, im Gegenzug setze sich das Bundesumweltministerium dafür ein, dass die Genehmigung für das Zwischenlager Ahaus rechtzeitig erteilt werde.

Aber Ahaus ist nach Aussage von Hacker "sicherheitstechnisch unzureichend und besitzt keine Einrichtung zum Heruntermischen des Materials". Genau das jedoch fordert das Umweltinstitut für den Standort Garching, wobei das Neuland wäre, denn eine solche Anlage existiert bisher in Deutschland nicht. Hacker geht es mit ihrem Brief auch darum, "das Problem noch einmal in Erinnerung zu rufen. Wir wollen wissen, wie die Verantwortlichen damit umgehen".

Kritiker: Atomkraft ist nicht mehr zeitgemäß

Das Bundesumweltministerium bestätigt, dass der Betreiber des Zwischenlagers in Ahaus einen Antrag gestellt hat, dort in eigens entwickelten Behältern Brennstäbe aus Garching zu lagern. Dieser werde derzeit geprüft. Zum Schutz des Zwischenlagers selbst verrät ein Sprecher auf Nachfrage nur so viel: "In solchen Fällen gibt es immer personelle, administrative und bauliche Vorkehrungen zur Sicherheit."

Christine Kortenbruck, die Sprecherin des Forschungsreaktors FRM II, dem Nachfolger des berühmten Garchinger Atom-Eis, räumt ein, dass es tatsächlich noch nicht gelungen ist, den Brennstoff umzustellen. "Es ist bisher kein adäquater Ersatzbrennstoff gefunden worden." Aber es werde heftig daran geforscht. Erst im vergangenen Jahr habe die EU das Forschungsprojekt Heracles initiiert und mit 6,8 Millionen Euro ausgestattet.

Die TU München, Betreiber des FRM II, sei Koordinator des europäischen Forschungsprojekts. Der gesuchte Brennstoff müsse spezielle Anforderungen erfüllen, denn die Besonderheit des FRM II sei sein "sehr hoher Neutronenfluss". In Deutschland sei er der leistungsstärkste Forschungsreaktor, weltweit gehöre er zur Spitze. Der hohe Neutronenfluss sei nötig, um beispielsweise Bauteile für die Raumfahrt zu testen, Silizium für Halbleiter zu bestrahlen, die dann in Hochleistungsformatoren eingesetzt werden, oder Isotope für Radiopharmaka herzustellen.

Zur Lagerung erklärt Kortenbruck, die Brennelemente kämen für Jahre ins Abklingbecken. Noch habe man dort Kapazitäten. Frühestens 2018 werde ein solcher Abtransport in speziell entwickelten Behältern stattfinden. Über die Sicherheit des Reaktors sagt die Sprecherin, es habe sich nichts am Konzept geändert. "Selbst wenn ein Laster voll Sprengstoff kommt, das Reaktorgebäude wäre geschützt." Genauso wie gegen Isarhochwasser und Erdbeben. "Es hält auch einem Flugzeugabsturz stand."

Jährlich 3000 Besucher

Wie aber steht es mit Menschen, die sich unberechtigt Zutritt verschaffen könnten? Der Reaktor hat jedes Jahr etwa 3000 Besucher, die aus aller Welt kommen. Sie müssen sich Tage vorher anmelden und am Eingang ihren Lichtbildausweis vorzeigen, der auch kurzfristig einbehalten wird.

Wer ins Innere des Reaktors will, muss sich zudem einer Leibesvisitation unterziehen. Das Gelände wird laut Kortenbruck rund um die Uhr von einem bewaffneten Sicherheitsdienst bewacht. Die etwa 400 festen Mitarbeiter würden "auf Herz und Nieren geprüft" und müssten ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen.

Ingrid Wundrak beruhigt das angesichts der neuen Form des Terrorismus nicht. "Ich muss einfach mit allem rechnen", sagt sie. Für sie sei Atomkraft nicht mehr zeitgemäß. "So ein Ding gehört hier gar nicht her."

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