Shared Space in Garching:Eine Straße für alle

Shared Space

Die Philosophie des geteilten Raums verabschiedet sich vom Auto als Taktgeber der Straßen. Vielmehr geht es um ein gleichberechtigtes Nebeneinander der Bedürfnisse aller Verkehrsteilnehmer. Besonders geeignet sei das Prinzip in Bereichen, in denen viele Fußgänger queren, heißt es im Netzwerk Shared Space. Die Zonen bleiben normalerweise frei von Schildern, Vorfahrtregeln wie rechts vor links behalten aber nach wie vor ihre Gültigkeit. In der Schweiz gibt es etwas Vergleichbares mit Begegnungszonen, in Deutschland wird auch der Begriff Gemeinschaftsstraße verwendet. SZ

Als erste Kommune im Landkreis führt Garching einen Shared Space ein: In der Bürgermeister-Hagn-Straße sind Autofahrer, Fußgänger und Radler künftig gleichberechtigt, Verkehrszeichen werden abgeschafft. Die Grünen nennen die Entscheidung gefährlich und verantwortungslos.

Von Gudrun Passarge, Garching

Aachen hat einen, Hamburg und Duisburg auch und nun bald auch Garching. Die Rede ist von einem Shared Space, von einem Raum, in dem alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt sind.

Der Bauausschuss beschloss gegen die zwei Stimmen der Grünen, in der Bürgermeister-Hagn-Straße (früher Hüterweg) vor dem Augustinerbräu ein solches Pilotprojekt für die Stadt einzurichten. Dritter Bürgermeister Walter Kratzl (Grüne) stuft die Stelle jedoch als ungeeignet ein. Er nannte einen Shared Space vor dem künftigen Augustiner-Biergarten "gefährlich, ja fast schon verantwortungslos".

Über sechs Varianten wurde schon diskutiert

Schon seit längerem ist die Stadt auf der Suche nach einer geeigneten Lösung der Verkehrsfrage in der 74 Meter langen Straße. Eine baldige Entscheidung sei auch im Sinn der Brauerei, die mit ihrem Bau gut vorankomme und wissen muss, welche Anschlüsse sie zu berücksichtigen habe. Der Shared Space ist bereits Variante sechs in der Diskussion, "für mich ein nachahmenswertes Projekt", stellte Zweiter Bürgermeister Alfons Kraft (Bürger für Garching) fest, der in Vertretung für Bürgermeister Dietmar Gruchmann die Sitzung am Donnerstagabend leitete.

Shared Space war in Garching bereits als Lösung für die Verkehrsprobleme der Ortsdurchfahrt auf der früheren B 11 diskutiert worden, ließ sich damals jedoch nicht umsetzen. Die Verwaltung, auf deren Vorschlag die Lösung beruht, merkte an, dass es keine Erfahrungen mit solchen Bereichen gebe. Es sei für alle Beteiligten Neuland. Doch grundsätzlich habe eine Begehung mit Vertretern der Polizei und des Landratsamts ergeben, dass Shared Space dort vorstellbar sei.

Bauamtsleiter Klaus Zettl merkte in der Sitzung an, dass in dem Bereich ohnehin schon Fußgänger auf der Straße liefen. "Shared Space haben wir ja jetzt schon da, bloß mit 1,50 Meter weniger." Grundsätzlich sei die Zone schilderfrei, nur am Eingang weise ein Schild auf die geteilte Nutzung des Raums hin.

Die Fraktionen sahen den Vorschlag der Verwaltung überwiegend positiv. "Die Idee hat einen gewissen Charme", sagte etwa der Fraktionschef der CSU, Jürgen Ascherl. Nur das Hinweisschild solle doch bitte in Deutsch gehalten sein, forderte er. Ascherl machte die Zustimmung seiner Partei jedoch von der Feuerwehr abhängig. Nur wenn diese zustimme, werde auch die CSU ihr Plazet dazu geben. Und Götz Braun (SPD) nannte Shared Space als Lösung, "in die Zukunft zu denken", zumal ja die Feuerwehr ihr neues Haus in einigen Jahren an anderer Stelle bekommen soll.

Die Grünen wollen nicht schuld sein, wenn etwas passiert

Ganz anders dagegen fiel die Bewertung der Grünen aus. "Wir sind nicht generell gegen Shared Space", sagte Werner Landmann, "wir halten nur diese Stelle für denkbar ungeeignet". Immerhin seien zwei Gaststätten in unmittelbarer Nähe. Deutlicher wurde Walter Kratzl, der sich ausmalte, wie Leute aus dem Biergarten kommen und vielleicht auch Kinder auf die Straße laufen, während Autos dort entlangfahren. "Wenn etwas passiert, die Schuld möchte ich nicht auf mich nehmen."

Er plädierte dafür, eine zuvor diskutierte Variante mit einem 1,80 Meter breiten Fußweg samt Bordstein umzusetzen, das sei viel sicherer. An seine Kollegen im Stadtrat gerichtet sagte er: "Wenn ein privater Investor dort gebaut hätte, der Stadtrat hätte dort nie zugestimmt, dass da kein Fußweg gebaut wird." Außerdem kritisierte er das Argument, 60 000 Euro für den Ausbau mit Bürgersteig seien zu viel.

Die übrigen Stadträte verwahrten sich gegen solche Unterstellungen und auch gegen das Adjektiv "verantwortungslos". Schließlich gehe es bei einem geteilten Verkehrsraum um gegenseitige Rücksichtnahme, und im Zweifelsfall habe der Schwächere Vorrang, sagte Bauamtsleiter Zettl.

Außerdem, so der Tenor im Ausschuss, hielte auch eine Bordsteinkante niemanden davor zurück, auf die Straße zu gehen und verletzen könne man sich auch, wenn man über eine Bordsteinkante stolpere.

Der Bauausschuss modifizierte den Beschluss der Verwaltung noch mit dem Zusatz, dass die Feuerwehr zustimmen müsse, und stimmte für das Pilotprojekt mit dem geteilten Verkehrsraum. Außerdem ist in dem Beschluss davon die Rede, dass man noch reagieren könne, wenn sich das Modell nicht bewähre. So könnte beispielsweise ein Gehweg noch nachträglich markiert werden.

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