Sexismus:Eine Frage des gegenseitigen Respekts

Pullach, Bürgerhaus, FDP-Veranstaltung, Auseinandersetzung mit der âĞMeTooâĜ âē Diskussion, Foto: Angelika Bardehle,

Sabrina Böcking warnt vor Hexenjagden.

(Foto: Angelika Bardehle)

#MeToo und die Folgen: Die FDP diskutiert in Pullach über eine Versachlichung der Debatte

Von Julian Carlos Betz, Pullach

Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht irgendwo auf der Welt Vorwürfe sexueller Übergriffe öffentlich werden. Unter dem Hashtag #MeeToo hat sich dazu eine lebhafte Debatte entwickelt. "Im eigentlichen Sinn ist es jedoch gar keine Debatte, sondern eine Aneinanderreihung sexueller Anschuldigungen", urteilt der FDP-Kreisvorsitzende Ralph Peter Rauchfuss. Gemeinsam mit der Münchner FDP-Landtagskandidatin Sabrina Böcking hat der Kreisverband diese Woche das Thema in einer Informationsveranstaltung in Pullach aufgegriffen. Die Frage dabei: Wie kann eine so hochemotionale Debatte über den Machtmissbrauch im Umgang der Geschlechter miteinander und allgemeinen Sexismus wieder auf eine sachliche Grundlage gestellt werden?

"Es ist gut, dass durch die Me-Too-Debatte ein verstärktes Augenmerk auf alltäglichen und strukturellen Sexismus gelegt wird", findet Böcking. "Wir müssen aber aufpassen, dass nicht übers Ziel hinausgeschossen wird und noch nicht bewiesene Anschuldigungen sofort gesellschaftliche Konsequenzen für die Betroffenen haben. " Im Jahr 2018 müsse es möglich sein, eine ehrliche Debatte zu führen und etwas zum Positiven zu verändern, ohne in eine Hexenjagd zu verfallen. Böcking, Landtagskandidatin der FDP für den Stimmkreis München-Hadern, verweist auf die teils "existenzbedrohende" Dimension mancher Anschuldigungen. Gerade in Fällen wie dem des Wettermoderators Jörg Kachelmann zeige sich doch, dass auch irrtümliche Beschuldigungen enorme, für den vermeintlichen Täter nicht oder nur sehr schwer wiedergutzumachende Folgen haben können.

Ihr gehe es nicht darum, der Debatte ihre Glaubwürdigkeit zu entziehen, sondern vielmehr darum, eine "sehr subjektive" Vermengung verschiedener Vorwürfe und öffentlicher Urteile wieder in sachliche Verhältnisse aufzulösen. Einerseits sei offensichtlich, dass Fälle wie der des Filmproduzenten Harvey Weinstein in den USA einer dringenden Klärung bedürfen. Andererseits müsse man jedoch immer darauf achten, keine haltlosen Anschuldigungen in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter loszulassen.

Zwei Dinge wünsche sie sich dabei: Erstens, dass sowohl Frauen als auch Männer ihr Verhalten im Umgang miteinander überdenken, und zweitens, dass man als Kritiker der Debatte nicht sofort in eine bestimmte Ecke gestellt werde, wie das bei der französischen Schauspielerin Catherine Deneuve geschehen sei.

Auch der Münchner Fachanwalt für Strafrecht Markus Meißner schließt sich dieser Mahnung zu einer Versachlichung an. "Me Too" sei definitiv "keine Kunstdebatte", sondern eine "gesellschaftlich reife" Diskussion darüber, wie man mit Fällen des Machtmissbrauchs überwiegend von Männern gegenüber Frauen in der Arbeitswelt wie auch mit Sexismus im Alltag umzugehen habe. Er betont, dass die hohe Emotionalität des öffentlichen Diskurses durchaus seine Vorteile habe, denn dadurch sei für ein Opfer von sexueller Gewalt die Hürde niedriger, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Gleichzeitig würden jedoch viele "an den Pranger gestellt", oft ohne jede sachliche Grundlage oder juristische Untersuchung. Meißner bestätigt Böckings Anregung, dass die Debatte vor allem dazu genutzt werden sollte, grundlegende Reflexionen über das eigene Verhalten anzustellen.

Im Laufe des Abends kristallisiert sich ein Wort heraus, das einen Konsens nach gewünschter Veränderungen beschreibt: Respekt. Der Kommunikationswissenschaftler Stefan Göbel bemerkt hierzu, dass nach der Bedeutungsverschiebung in der Diskurshoheit von den traditionellen Medien hin zu den "sozialen-asozialen" Medien die "Sau einfach durchs Dorf getrieben wird", egal was dabei auf dem Spiel steht und wer tatsächlich Schuld hat. Doch auch die Medien seien zu kritisieren. "Die leben schließlich von der Hysterie", ebenso wie die Politik, bemerkt Göbel.

Einen weiteren Redebeitrag leistet die Gymnasiallehrerin Sandra Wagner, die bewusst provokativ auf die Notwendigkeit hinweist, auch das Verhalten der Frauen als potenzielle Opfer müsse sich ändern. Sie behauptet: "Ein Täter sucht sich immer ein Opfer, keinen Gegner." Sie fordert eine Selbstermächtigung der Frau, sowohl physisch als auch emotional. Man müsse als Frau einfach viel besser werden im Umgang mit blöder Anmache, sexueller Belästigung und Bedrohungsszenarien. Überhaupt nicht nachvollziehen könne sie die teils verbreitete Ansicht, dass man in der Arbeitswelt als Frau die "sexuelle Identität an der Firmentüre" abzulegen habe. "Wenn ich ein Kleid tragen will, tue ich das auch", insistiert sie.

Man dürfe sich nicht freiwillig entsexualisieren, nur um eventuellen anzüglichen Kommentaren und abwertendem Verhalten durch männliche Kollegen vorzubeugen.

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