Serie "Macht hoch die Tür":Topografisches Heiligtum

Die Basispyramide Unterföhring liegt südlich des Heizkraftwerks an der Auffahrt der M3 zum Föhringer Ring

Klaus Zaglmann traute seinen Augen kaum, als er das verlassene Hornissennest sah.

(Foto: Florian Peljak)

Die Unterföhringer Basispyramide markiert zusammen mit ihrem Pendant in Aufkirchen den Beginn der Vermessungstechnik. Sie versteht es, ihren Schatz im Innersten gut zu verbergen.

Von Sabine Wejsada, Unterföhring

Hinter der gusseisernen Tür mit den geschwungenen Ornamenten liegt das Allerheiligste - zumindest für all jene, die sich mit der Geschichte der Landvermessung im Freistaat befassen. Klaus Zaglmann, Kurator für die historische Sammlung im Bayerischen Landesamt für Vermessung, lockert an diesem eisigen Vormittag zunächst Mutter und Schraube, um dann den Querbalken zur Seite zu schieben, der über der Tür der Basispyramide in Unterföhring liegt. Danach nimmt er einen altertümlich anmutenden Schlüssel und sperrt sie auf, die schwere Tür, und gibt die Sicht frei auf die normalerweise von zwei Seiten verschlossene Vermessungsbasis in Napoleons Obelisk.

Doch was schließlich zum Vorschein kommt, hat nichts mit Grundlinien und Mathematik zu tun: Mittig auf einem dicken Holzbrett thront ein großes Hornissennest. Es ist längst verlassen und sieht aus wie von Künstlerhand gestaltet. Die Insekten sind verschwunden oder verendet - das Nest ist bestimmt ganz schön alt, wie Zaglmann schätzt.

Denn mehr als 16 Jahre ist es nämlich her, dass der Kurator die beiden Türen, eine auf der Nordseite, die andere auf der Südseite der Basispyramide aufgesperrt hat - zum 200. Jahrestag zur Begründung der bayerischen Landvermessung. Am 19. Juli 2001 wurde das Jubiläum am Obelisken in Unterföhring gefeiert. Zaglmann und seine Kollegin Barbara Doll können nun den Blick gar nicht mehr abwenden von dieser durch die Natur geschaffenen Skulptur im Inneren.

Von der eigentlichen Vermessungsbasis, dem Schatz im Inneren des Bauwerks, ist nicht wirklich etwas zu sehen. Das Holzbrett, auf dem die Hornissen einst ihr Nest gebaut haben, dient eigentlich als Vorrichtung zur Aufbewahrung von Werkzeug für das Heben der kiloschweren Schutzpanzer: Zuerst muss die Kalksteinplatte angehoben werden, danach dann eine Marmorplatte, in die wiederum eine Messingplatte eingelassen ist. Diese liegt auf einem Werkstück, das von Ziegeln ummauert ist - und dann ist sie da, die Messingdose mit Schneidekanten, die nach oben zeigen.

Würde man die Spitze der innen hohlen Pyramide abheben, könnte man ein Lot nach unten fädeln, das direkt auf den Mittelpunkt auf der Vermessungsbasis zeigt. Damals, zu Beginn der Landvermessung vor mehr als zwei Jahrhunderten, wurde der Senkel mit Silberdrähten in den Obelisken gehängt, wie Klaus Zaglmann sagt, der sichtlich beeindruckt davon ist, wie genau die beiden Basispyramiden im Februar 1802 platziert wurden.

So weiche jene in Unterföhring nur um einen halben Zoll (exakt 1,26 Zentimeter) vom 1921 mit moderner Technik nachgemessenen Fixpunkt ab, das Gegenstück in Aufkirchen im Erdinger Land einen dreiviertel Zoll. "Was man heute digital und über GPS messen kann, haben die Menschen damals mit weitaus beschwerlicheren Methoden geschafft", sagt Kurator Klaus Zaglmann.

Die Basispyramide Unterföhring liegt südlich des Heizkraftwerks an der Auffahrt der M3 zum Föhringer Ring

Der Obelisk symbolisiert den Beginn der Vermessungstechnik.

(Foto: Florian Peljak)

Die Basispyramide markiert den Beginn der Vermessungstechnik. Der Obelisk aus dem Jahr 1802 steht im Niemandsland am Föhringer Ring und hat eine enorme Bedeutung: Das Bauwerk stammt aus der Zeit, als Bayerns Landschaften neu vermessen wurden. Im Jahr 1800 forderte Napoleon eine exakte militärisch-topografische Karte. Zu diesem Zweck wurde eine "Commission des routes" unter Napoleons Generaladjutant Charles Frérot d'Abancourt geschaffen.

Die Endpunkte der Basislinie wurden 1802 mit jeweils fünf Meter hohen Basispyramiden aus Tuffkalk gekennzeichnet. Mit Latten auf höhenverstellbaren Holzstativen wurde quer über Wiesen und Moore, Bäche und Gräben gemessen, der unzugängliche Rest wurde mittels Dreiecksmessungen berechnet. Das Ergebnis - 21 Kilometer, 653 Meter und 93 Zentimeter - errechneten die damaligen Ingenieure ziemlich exakt.

Nach dem Abzug der Franzosen erließ Kurfürst Max IV. Joseph, der spätere König Maximilian I. Joseph, eine Verordnung zur Gründung eines "Topographischen Bureaus", einem Vorläufer des heutigen bayerischen Landesvermessungsamtes. Diese Behörde nahm als Ausgangspunkt eine Sichtverbindungslinie des nördlichen Turmknopfes der Münchner Frauenkirche mit der Turmspitze der Kirche von Aufkirchen bei Erding.

Als zentrales Stück dieser Basislinie wurde die Verbindung zwischen einem Punkt bei Unterföhring und dem Dorfrand Aufkirchens festgelegt. Mit einer Länge von exakt 21 653,93 Metern ist die Strecke zwischen den Pyramiden in Unterföhring und Aufkirchen nach Angaben des Vermessungsamtes auch heute noch die längste Grundlinie in Europa. 42 Tage lang hat es gedauert, den Weg von Unterföhring nach Aufkirchen mit Hilfe von fünf jeweils fünf Meter langen Holzlatten abzumessen. Besucher können sich auf der erst unlängst aufgestellten Hinweistafel über die Geschichte von Pyramide und einstiger Messtechnik informieren. In das gut gehütete Innere des Obelisken aber schaffen es nur die Insekten.

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