Serie "Macht hoch die Tür":Fledermaus-WG unterm Dach

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Verschiedene Fledermausarten teilen sich den Verschlag am Haus von Susanna Tausendfreund. Im Bild eine Zwergfledermaus. (Foto: Privat)

Susanna Tausendfreund beherbergt am Giebel ihres Hauses geschützte Tiere

Von Claudia Wessel, Pullach

Hinter diesem Holzbrett verbirgt sich eine Luxusbehausung in Pullach. Luxus deshalb, weil sie so selten ist. Denn immer weniger Neubauten bieten in der heutigen Zeit Fledermäusen Lebensraum und Zuflucht. Die Pullacher Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne) hat die Sache selbst in die Hand genommen und an ihrem eigenen Haus ohne viel Aufwand ein Fledermausquartier einrichten lassen.

"Handwerklich geschickt unterhalb des Giebels eingebaut, fällt die raffinierte Konstruktion eigentlich nur Fachleuten auf", sagt Tausendfreund. "Äußerlich weisen lediglich die geriffelten Anflugbrettchen auf die Spezialbehausung hin, die es wahrlich in sich hat: Im Inneren befindet sich ein verzweigtes Mehrkammernsystem, das von verschiedenen Fledermausarten bewohnt werden kann und zudem kälteisoliert ist."

Hinter den Holzbrettern am Giebel des Hauses befindet sich ein Quartier für Fledermäuse. (Foto: Privat)

Das Angebot wurde von Fledermäusen gerne angenommen, die Pullacher Bürgermeisterin hat schon einige Flugbewegungen wahrgenommen. Die Tiere haben sich vermutlich umso mehr gefreut, als ihr Wohnraummangel heutzutage noch durch die Tatsache verschärft wird, dass auch bei energetischen Gebäudesanierungen bestehende Tierquartiere - sie lieben Höhlen, Ausbuchtungen, Schlupflöcher - im wahrsten Sinne des Wortes "dicht gemacht" werden.

Die traurige Konsequenz ist, dass alle 25 heimischen Fledermausarten bedroht sind, so Tausendfreund. Seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts seien die Bestände in Deutschland dramatisch eingebrochen: "Einer unserer bekanntesten tierischen Kulturfolger verschwindet still und leise - und dies, obwohl er gesetzlich geschützt ist", sagt Tausendfreund bedauernd.

Die Lage zwischen Forstenrieder Park und Isartal ist ideal

Gebaut wurde das Quartier an ihrem Haus vom sozialen Betrieb "Weisser Rabe Waldprojekt" unter fachlicher Beratung des Landesbunds für Vogelschutz. Eigentlich ist Pullach nämlich ein beliebter Wohnort für Fledermäuse. Aufgrund der Lage zwischen Forstenrieder Park und Isartal gibt es ausreichend natürliche Nahrung, und auch die Nachteile einer industrialisierten Landwirtschaft fallen vergleichsweise gering aus.

Dennoch sind neben den Fledermäusen auch etliche fassaden- und höhlenbrütenden Vogelarten bedroht, so Tausendfreund. Als besorgniserregendes Beispiel gilt der drastische Rückgang des Haus- und Feldsperlings: Der früher überall zu findende "freche Spatz" ist sehr selten geworden. "Auch bei uns in Pullach", sagt Tausendfreund. Seine Lebens- und Brutstätten werden unwissentlich zerstört, wenn Hohlräume versiegelt, Gebäude saniert oder alte Häuser abgerissen werden.

Bauherren in Pullach erhalten daher das Merkblatt "Artenschutz an Gebäuden", in dem unter anderem steht: "Den Tieren darf der Zugang zu ihren Quartieren durch Bau- und Sanierungsmaßnahmen, Staubnetze und Baugerüste nicht versperrt werden." Bauarbeiten an betroffenen Häusern dürften auch nicht in die Zeit der Brut oder Winterruhe fallen. Deshalb soll bereits vor Beginn der Bau- oder Sanierungsarbeiten geprüft werden, ob besonders oder streng geschützte Tiere in den Gebäuden leben. Oftmals seien deren Nist- und Wohnstätten auf den ersten Blick nur von Fachleuten zu erkennen, so das Merkblatt.

© SZ vom 07.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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