Süddeutsche Zeitung

Serie "In den Startlöchern":Niemals langweilig

Die Schülerin Anne Kleidon macht seit fünf Jahren Modernen Fünfkampf. Ihr Ziel ist es, wie ihr Vorbild Lena Schöneborn bei Olympia zu starten

Von Daniela Bode

Die Sonne brennt herunter an diesem Morgen, die Luft flimmert über den Wiesen der Reitanlage Poschanger am Irschenberg. Anne Kleidon - die langen blonden Haare zum Pferdeschwanz gebunden, schlanke, athletische Figur - galoppiert auf dem Schimmel mit dem Namen Sha über den Außenspringplatz. "Jetzt reit' nochmal a bisserl schneller an", ruft ihr Daniela Brandhofer zu. Ihr gehört die Reitanlage, auf der sich Jugendliche in den verschiedensten Disziplinen ausbilden lassen können. Und Brandhofer trainiert die 17-Jährige regelmäßig, seit sie zehn Jahre alt war.

Konzentriert, aber geschmeidig springt Anne Kleidon mit dem Pferd über das Hindernis mit den zwei Holzstangen. "Reiten ist meine Lieblingssportart", sagt sie später. Richtig gut ist sie aber auch noch in den vier anderen Disziplinen Schwimmen, Fechten, Schießen und Laufen. Und zwar so gut, dass sie im Juli für den Ausdauersportklub München Süd mit Sitz in Neubiberg an der WM in Modernem Fünfkampf teilgenommen, es ins Finale geschafft und in der Klasse Jugend A den 33. Platz belegt hat.

Seit fünf Jahren betreibt Kleidon die olympische Vielseitigkeits-Sportart und ist glücklich damit. "Ich fühle mich ausgelastet", sagt sie. "Weil der Fünfkampf so vielfältig ist, wird es einem nie langweilig." Wenn man mal nicht so viel Lust auf Laufen hat, trainiert man eben mal ein bisschen mehr Fechten oder Schießen. "Dann verbessert man sich da", sagt Kleidon. Einen Reiz macht es auch aus, dass bei den verschiedenen Sportarten verschiedene Stärken gefragt sind.

"Mit dem Pferd harmonisieren."

Disziplin vier und fünf ähneln der Wintersportart Biathlon, Laufen und Schießen werden kombiniert, deshalb spricht man hier von der Disziplin "Combined". "Beim Schießen kommt es auf Konzentration und Technik an", sagt die 17-Jährige. Es gilt, so schnell wie möglich mit der Laserpistole fünfmal ins Schwarze zu treffen, 50 Sekunden hat man maximal Zeit. Zwischen und nach den vier Schießübungen muss der Athlet jeweils 800 Meter laufen - macht 3200 Meter und 20 Schüsse.

Beim Reiten geht es ebenfalls um Technik. Die Modernen Fünfkämpfer reiten über einen Parcours mit 350 bis 450 Metern Länge, der je nach Altersklasse verschiedene Sprungkombinationen enthalten muss. Vor allem geht es aber auch darum, "sich mit dem Pferd zu harmonisieren", sagt Kleidon. Denn das Pferd wird dem Reiter zugelost. Trotz der jahrelangen Erfahrung ist es auch Kleidon schon passiert, dass sie im Wettkampf zu langsam anritt und das Pferd vor dem Hindernis stehen blieb. Sie sieht das allerdings sportlich: "Aus solchen Fehlern beim Wettkampf lernt man am meisten", sagt sie.

Früher betrieb die Holzkirchnerin Triathlon. Nur machte ihr das Radfahren wie sie sagt nicht so viel Spaß. Da schlug ihr Vater vor, es mit Modernen Fünfkampf zu versuchen. Er selbst hatte diese Sportart als junger Mann einmal betrieben und zeigte ihr die Grundlagen. Mittlerweile besucht die 17-Jährige ein Sportinternat in England. Das Training ist sehr intensiv, schon vor dem Frühstück geht es mit Krafttraining, Laufen oder Schwimmen los. In kleinen Pausen wird Schießen geübt. An Schultagen geht sie in der Mittagspause mittwochs und freitags schwimmen.

Nach der Schule folgen Fechten, Laufen, Combined oder Reiten weiter. In den Freistunden übt Kleidon Fechttechnik. 22 Stunden Training sind das pro Woche. Die Wochenenden sind frei. Auch wenn Kleidon zuhause in Holzkirchen ist, übt sie ihre Sportarten. Reiten eben auf der Anlage am Irschenberg, wo auch immer wieder Fünfkampf-Reitcamps stattfinden. Das Schießen übt sie auf der heimischen Terrasse, die Zielscheiben sind im Wohnzimmer platziert - alles ein bisschen improvisiert. Manchmal nimmt sie auch an Lehrgängen des Bayerischen Verbands für Modernen Fünfkampf an der Sportschule in Oberhaching für Bayerische Kaderathleten teil.

Reiten hat sie von Klein auf gelernt

Das harte Training hat sich ausgezahlt. Die 17-Jährige selbst sieht im Schießen ihre beste Disziplin. "Wir hatten in England einen sehr guten Coach. Er hat uns beigebracht, Selbstvertrauen zu haben, da schießt man besser", sagt sie. Ihre Bestzeit für die fünf Treffer sei 7,34 Sekunden gewesen. Weltbestleistung ist 5,9 Sekunden.

Auch im Reiten findet sie ihre Leistung okay, nur gebe es da immer den Unsicherheitsfaktor des zugelosten Pferdes - ein Problem, das allerdings jeden Athleten betrifft. Beim Laufen, findet sie, könnte sie noch mehr Ausdauer haben. Ihre jüngste Liste an Erfolgen kann sich dennoch sehen lassen: 2015 gewann Kleidon in der Klasse Jugend B die Deutsche Meisterschaft, ebenfalls voriges Jahr nahm sie an der EM teil. Im Juli qualifizierte sie sich für das Finale der WM der Jugend A, Platz 33 hat sie sehr zufrieden gemacht, denn der Finaleinzug war im Vorfeld ihr ganz großes Ziel gewesen.

Offenbar haben die junge Sportlerin aber nicht nur ihr intensives Training, sondern auch ihre geerdete, zielorientierte Art zum Erfolg geführt. "Sie ist wahnsinnig diszipliniert und immer noch so normal und auf dem Boden geblieben", beschreibt sie ihre Reitlehrerin Brandhofer. Ihr komme zugute, dass sie die Disziplinen von Klein auf gelernt habe, gerade das Reiten, bekanntlich eine sehr schwierige Disziplin. Die 17-Jährige beschreibt sich selbst als "ziemlich gut organisiert mit Zeit", wenn auch manchmal ein bisschen zu perfektionistisch. Hin und wieder kommt sie auch mit dem Druck nicht so gut klar. Den würde sie gerne noch etwas besser handeln können, sagt sie.

Wenn das gelingt, dürfte sie einem großen Wunsch immer näherkommen. "Ich glaube jeder Leistungssportler hat das Ziel, einmal bei Olympischen Spielen dabei zu sein", sagt sie. Lena Schöneborn, die Olympiasiegerin von 2008, sei ihr Vorbild. "Sie macht wirklich hammermäßige Wettkämpfe", findet Kleidon.

Falls es mit Olympia aber nicht klappen sollte, hat Anne Kleidon einen Plan B: "Dann konzentriere ich mich aufs Studium", sagt sie. Veterinärmedizin oder Biologie könne sie sich ganz gut vorstellen.

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Quelle:
SZ vom 20.08.2016
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