Süddeutsche Zeitung

Serie: Das Fest der Dinge, Folge 7:Der Glanz des Süßen

Caroline Dworatschek ist Chocolatière aus Leidenschaft. In ihrer Zuckerbäckerei in Unterhaching entwirft sie kunstvoll gestaltete Pralinen.

Von Iris Hilberth, Unterhaching

Die Sterne glänzen tiefrot, die kleinen Buddhaköpfe schimmern goldgrün und auch die blau-marmorierten Halbkugeln sehen aus wie polierte Edelsteine. Das Tolle an diesen meisterhaften Stücken: Sie sind nicht nur etwas fürs Auge, sondern zergehen auch zuckersüß auf der Zuge. In Caros Zuckerbäckerei in Unterhaching entstehen in diesen Wochen vor Weihnachten Hunderte oder gar Tausende von diesen bissengroßen Versuchungen der Chocolatierskunst.

Um den handgefertigten Pralinen den besonderen festlichen Glanz, den Glitzer und den weihnachtlichen Farbton zu verpassen, wirft Caroline Dworatschek ihren Druckluft-Kompressor an, aus dessen Airbrush-Pistole die Speisefarbe zischt. Ein im Vergleich zu den filigranen lukullischen Produkten stählerner Koloss inmitten von Formen, Förmchen, Töpfen, Rührschüsseln und Zutaten. "Damit schminke ich die Pralinen", sagt Dworatschek.

Es ist einer von vielen kleinen Arbeitsschritten, die Präzision verlangen und allesamt notwendig sind, um ein kleines kulinarisches Kunstwerk zu schaffen, dessen wichtigester Bestandteil die Schokolade sein sollte. Große Tüten mit den verschiedensten Kuvertüren hat Caroline Dworatschek in ihrer großen, professionellen Küche am Finsinger Weg stehen. Weiße wie braune bis hin zu fast schwarzen Schokostückchen stehen hier zur Verarbeitung bereit. Sie riechen nach Kaffee oder Karamell, schmecken manchmal sogar etwas rauchig, oft auch fruchtig. Daraus dann die richtige Mischung zu finden, um eine gelungene Kreation zu komponieren, ist eine hohe Kunst. Pralinen herstellen ist aufwendig, erfordert Erfahrung und das richtige Gespür.

Das ist wohl auch der Grund, warum Chocolatiers oft ein bisschen eigen sind, was ihr Können in der Welt der Süßigkeiten angeht. Sie mögen es eigentlich nicht besonders, wenn sich jemand berufen fühlt, ohne Meisterbrief im Konditorenhandwerk in der Szene aufzutauchen. Caroline Dworatschek ist die klassische Quereinsteigerin, einfach war es für sie anfangs daher nicht, den Großen des Fachs bei Fortbildungen auf Augenhöhe zu begegnen. Längst aber ist die Frau, die Betriebswirtschaft studiert und sich einst das Backen selbst beigebracht hat, in dem Kosmos der Schokospezialisten und Backexperten angekommen.

Mit Hochzeits- und Geburtstagstorten fing es an

Nachdem die Unterhachingerin zwar einen guten Job im Vertrieb eines Unternehmens hatte, nebenher aber erst für Verwandte und Freunde, immer mehr aber auch für deren Bekannte aufwendig dekorierte Hochzeits- und Geburtstagstorten herstellte, entschied sie sich, damit ein zweites Standbein aufzubauen. "Es ist eine sehr zeitintensive Arbeit und für Fremde kann man das irgendwann nicht mehr umsonst machen." Und weil sie ja nicht schwarz arbeiten wollte, beschloss Dworatschek, ein Gewerbe anzumelden. Das allerdings stellte sich zunächst als unmöglich und schließlich als recht kompliziert heraus.

Denn das Handwerk des Konditors ist ein meistergeschützter Beruf. Das heißt: ohne Meisterbrief keine eigene Firma. Aber Dworatschek hatte noch nicht einmal eine Lehre in dieser Branche vorzuweisen. Das Betriebswirtschaftliche war natürlich ein Klacks für sie, auch die Hygienevorschriften erfüllte sie, da sie nebenher eine Würstlbude im Sechzigerstadion betrieb. Bei der Konditoren-Innung wies man sie zunächst darauf hin, sie müsse erst einmal eine Ausbildung absolvieren. Dworatschek war damals aber schon Ende vierzig, da findet man keine Lehrstelle mehr. Am Ende war ihr Alter sogar ihr Glück. Für sie gab es dadurch tatsächlich die Möglichkeit des Quereinstiegs. Allerdings musste sie eine Prüfung in Theorie und Praxis ablegen, und insbesondere letztere hatte es in sich. "Ich habe nach dem Abitur Industriekauffrau gelernt und dann studiert. Aber eine so schwere Prüfung wie bei den Konditoren habe ich zuvor noch nicht erlebt", sagt Caroline Dworatschek heute.

Kurz vor Weihnachten 2013 erreichten sie die Prüfungsaufgaben: Plunderstücke, Festtagstorte, drei Sorten Kleingebäck, drei unterschiedliche Pralinen, davon eine Sorte Schnittpralinen. All das war herzustellen innerhalb von fünf Stunden, inklusive anrichten und aufräumen. Ihr erstes Problem: "Ich wollte ja eigentlich nur Torten backen und hatte keine Ahnung von Pralinen."

Schon im Januar sollte die Prüfung sein. Im Eiltempo suchte sie nach einem Pralinenkurs - und hatte Glück, noch einen Platz zu bekommen. Aber auch die vorgegebenen fünf Stunden erwiesen sich als hohe Hürde. "Bei meinem ersten Testbacken zu Hause habe ich acht Stunden gebraucht." Nach mehreren Durchgängen waren alle Nachbarn mit Kuchen und Keksen versorgt und Caroline Dworatschek bei sechs Stunden. Sie optimierte den Ablauf dann noch, indem sie alle Zutaten vorher abwog und so exakt anordnete, dass jeder Handgriff saß.

Seither hat sie ihr Faible für Pralinen entdeckt, ist sie immer tiefer in die Welt der Chocolatiers eingetaucht und hat zahlreiche Fortbildungen bei großen Meistern des Fachs absolviert. Bei Melissa Coppel etwa, die ihre eigene Pralinenschule in Las Vegas betreibt, und bei Ramon Morató, den spanischen Schokoladenexperten, der sie in die Geheimnisse der unterschiedlichen Zucker einführte. "Mit dem richtigen Mischungsverhältnis lässt sich die Haltbarkeit verlängern", weiß Caroline Dworatschek mittlerweile.

Wichtig sei beim Pralinenherstellen vor allem, dass man sehr genau arbeite. "Das ist anders als beim Kochen. Da macht es nichts, wenn man ins Ratatouille mal eine Zucchini mehr reinwirft."

In Kursen gibt sie inzwischen ihre Leidenschaft des Pralinenmachens weiter. Sie bringt den Teilnehmern bei, wie man Schokolade verarbeitet, was gar nicht einfach ist. "Die Schokolade ist eine Diva, manche sagen auch eine Zicke, weil sie sich ständig verändert", weiß die Expertin. Vor allem aber hat Caroline Dworatschek nach jetzt fünf Jahren mit ihrer eigenen Zuckerbäckerei festgestellt: Das ist genau das Richtige für mich. "Ich bin einfach eine Handwerkerin, jemand der ergebnisorientiert arbeitet."

Und wenn sie mal nicht wie jetzt vor Weihnachten zwölf Stunden und mehr am Stück in ihrer Backstube steht, um 600 Pralinen am Tag herzustellen? Caroline Dworatschek lacht verlegen und wirkt zugleich so zufrieden bei ihrer Antwort: "Dann lese ich Pralinenrezepte oder Backbücher."

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Quelle:
SZ vom 07.12.2019/belo
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