SZ-Serie: Abgedreht - Filmkulissen rund um München:Morde im Villen-Idyll

Lesezeit: 3 Min.

Teure Villen bilden in vielen Folgen die Kulisse für die Ermittlungen von Horst Tappert alias Oberinspektor Derrick. Die meisten Häuser standen allerdings im Original gar nicht im Würmtal, sondern in Pullach, Grünwald oder Starnberg. (Foto: imago images/United Archives)

Die Krimi-Serie "Derrick" spielt zum großen Teil im Würmtal, wo auch Hauptdarsteller Horst Tappert lebte. Gedreht wurde für die 281 Folgen aus den Jahren 1974 bis 1998 aber auch im Isartal und in Starnberg.

Von Rainer Rutz, Planegg

Das Würmtal gilt als Hort harmonischen und hochpreisigen Lebens, ein anspruchsvolles Fleckchen Erde im Südwesten von München, wo es sich gut verweilen lässt. Doch die vermeintliche Idylle ist auch Schauplatz grausamer Verbrechen, vom Raubmord bis zur furchtbaren Beziehungstat. So sahen es jedenfalls die Macher der mit Abstand bekanntesten und wohl auch beliebtesten Krimi-Serie im deutschen Fernsehen, Derrick. 281 Folgen gab es, immer mit Horst Tappert als Oberinspektor Derrick in der Hauptrolle und Fritz Wepper als assistierender Inspektor Harry Klein. Die beiden spielten sich zwischen 1974 bis 1998 in die Herzen von Millionen Zuschauern weltweit. Derrick ist Kult. Auch die öffentlichen Vorwürfe wegen Tapperts Zugehörigkeit zur Waffen-SS änderten nichts an seiner Beliebtheit. Das ZDF allerdings beschloss 2016 - acht Jahre nach Tapperts Tod in Planegg - keine der Serien zu wiederholen.

(Foto: SZ-Grafik)

Etliche der Filme spielten im Würmtal, jedenfalls im Raum zwischen Pasing und Starnberg. Einer der Gründe dafür dürfte gewesen sein, dass Horst Tappert selbst in Gräfelfing lebte. Der waschechte Würmtaler ist auch in der Gemeinde begraben. Ein weiterer Grund war sicher das Wohnambiente der Gegend: Luxusvillen mit riesigen Gärten, wenig Industrie, beschauliche Landschaften. Der morbide Charme so mancher Villen hat die Regisseure gereizt: Gut und Böse schienen hier oft nah beieinander zu liegen. Viele der damaligen Schauplätze haben sich seither radikal verändert: Statt der alten und so manches Mal auch maroden Villen sind neue, oft dem eher sachlichen Bauhaus-Stil ähnelnde Gebäude entstanden, in denen heute junge Familien leben, die sich das teure Würmtal leisten können. Die Spuren zu Derrick sind verwischt, es gibt kaum mehr Zeitzeugen. Nur wenige Gebäude stehen noch.

Derrick und sein Assistent Harry Klein (Fritz Wepper) in einer typischen Szene. (Foto: imago images/United Archives)

Eine Ausnahme ist die heute aufgelassene S-Bahnhaltestelle Mühlthal, die gleich in der ersten Folge der Krimi-Reihe mit dem Titel "Waldweg" eine prominente Rolle spielt. Es geht um den Mord an einem Mädchen: "Die Haushaltsschülerin war am Nachmittag mit dem Zug nach München gefahren. Erst spät in der Nacht, nach einem Kinobesuch, ist sie zurückgekehrt. Auf dem Weg von der kleinen Bahnstation zu ihrem Internat ist das Mädchen im Wald überfallen worden. Da der Mord an gleicher Stelle geschah, glaubt Oberinspektor Derrick den Täter mit einem Trick überführen zu können."

Der inzwischen stillgelegte Bahnhof Mühlthal hat gleich in der ersten Folge seinen großen Auftritt. (Foto: Nila Thiel)

Akribisch aufgezeichnet hat das Patrick Heisch. Der 50 Jahre alte IT-Manager aus dem Raum Stuttgart ist Chef eines der größten Fan-Clubs ( www.derrick-fanclub.de). Recherchen zu Derrick ohne ihn sind kaum denkbar. Heisch hat alle 281 Folgen gesehen, manche mehrfach: "Meine Eltern und Großeltern schauten regelmäßig den Freitagabendkrimi. Irgendwann mit elf oder zwölf Jahren durfte ich mit dabei sein", sagt er. "Mich faszinierten die guten Drehbücher von Herbert Reinecker und Helmut Ringelmann, die herausragenden Schauspieler, die Musik und natürlich die zahlreichen Drehorte in und rund um München. Es ist ein Hobby von mir, das intensiv gelebt wird."

Auch andere Krimis wurden im Westen Münchens gedreht

Heisch hat Kontakte zu Aufnahmeleitern, zu Schauspielern, in Produktionen von Arte hat er mitgewirkt und etliche Drehorte kennt er persönlich. Warum gerade Derrick? "Weil er ohne Schießereien oder wilde Verfolgungsfahrten auskommt." Neben den Drehbüchern faszinierten ihn Schauspieler wie Curd Jürgens, Will Quadflieg, Ernst Schröder, Rudolph Platte, Lilly Palmer oder Susanne Uhlen. Die Folgen aus den Siebziger- und Achtzigerjahren haben ihm am besten gefallen: Im Birket in Lochham oder in der Gräfelfinger Otilostraße beispielsweise, wo auch Tatorte wie "Schneetreiben" oder "Ein neues Leben" gedreht wurden, in der Urologischen Klinik in Planegg, die damals vollkommen anders aussah als heute, in Gauting in einer Firma in der Grubmühlstraße und in der Villa an der Waldpromenade. Dazu kommen Tatort-Folgen mit den heute noch agierenden Tatort-Kommissaren Batic und Leitmayr in Gräfelfing - Heisch kennt die Inhalte alle in- und auswendig. Für die Serie "Zweite Heimat" stand eine Villa in der Gräfelfinger Grawolfstraße zur Verfügung und gleich zwei Villen im Lochhamer Birket wurden zum Schauplatz der beliebten Reihe "Unter Verdacht" mit Senta Berger. Aber zurück zu Derrick.

Auch in der Derrick-Folge 117 "Angriff aus dem Dunkel" ist ein wichtiger Schauplatz des Geschehens die frühere Urologische Klinik Castringius, die seither mehrfach komplett umgebaut wurde und heute ein Spezialzentrum für urologische Erkrankungen ist. Eine 25-Jährige wird nachts von einem Auto angefahren und stirbt auf dem Weg ins Krankenhaus. Ihre Freundin ist überzeugt, dass es sich um einen vorsätzlichen Anschlag handelte - und sie das eigentliche Ziel war.

Dennoch: Die Drehorte im Würmtal waren eher rar: "Die meisten Villen, die bei Derrick Verwendung fanden, standen definitiv in Grünwald, Pullach, Bogenhausen oder in Starnberg", sagt Patrick Heisch. Doch nicht nur Villen haben das gewisse Flair für Krimis. In der Folge 191 mit dem Titel "Abgrund der Gefühle" aus dem Jahr 1990 schwenkt die Kamera über unheimlich wirkende Burgtürme und dicke Mauern. Man denkt an Verliese, in denen arme Seelen dahin vegetieren. Zu Recht: Die Pullacher Burg Schwaneck fungiert in diesem Film als Psychiatrie. Eine junge Frau, Opfer von Medikamentenhändlern, hat durch die Einnahme der giftigen Substanz das Sprechvermögen eingebüßt und kann sich nur noch schreiend äußern. Auch der behandelnde Arzt wirkt alles andere als seriös, denn er mischt sich auffallend aufdringlich in die Ermittlungen von Derrick ein.

Ob Isartal oder Würmtal - als Oberinspektor Stephan Derrick hat Horst Tappert den Südwesten Münchens in der Welt bekannt gemacht: Die 281 Folgen wurden in über hundert Ländern ausgestrahlt. 2004 war Tappert noch einmal als Derrick präsent: Im Zeichentrickfilm "Derrick - die Pflicht ruft" war er als Stimme zu hören.

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