Seltene Arten:Besuch beim Schlagschwirl und Gelbspötter

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Vertreter aller Fraktionen mit Ausnahme der SPD nahmen an der Führung des Bundes Naturschutz teil. (Foto: Claus Schunk)

Naturschützer führen Gemeinderäte über das Gelände des ehemaligen Hohenbrunner Weihers, um auf die Bedeutung des durch die Pläne für ein Neubaugebiet bedrohten Biotops für seltene Vögel hinzuweisen

Von Angela Boschert, Hohenbrunn

"Gang durch den Urwald" wäre die treffende Bezeichnung für die Einladung der Ortsgruppe Ottobrunn-Neubiberg-Hohenbrunn-Putzbrunn des Bundes Naturschutz (BN) gewesen. Denn er besuchte mit Gemeinderatsmitgliedern aus Hohenbrunn das bewaldete Areal westlich der Hohenbrunner und nördlich der Taufkirchner Straße (B 471). Das dortige Biotop gehört zum Umgriff des Flächennutzungsplans, den der Hohenbrunner Gemeinderat am 20. Mai einstimmig geändert hat, um im Zuge des Projekts "Westlich der Bahn" die benötigten Flächen für die neue Realschule, eine Montessorischule und Wohnbauten zu erhalten.

Weil der Gemeinderat zwar geschlossen für die Planänderung gestimmt hat, einige Räte aber das Biotop-Areal nicht kennen, hatte der BN eingeladen. Nur wenige Schritte von der lärmenden B 471 entfernt stand die Gruppe dann im ehemaligen Hohenbrunner Weiher und damit im einzigen als schützenswert gesicherten Fleckchen des gesamten Areals. Etwas nördlich sind im Flächennutzungsplan Außensportanlagen der zwei Schulen markiert sowie 10 000 Quadratmeter für Wohnbebauung. Die Änderung des Flächennutzungsplans besage lediglich, "dass dort etwas geschieht", versicherte Hohenbrunns Zweite Bürgermeisterin Anke Lunemann (Grüne), die Bürgermeister Stefan Straßmair (CSU) vertrat. Der Plan gebe die Umrisse der Maßnahme wieder, jedoch noch keine bindenden Angaben, was wo entstehe. Laut einer Machbarkeitsstudie benötigen die zwei Schulen knapp 14 000 Quadratmeter sowie circa 17 000 für die Sportfläche. Also deutlich weniger, als noch im Plan angegeben. Für Wohnbebauung sind insgesamt 40 000 Quadratmeter vorgesehen.

Der Gemeinderat habe bei seiner Klausurtagung im Frühjahr "zu euphorisch" nach einem Platz für die Realschule gesucht, erklärte Lunemann. Viele Bürger und Kritiker empfinden die Fläche für Wohnbebauung als zu groß. Gerade habe sie in einer Sitzung mit Planern und Zuständigen über alternative Flächen für die Sportanlagen gesprochen. Auf Nachfrage teilte Lunemann mit: "Nachdem die Sukzessionsfläche nicht mehr wie zunächst angedacht als Fläche für den Sportbereich zur Verfügung steht, ist es nun Aufgabe des beauftragten Planungsbüros, nach neuen Lösungen zu suchen. Mehr Information gibt es noch nicht."

Im Juli will der zuständige Schulzweckverband allerdings wissen, ob er die Bauflächen für die dringend benötigte neue Realschule von Hohenbrunn erhält. Dazu muss die Gemeinde die Flächen von der Doblinger-Gruppe erwerben, die Wohnungen bauen will. Da drohe ein sogenanntes "Kopplungsgeschäft", das beiden Seiten Vorteile biete, sagte die ehemalige Gemeinderätin und Naturschützerin Martina Kreder-Strugalla. Doblinger habe nichts zu verschenken und wolle bauen, stehe schon in Eric Hubers Bericht zum "Hohenbrunner Weiher" (1998, ergänzt 2015). Huber und der Verein "Natur und Umwelt Südost" haben sich jahrzehntelang um die Pflege des vor 1970 aus einer Versickerungsgrube entstandenen und später fast ausgetrockneten Weihers gekümmert.

Bei dem Ortstermin mit Vertretern aller Gemeinderatsfraktionen außer der SPD wurde eifrig diskutiert. Im Biotop selbst erläuterte der promovierte Umweltpädagoge und Diplom-Forstwirt Rudolf Nützel die Besonderheiten des dortigen Ökosystems. Er hatte bei seiner zweistündigen Erkundung des Gebiets einen Sumpfrohrsänger gehört, was ihn erstaunte, "weil dieser Vogel sonst in großflächigeren moorigen Gehölzgruppen vorkommt". Kreder-Strugalla vernahm auch einen Gelbspötter, der in Bayern zu den gefährdeten Vogelarten zählt. Noch überraschter aber war Nützel, dass es in dem Biotop auch die Gattung Schlagschwirl gebe: "Etwa 200 bis 400 Exemplare des gefährdeten Schlagschwirls gibt es in ganz Bayern noch und Sie hier haben diesen Vogel!", sagte Nützel mit hörbarem Staunen. Das sei wirklich eine Besonderheit. In dem Gebiet, das 1999 zum Sukzessionspflegegebiet ernannt wurde, war die Natur sich selbst überlassen und dabei habe sich der wertvolle Hohenbrunner Urwald gebildet. Mit den drei besonderen Vogelarten und seiner Struktur sei das Biotop ein Geschenk, als Rückzugsort für Tiere aller Art, in Totholz ebenso wie im Dickicht. Man solle es zugänglich und erlebbar machen, schloss Nützel. Bei seiner Auflösung drohe eine Altlastensanierung, warfen Ortskundige ein.

Die Initiative "Nachhaltige Ortsentwicklung", zu der sich einige Hohenbrunner Naturschützer zusammengeschlossen haben, will neue Schulen am Ort bei Erhaltung des Biotops. Sie bietet einstündige Führungen durch das Biotop an. "Wir wollen, dass die Bürger wissen, worum es hier geht", erklärt Initiatorin Martina Kreder-Strugalla. Termine sind Freitag, 2. und 9. Juli, um 16 Uhr sowie Sonntag, 4. und 11. Juli, jeweils um 11 Uhr. Treffpunkt ist an der Ecke Hohenbrunner und Taufkirchner Straße. Die Gemeinde lädt für Montag, 12. Juli, von 18 bis 21 Uhr zu einer Informationsveranstaltung und am Samstag, 17. Juli, von 10 bis 13 Uhr zu einer Ideenwerkstatt ein. Anmeldung unter veranstaltungen@hohenbrunn.de oder Telefon 08102/800 27 .

© SZ vom 02.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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