Höhenkirchen-Siegertsbrunn:Inklusion als gelebte Praxis

Höhenkirchen-Siegertsbrunn: Endlich zu Hause: Benedict freut sich über seine eigene Wohnung.

Endlich zu Hause: Benedict freut sich über seine eigene Wohnung.

(Foto: Claus Schunk)

24 Menschen mit Behinderung sind in ein modernes Wohnheim gezogen.

Von Anna Reuß, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Eineinhalb Jahre hat es gedauert, bis ihr neues Zuhause fertig war. Am Freitag wurde das Wohnheim des Vereins "Zukunft trotz Handicap" in Höhenkirchen feierlich eröffnet. 27 junge Menschen mit geistiger Behinderung werden dort fortan leben.

Der Verein wurde im März 2013 mit dem Ziel gegründet, eine Wohnstätte für junge Leute zu bauen, in der diese selbstbestimmt leben können. Den Betrieb übernimmt das Heilpädagogische Centrum Augustinum (HPCA), das auf die Erfahrung mit einem ähnlichen Wohnheim in Oberschleißheim zurückgreifen kann.

Für die Finanzierung haben sich die Beteiligten ein vielversprechendes Konzept ausgedacht: Die Kosten wurden zunächst durch einen Eigenanteil der Eltern der neuen Bewohner von je 99 750 Euro, einen Kredit sowie die Beteiligung der Manfred-Halbauer-Stiftung finanziert. Durch ihren Eigenanteil sind die Familien jeweils an einer gemeinnützigen GmbH & Co. KG beteiligt - der Eigentümerin des Hauses - die wiederum mit dem HPCA einen Mietvertrag über zunächst zehn Jahre geschlossen hat. Die Miete wird allerdings durch den Bezirk Oberbayern finanziert. Durch die Mieteinnahmen sollen sich die Investitionen der Familien langfristig refinanzieren. Wenn ein Bewohner ausziehen möchte, kann die Familie das Apartment zwar weiterverkaufen, allerdings nur an die Familie eines anderen Menschen mit Behinderung.

Aber weil eben nicht jeder, der gerne einziehen würde, vermögende Verwandte hat, ermöglicht die Manfred-Halbauer-Stiftung drei Menschen einzuziehen, ohne den Eigenanteil aufbringen zu müssen. Das Vorschlagsrecht für die Belegung dieser drei Plätze hat die Gemeinde. Zwei Plätze sind schon belegt. Insgesamt hat das Projekt 5,4 Millionen Euro gekostet.

Das Haus ist ein Pilotprojekt

Jedes der hellen Apartments, von denen 25 rollstuhlgeeignet sind, hat ein eigenes Bad. Die Küche im Erdgeschoss ist so geplant worden, dass Rollstuhlfahrer um die Kochinsel herumfahren können. Außerdem gibt es im Untergeschoss unter anderem Therapieräume sowie je einen Wäsche- und Mehrzweckraum, den die Bewohner zum Feiern oder als Fernsehraum nutzen können.

Das Haus an der Konzeller Straße 1 im Neubaugebiet von Höhenkirchen ist ein "Pilotprojekt", wie es Andrea Hanisch, die Vorsitzende des Vereins, nennt. Denn man will das Wissen und die Erfahrung anderen ähnlichen Initiativen auf einer Datenbank im Internet zur Verfügung stellen.

Dem Verein gehe es vor allem um Inklusion als gelebte Praxis, sagt Hanisch. Das Grundstück, auf dem das Wohnheim steht, liegt in einer Reihenhaussiedlung mit Spielplatz, wo viele junge Familien hingezogen sind. Hier sollen die 20 bis 30-Jährigen in einer familienähnlichen Umgebung wohnen, aber auch alt werden können. 24 der 27 Einheiten sind bereits bezogen worden. "Die Bewohner sollen sich verwirklichen", sagt Robert Limmer vom HPCA. Deshalb sei das Wort Wohngemeinschaft zutreffender als Wohnheim. Gemeinsam mit dem Verein wurden zum Beispiel Vorkehrungen getroffen, in einigen Apartments flexible Zwischenwände zu entfernen, damit Paare zusammenziehen können. Ein junges Paar lebt bereits gemeinsam im Haus.

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