Neustart an den Schulen:Hauptfach: Hygiene

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Die eigentliche Herausforderung wartet auf die Schulen, wenn von 11. Mai an sukzessive die unteren Klassenstufen dazukommen. (Foto: Imago/Michael Weber)

Gymnasien, Real- und Mittelschulen bereiten sich auf die Rückkehr der Abschlussklassen kommende Woche vor: Bänke werden auseinandergerückt, Desinfektionsmittel und Mundschutz besorgt - ansonsten vertraut man auf die Vernunft.

Von Stefan Galler und Iris Hilberth, Landkreis

Die Schulen machen sich bereit für den Neustart, der kommenden Montag zumindest für die Abschlussklassen erfolgen wird. Der Beginn ist logistisch noch ganz gut zu bewältigen. Wenn nur ein Teil der Klassen zurückkehrt, ist noch ausreichend Platz in den Schulhäusern, um den gebotenen Abstand einzuhalten. Die eigentliche Herausforderung wartet auf die Schulen, wenn von 11. Mai an sukzessive die unteren Klassenstufen dazukommen. Allerdings gibt es auch jetzt etliche Details zu klären, die Informationen aus dem Kultusministerium empfinden nicht alle Verantwortlichen als ausreichend.

So findet es Reinhard Rolvering, der Direktor am Gymnasium Neubiberg, nicht optimal, dass einige Richtlinien für den Ablauf der nächsten Wochen erst sehr kurzfristig oder noch gar nicht kommuniziert wurden. Zwar sei inzwischen geklärt, dass die Abiturprüfungen mit dreiwöchiger Verspätung am 20. Mai starten; noch fehlten jedoch klare Vorgaben zu ausstehenden Klausuren für die Abiturienten, allein in Neubiberg insgesamt 134. Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) hatte vergangene Woche nur klargemacht, dass in keinem Fach mehr verpflichtende Klausuren vor dem Abitur gefordert würden und es für fehlende Leistungsnachweise "sehr faire Günstigerregelungen" geben solle.

"Wie das konkret aussehen soll, wissen wir bisher nicht", so Rolvering, dem auch noch eine andere Vorgabe fehlt: "Unklar ist auch, wie wir mit Lehrerkollegen umgehen sollen, die zu den Risikogruppen zählen."

Für den praktischen Ablauf des Unterrichts in der Q12 hat man in Neubiberg konkrete Pläne: Die Kurse werden in zwei Untergruppen aufgeteilt, weshalb sich immer zwei Lehrer um die Abiturienten kümmern werden. "Das organisieren wir in dieser Woche", sagt Schulleiter Rolvering. Das Gymnasium sei jedenfalls groß genug, um die Schüler so unterzubringen, dass die Abstandsvorgaben eingehalten werden. "Von klugen 18-Jährigen kann man schon erwarten, dass sie ein bisschen aufpassen, aber da werden auch die Aufsichten genauer hinschauen", sagt Rolvering. Die Pausen sollen wie bisher in Pausenhof und Aula stattfinden, auch für den Schulbeginn am Morgen und den Unterrichtsschluss am Mittag sind keine besonderen Maßnahmen geplant. "Die meisten kommen mit dem Fahrrad oder zu Fuß, da können sich 130 Schüler schon aus dem Weg gehen."

Die meisten Abschlussschüler hat die FOS/BOS

Was Mund- und Nasenschutz angeht, liefert die Schule ihren eigenen Beitrag: Chemie- und Geographie-Lehrer Christopher Müller, der den Wahlkurs 3D-Druck leitet, stellt mit seinen Geräten Halteclips für Masken her. "Zudem haben wir über den Zweckverband Masken und Desinfektionsmittel bestellt", erklärt der Direktor. Warmes Wasser für umfangreiche Handhygiene gibt es in Neubiberg dagegen lediglich in den Sportumkleiden.

Da geht es den Schülern an der Fach- und Berufsoberschule (FOS/BOS) in Unterschleißheim besser: Das Gebäude ist erst sechs Jahre alt, in den Toiletten gibt es warmes Wasser und funktionierende Seifenspender. Dafür muss man dort aber mit einem ganz anderen Ansturm klarkommen: Rund 450 Schüler, die in diesem Jahr ihr Abitur oder Fachabitur ablegen, erscheinen am kommenden Montag wieder zum Unterricht. "Wir planen gerade, wie wir die Schüler verteilen können, um den Hygienestandards gerecht zu werden", sagt Schulleiter Ulrich Troll. Auch hier werden die Kursklassen geteilt, um auf Klassenstärken von maximal 15 Schülern zu kommen. "Und wir werden verhindern, dass alle gleichzeitig morgens ankommen und mittags wieder abfahren, denn die meisten nutzen die S-Bahn oder die Buslinien", sagt Troll. Vermutlich werde eine Vormittags- und eine Nachmittagsgruppe gebildet.

"Wenn alle gleichzeitig kommen, ist das Gelände voll", so der Schulleiter. Während der Pausen sollen die Schüler der FOS/BOS in ihren Klassenzimmern bleiben. "Wie viel Unterricht überhaupt in der Schule stattfindet und inwiefern wir ein reduziertes Programm anbieten, prüfen wir gerade noch", sagt Troll. Die Prüfungen beginnen Mitte Juni, bis dahin sind aber noch jede Menge Klausuren zu schreiben.

Auf die Vernunft der Jugend setzen

Relativ gelassen blickt man in der Realschule Ismaning auf den Neustart des Schuljahres. "Es mag eine schwierige Situation sein, aber nicht so verzwickt, dass man sie nicht lösen könnte", sagt Direktor Stefan Ambrosi. 111 Zehntklässler legen dieses Jahr an seiner Schule die Mittlere Reife ab, was bedeutet, dass diese Woche zehn Räume für die fünf zehnten Klassen vorbereitet werden. "Mit Halbieren der Klassen kommen wir auf jeden Fall hin." Die Lehrpläne seien "noch nicht ganz ausgegoren", aber jene Lehrer, die mit den Abschlussklassen befasst sind, entsprechend "kampferprobt", sagt der Direktor. "Klar ist, dass wir jetzt erst einmal den Fokus voll auf die Prüfungsfächer legen." Los geht es schon kommende Woche mit dem Speaking Test Englisch, die Prüfungen ziehen sich dann bis 10. Juli durch.

Desinfektionsmittel habe man nachbestellt, ebenso Plexiglasscheiben für das Sekretariat. "Da muss ich unsere Zusammenarbeit mit dem Zweckverband loben", sagt der Direktor. "Es gibt es keine Auseinandersetzungen, in fünf Minuten ist alles klar kommuniziert." Die Pausen hätten in den Klassenzimmern stattzufinden, die Toilettengänge müssten geordnet ablaufen. "Es bleibt uns nichts anders übrig, als auf die Vernunft der Jugend zu setzen und die paar Unvernünftigen zu überzeugen", sagt Ambrosi, der auch den Eltern ein Kompliment ausspricht: "Klar sind sie sehr interessiert und auch aufgeregt. Aber es besteht ein hohes Maß an Vertrauen in die Schule, dafür sind wir sehr dankbar."

"Es mag eine schwierige Situation sein, aber nicht so verzwickt, dass man sie nicht lösen könnte": Schulrektor Stefan Ambrosi. (Foto: Robert Haas)

An der Mittel- und Wirtschaftsschule in Oberhaching beginnen die Prüfungen in den Nebenfächern für die Abschlussklassen bereits am 4. Mai. Um ihre Schüler optimal in der verbliebenen kurzen Zeit vorzubereiten, hat Schulleiterin Claudia Sanders mit ihrem Team ein Kurssystem ausgeklügelt, das jedem Schüler einen intensiven Unterricht in seinen prüfungsrelevanten Fächern und kleinere Lerngruppen als im normale Klassenverband ermöglicht. Platz genug wird in der kommenden Woche im Schulhaus dafür sein, denn nur vier Klassen, drei neunte und eine zehnte, beginnen mit den Unterricht. Auch den Unterrichtsbeginn wird man an der Mittel- und Wirtschaftsschule entzerren, vor allem wenn später die jüngeren Jahrgangsstufen dazukommen. "Dazu haben wir den Pausenbereich aufgeteilt, aber es wird natürlich durchgewechselt, damit jeder mal auf der Wiese oder auf dem Hartplatz Pause machen darf", erläutert Sanders.

Auch die Klassenräume seien bereits so vorbereitet, dass die Abstände eingehalten werden und jeder Schüler vier Quadratmeter für sich habe. Spender mit Desinfektionsmittel wurden installiert und im Sekretariat eine Schutzscheibe eingebaut. Eine große Herausforderung wird auch der Sportunterricht sein, ein Fach, in dem ebenfalls Prüfungen anstehen. "Mannschaftssport geht natürlich nicht, aber wir werden vieles mit Sporttheorie abdecken", sagt Sanders. Die Prüfungen in den Hauptfächern erfolgen erst im Juli, sodass auch die Abschlussjahrgänge bis zum Ende des Schuljahres da sein werden.

Landratsamt geht von 50.000 Masken pro Schultag aus

Sanders würde sich zum Schutz ihrer Schüler Masken wünschen. "Wir empfehlen das, aber wir können keine bereitstellen." Sie hofft auf das Landratsamt. Der Landkreis München plant, sämtliche Schulen im Landkreis mit Masken auszustatten. Die Behörde geht davon aus, dass unter einem späteren Vollbetrieb pro Schultag etwa 50 000 Masken benötigt werden. "Der Landkreis steht mit mehreren Herstellern in Kontakt", teilt dazu Landratsamtssprecherin Christine Spiegel mit. "Im Sinne der Ressourcenschonung wird angestrebt, waschbare und damit wiederverwendbare Masken zu beschaffen." Um sicherzustellen, dass alle morgens mit einer sauberen Maske in die Schule komme, plane der Landkreis, jedem Schüler mindestens zwei Masken zu stellen.

Landrat Christoph Göbel (CSU) sagt dazu: "Natürlich sind wir als Landkreis nicht verpflichtet, Masken für Schülerinnen und Schüler bereitzustellen. Doch die Wiedereröffnung der Schulen ist ein so wichtiges und gleichzeitig hoch sensibles Thema, dass wir alles tun möchten, damit dieser Start gut gelingt." Auch wenn im Unterricht das Tragen von Masken nach derzeitiger Lage nicht erforderlich sei, bräuchten die Schüler in öffentlichen Verkehrsmittel auf dem Schulweg eine Mund-Nasen-Bedeckung. "Hierbei möchten wir die Eltern zumindest für den Anfang ein Stück weit entlasten", so der Landrat.

© SZ vom 22.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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