Schulfinanzierung:Wer anschafft, soll mehr zahlen

Schulfinanzierung: Grünwald hatte kein Problem, sein luxuriöses Gymnasium selbst zu finanzieren. Andere Gemeinden tun sich da schwerer.

Grünwald hatte kein Problem, sein luxuriöses Gymnasium selbst zu finanzieren. Andere Gemeinden tun sich da schwerer.

(Foto: Claus Schunk)

Jahrzehntelang haben die Gemeinden die Hauptlast beim Bau von Gymnasien und Realschulen getragen. Nun erkennt auch die CSU an, dass sich der Kreis stärker engagieren muss. Das System der Zweckverbände wankt

Von Bernhard Lohr, Landkreis

Angesichts von Millionen-Investitionen in neue Schulen ist im Landkreis die Debatte darüber neu entbrannt, wer das alles bezahlen soll. Vor allem wächst der Druck, die im Landkreis bestehende Sonderregelung zu ändern, dass die Gemeinde für neue Gymnasien oder Realschulen das erschlossene Grundstück zur Verfügung stellt und 70 Prozent der Baukosten trägt. Manche Kommunen sehen sich da überfordert. Bisher hatte die SPD im Kreistag und vor allem auch die durch die Pläne für eine Realschule in Gronsdorf direkt betroffene Gemeinde Haar das Schulzweckverbands-System attackiert. Nun zeichnet sich auch bei der CSU ein Umdenken ab.

Der seit Monaten schwelende Haarer Realschulstreit steht bis heute für einen im gesamten Landkreis ungelösten Grundsatzkonflikt. Die SPD-Kreistagsfraktion sieht durch die Schulzweckverbände finanziell schwach aufgestellte Kommunen benachteiligt und entwirft das Szenario, dass sich potente Kommunen wie Unterföhring oder Grünwald Luxusschulen leisten könnten, während andere wie Haar auf Mindeststandards zurückgeworfen würden. Haars Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) sagt, sie habe als Kommune die Pflichtaufgabe zu lösen, eine Grundschule zu bauen. Haar trage auch beim Ernst-Mach-Gymnasium als einzige beteiligte Kommune im Zweckverband mit dem Landkreis eine große Last. Auch bei der Realschule in Haar-Gronsdorf stelle sich die Frage, wer als Partnergemeinde mitmachen würde. Sie hoffe auf eine "pragmatische Lösung", sagt Müller, um die Kosten für die Gemeinde zu reduzieren.

Diese zeichnete sich bis vor kurzem nicht ab. Landrat Christoph Göbel und die CSU reagierten zurückweisend auf jeden Versuch, das seit 1968 bestehende System grundsätzlich infrage zu stellen. Auch eine Reform war nicht in Sicht, die über die vor zwei Jahren beschlossene Neuregelung hinausgeht, dass der Landkreis Schulsanierungen alleine übernimmt. Doch in der jüngsten Sitzung des Schulausschusses des Kreistags signalisierte Göbel, dass mit ihm doch darüber geredet werden könnte, wie die Last eines Schulneubaus neu verteilt werden könne. Brunnthals Bürgermeister Stefan Kern (CSU) plädierte offen dafür, dass der Landkreis die Kommunen mehr unterstützt. Die stellvertretende Landrätin Annette Ganssmüller-Maluche (SPD), die nicht Mitglied im Ausschuss ist, verfolgte die Debatte als Gast und dachte sich nach eigener Aussage: "Hab ich was verpasst? Das ist doch unser Thema."

Offenkundig hat sich etwas verändert. Einige CSU-Bürgermeister stehen wegen Schulbauprojekten wie etwa in Höhenkirchen-Siegertsbrunn unter Druck. Kirchheims Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU) hat in seiner Gemeinde den Bau eines Gymnasiums zu schultern, bei dem die Kosten zuletzt auf rekordverdächtige 88 Millionen Euro geschätzt wurden. Ein weiteres Gymnasium soll in Aschheim entstehen und über eines in Feldkirchen wird spekuliert. Kirchheim wäre über den Schulzweckverband Ost in den Nachbargemeinden finanziell am Bau beteiligt. Böltl sagt angesichts dessen zur Finanzierung: "Ob sich das jetzige System halten lässt, muss schon hinterfragt werden." Unter anderem bemängelt Böltl, dass der Kreis auch nur 30 Prozent der zuschussfähigen Kosten eines Schulbaus übernimmt. Diese betrügen bei den jüngsten Schulbauten im Landkreis aber nur knapp 60 Prozent der Gesamtkosten. Auch da blieben am Ende die Kommunen auf einem Batzen sitzen.

Oberhachings Bürgermeister Stefan Schelle, der in seiner Gemeinde trotz 22 Millionen Euro Schulden den Bau einer Realschule anstrebt und als Fraktionschef der CSU im Kreistag die Linie vorgibt, formuliert es weniger deutlich. Er sagt, Investitionen in die Bildung seien sinnvolle Ausgaben. An die Adresse der SPD, gerade in Haar, sagt er: Dafür nehme er gerne auch Schulden auf. Aber Schelle erklärt zugleich auch: "Über die Kostenaufteilung kann man immer reden."

Damit bewegt sich die CSU auf die anderen Parteien im Kreistag zu. Grünen-Fraktionschef Christoph Nadler sagt, die Entscheidung habe sich bewährt, dass der Landkreis bei Sanierungen der Schulen mehr Verantwortung übernehme. Es sei ein Sanierungsstau abgearbeitet worden. Jetzt solle der Kreis beim Schulbau stärker einsteigen. Landrat Göbel solle sich mit den Fraktionen zusammensetzen und das bereden. Eine Abwicklung bestehender Zweckverbände sieht Nadler allerdings ebenso kritisch wie den Aufbau einer zentralen Schulbehörde am Landratsamt. Dritter Landrat Otto Bußjäger (Freie Wähler) sieht rückblickend die Reform vor zwei Jahren, als der Landkreis sich bei Sanierungen stärker in die Pflicht nehmen ließ, als "Einstieg in den Ausstieg" aus den Schulzweckverbänden. Wenn diese sich zum Problem entwickelten, müsse man "langfristig" über die Abschaffung nachdenken.

Soweit will die CSU auf keinen Fall gehen. Schelle und Böltl halten es für einen großen Vorteil, dass Gemeinden über Zweckverbände bei der Ausgestaltung weiterführender Schulen am Ort mitentscheiden. Für Direktoren seien die Ansprechpartner im Rathaus gut greifbar, sagt Schelle. "Das ist für die Schulfamilie die beste Lösung." Auch die SPD will laut GanssmüllerMaluche bestehende Zweckverbände nicht zwingend auflösen. Ein Neuanfang sei wichtig, sagt sie, und schwierig genug. Kommunen, die jüngst viel Geld in Schulbauten gesteckt hätten, würden gleich auf der Matte stehen. "Der Teufel wird im Detail stecken."

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