Süddeutsche Zeitung

Bildung:Islamunterricht bleibt die Ausnahme

Nur in Haar, Taufkirchen und Unterhaching profitieren muslimische Grundschulkinder von einer Neuregelung.

Von Yannik Schuster, Haar/Unterhaching

Seit diesem Schuljahr ist der Islamunterricht in Bayern ein Wahlpflichtfach und damit eine vollwertige Alternative zum Ethikunterricht geworden. Im Landkreis gibt es das Fach an drei Grundschulen: Die Grundschule am Sportpark in Unterhaching, die Grundschule am Jagdfeldring in Haar und die Grundschule Taufkirchen am Wald haben Islamunterricht schon bisher als Wahlfach angeboten. Eine Ausweitung des Angebots ist seitens des Schulamts derzeit nicht geplant.

Oguzhan Öktem arbeitet seit 20 Jahren als Islamlehrer, unter anderem in Unterhaching und Taufkirchen. Öktem berichtet, dass auch in den Anfangsjahren die Nachfrage bereits riesig war, einen neuen Andrang aufgrund der Änderung könne er nicht feststellen. Den braucht es aber auch nicht. Öktem unterrichtet an drei Schulen insgesamt etwa 250 Kinder.

Positiv äußert sich Carolin Friedl, Schulleiterin der Grundschule am Jagdfeldring in Haar, wo der Islamunterricht schon vor mehr als 15 Jahren eingeführt wurde - zunächst als Ergänzungsangebot und jetzt eben als Wahlpflichtfach. Über die Jahre habe sich das Angebot verfestigt und werde heute wie Mathematik oder Deutsch als Standard betrachtet. Mit je einem Kurs pro Jahrgangsstufe, mit jeweils 20 bis 22 Kindern, sei der Islamunterricht ein voller Erfolg. Das Fach laufe dabei parallel zu anderen Bekenntnissen, so habe man anstatt eines klassischen Anfangsgottesdienstes schon mehrfach interreligiöse Feste veranstaltet, um das Schuljahr einzuläuten.

An der Grundschule am Sportpark in Unterhaching ist das Fach noch wesentlich neuer. Seit etwa fünf Jahren können Eltern dort ihre Kinder für den Islamunterricht anmelden. Seitdem habe man eine positive Entwicklung verzeichnen können, sagt Schulleiterin Christa Grasl. "Die Eltern haben über die Jahre Vertrauen gefasst." Zu Lasten des Ethik-Unterrichts sei dies nicht gegangen. Dieser sei nach wie vor sehr gefragt, berichten die beiden Rektorinnen.

An ihn sei in all den Jahren fast ausschließlich positives Feedback herangetragen worden, sagt Oguzhan Öktem. In all der Zeit habe es lediglich drei Fälle gegeben, in denen Eltern ihr Kind von seinem Islamunterricht abgemeldet haben. "Da wird die Religion dann zu Hause anders gelebt, als ich sie lehre. Zum Beispiel im Umgang mit Alkohol", sagt Öktem, der sich in dieser Hinsicht am Koran orientiert. Dieser untersage den Konsum von Alkohol. Über den neuen Lehrplan freut sich Öktem. Dieser biete genug Freiraum für Gestaltungsmöglichkeiten und orientiere sich an Kompetenzen, die vermittelt werden sollen. Die Kinder sollen lernen zu überlegen und ihren eigenen Weg im Umgang mit der Religion zu finden, so Öktem. "Der Lehrer ist der Wegweiser", sagt er. Wenn die Kinder dann mit neuem Wissen nach Hause gehen, dann freue das die Eltern, so der Islamlehrer. Öktem betont, sein Unterricht sei sowohl für Familien mit einem traditionellen Umgang mit der Religion als auch für solche mit liberaler Ausrichtung geeignet. Auch Kinder aus gemischten Familien, ohne eine konkrete Vorstellung von Religion, habe er schon bei sich begrüßen dürfen. Das Ziel sei dann, dass sich die Kinder selbst ein Bild machen können und selbst entscheiden.

"Wir wollen an unsere muslimischen Schülerinnen und Schüler ein Wahlpflicht-Angebot machen, dass sie statt des Ethikunterrichts den Islamischen Unterricht wählen können und dann Grundlagen des Islams, aber auch Wertekunde des Grundgesetzes mitbekommen", erläuterte Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) dem Bayerischen Rundfunk die Intention der Neuregelung. Eine vollständige Gleichstellung von Islamunterricht und den christlichen Religionsfächern ist indes nicht gegeben. Anders als beim katholischen oder evangelischen Religionsunterricht, wo die Kirchen über die Lerninhalte entscheiden, bestimmt beim Islamunterricht an Bayerns Schulen der Staat über den Lehrplan. Oguzhan Öktem wünscht sich in dieser Hinsicht eine Entwicklung seines Fachs hin zum bekenntnisorientierten und damit gleichwertigen Religionsunterricht. "Das wäre der Idealfall und mein Wunsch."

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SZ vom 19.10.2021
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