SZ-Adventskalender:Gefangen im Strudel der Schulden

SZ-Adventskalender: Schuldnerberaterin Sonja Hausner von der Caritas hilft, einen Überblick über die eigenen Finanzen zu gewinnen.

Schuldnerberaterin Sonja Hausner von der Caritas hilft, einen Überblick über die eigenen Finanzen zu gewinnen.

(Foto: Catherina Hess)

Als sie schwanger wurde und ihr Lebensgefährte sie verließ, sind Jasmin L. ihre Ausgaben über den Kopf gewachsen - bis die Beratungsstelle der Caritas in Unterschleißheim ihr half.

Von Lydia Wünsch, Unterschleißheim

Der Tag, an dem Jasmin L. (Name geändert) erfuhr, dass sie ein Kind erwarten würde, gehört zu den schönsten und zugleich verhängnisvollsten in ihrem Leben. Sie war bereits Mutter eines fast erwachsenen Sohnes aus erster Ehe. Die Ärzte hatten ihr gesagt, dass sie keine weiteren Kinder bekommen könne. Und dann wurde sie mit 35 Jahren doch noch einmal schwanger. "Ich war so glücklich", sagt die heute 61-jährige Oberschleißheimerin. Es gab nur ein Problem: Ihr Partner wollte keine Kinder.

Zu diesem Zeitpunkt hatten sie und ihr Partner seit vier Jahren zusammengelebt. Die gesamte Wohnungseinrichtung bezahlten sie auf Raten ab. Alles lief auf den Namen von Jasmin L. - und damit begann das Drama. Ihr Partner verließ sie wegen des Kindes. Durch die Schwangerschaft konnte sie wiederum ihre schwere Arbeit als Kellnerin nicht mehr leisten. Job und Mann waren weg, dafür ein Kind unterwegs.

Die gemeinsame Wohnung war auf den Ex-Partner angemeldet. Dieser wollte nach seinem Auszug den Vertrag auflösen, um die Kaution zurückzuerhalten. Dass seine schwangere bisherige Lebensgefährtin dann ausziehen müsste, interessierte ihn nicht. "Das war ein Schlag ins Gesicht", sagt Jasmin L. "Auf was für ein Ungeheuer hatte ich mich eingelassen?" Zudem blieb Jasmin L. auch noch auf Mietschulden sitzen, da ihr Ex-Partner die Miete nicht mehr gezahlt hatte.

Ihre Tochter war noch klein, da wurde sie nach mehreren Operationen arbeitsunfähig

So kam es, dass Jasmin L. sich zum ersten Mal in ihrem Leben an die Sozialhilfe wandte - und ihr ganzes Leben lang nicht mehr aus der Spirale herausfand. "Bis dahin hatte ich immer alles geschafft, aber plötzlich wusste ich einfach nicht mehr weiter", sagt sie. Das Sozialamt übernahm die Miete für die Wohnung. Als ihre Tochter geboren wurde, bekam sie eine Erstausstattung. Zu arbeiten, war zu diesem Zeitpunkt für Jasmin L. nicht möglich. "Was hätte ich mit meinem Baby machen sollen? Ich hatte keine Verwandten in Deutschland, die auf sie hätten aufpassen können", sagt die gebürtige Ungarin.

Ihre Tochter wurde zum Mittelpunkt ihres Lebens. Doch der Kindergarten, der Hort und später die Schulsachen mussten finanziert werden. Das Geld vom Jugendamt reichte nie. Die Ausgaben waren immer mehr, als das, was hereinkam. Zudem waren da noch die Schulden, die Jasmin L. immer versuchte zu begleichen. Als ihre Tochter größer wurde, wollte Jasmin L. zwar wieder arbeiten gehen, doch dann machte die Gesundheit ihr einen Strich durch die Rechnung. Schon in Ungarn war ihr der halbe Magen entfernt worden, seitdem hatte sie zahlreiche Operationen und wurde schließlich für arbeitsunfähig erklärt.

Dabei erstickte Jasmin L. in Schulden. "Ich wollte meinen Briefkasten schon gar nicht mehr öffnen." Zu diesem Zeitpunkt brach sie sowohl körperlich als auch mental zusammen. Sie fiel in eine Depression. Ihr Sohn riet ihr zur Schuldnerberatung. Zunächst wollte sie nicht. "Ich kannte es nicht, mir Hilfe zu holen. Ich wollte immer lieber geben als nehmen." Doch Jasmins Sohn vereinbarte einen Termin bei der Beratung der Caritas in Unterschleißheim mit Sozialpädagogin Sonja Hausner. Das war vor zehn Jahren.

Sie hat akzeptiert, dass sie ihre Schulden ihr Leben lang nicht mehr los wird

"Ich dachte damals, ich treffe einen Engel", erinnert sich Jasmin L. "Ich wüsste, nicht wie ich das alles ohne Frau Hausner überstanden hätte." Auch wenn sie nicht alle Probleme lösen konnten. Alleine schon jemanden zu haben, der ihr mit Rat und Tat zur Seite stand, war eine große Erleichterung. "Zunächst mal haben wir die Schuldenspirale gestoppt", erklärt Hausner. "Wir haben geschaut: Was sind Schulden, die sie unbedingt bezahlen muss. Und was geht einfach nicht." Denn wenn ein Mensch vom Sozialamt lebe, dann sei er bereits am Existenzminimum angelangt. Schulden zu bezahlen, sei nicht mehr drin. Das Ziel in so einer Situation sei dann nicht mehr, von den alten Schulden wegzukommen, sondern keine neuen mehr zu machen. Das bedeutet: Ein Leben mit Schulden zu führen und zu akzeptieren.

"Heute bin ich an einem Punkt angekommen, an dem es mich nicht mehr kümmert", sagt Jasmin L. "Früher war ich so ein geselliger und fröhlicher Mensch. Jetzt lebe ich nur noch von heute auf morgen." Mittlerweile sind Jasmin Ls. Kinder erwachsen und haben eigene Kinder. Sie ist stolze Großmutter von vier Enkelindern. Gerne würde sie ihnen zu Weihnachten etwas schenken, aber das ist nicht möglich. Heiligabend wird sie ohnehin alleine verbringen. Ihre Kinder wohnen weit weg und die Reisekosten sind zu hoch. Immerhin hat sie einen kleinen Weihnachtsbaum. "Das alles ist ein Kreuz auf meinen Schultern", sagt sie. Für sich selbst hat sie keine Wünsche mehr - außer schuldenfrei zu sein. "Dann wäre ich schon glücklich." Und einmal wieder eine Nacht durchschlafen zu können, ohne Sorgen.

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