Den besten Überblick hat der Turmfalke. Der lebt im Kirchturm von St. Bartholomäus in Deisenhofen und kann von hier oben beobachten, was auf dem Gelände nebenan passiert. Der Falke hat etwa den gleichen Blickwinkel wie die Webcam, die die Gemeinde hier angebracht hat, um den Oberhachingern live zu zeigen, wie der Schulcampus entsteht. Manchmal schaut der Vogel auch direkt in die Kamera, als wollte er fragen: Was wird das hier? Fachoberschule und Realschule nebst Dreifachhalle möchte man ihm zurufen. Denn im Moment sieht man vor allem große Baugruben, Betonpfeiler für die Tiergarage, erste Wände und Fundamente und Kräne, die höher sind als der Kirchturm. Der Campus ist im Rohbau.
Bis die Schüler einziehen, wird es noch ein paar Jahre dauern. Das Projekt ist eine Mammutaufgabe, die Baustelle so groß, wie man in Oberhaching noch nie etwas Vergleichbares gesehen hat: fünf Meter tief ist die Erde ausgehoben, auf einem 59 000 Quadratmeter großen Areal. Das entspricht etwa sechs Fußballfeldern. Der Zeitplan sieht vor, dass die Realschule zum Schuljahr 2027/28 fertig wird, die FOS ein Jahr später.
Unterrichtet wird an beiden Schule aber schon früher: Die FOS nimmt in diesem September ihren Betrieb auf, sie beginnt mit vier Eingangsklassen der 11. Jahrgangsstufen; die Realschule startete sogar bereits im Schuljahr 2022/23 in Containern direkt am Standort. In den Übergangsräumen am Keltenring, einem Gewerbebau, in dem sich während der Pandemie das Impfzentrum befand, werden zunächst die FOS-Ausbildungsrichtungen Sozialwesen und Internationale Wirtschaft angeboten, nach dem Umzug dann auch Gesundheit und Technik.
„Es wird bereits eine vollwertige, eigenständige Schule sein, mit eigenem Schulleiter und Kollegium mit 20 Lehrern“, betonte Oberhachings Bürgermeister Stefan Schelle (CSU) bei einem Baustellenrundgang am Dienstag. Ursprünglich war vorgesehen, an der FOS Holzkirchen Vorläuferklassen einzurichten. Doch ächzt die Schule im Nachbarlandkreis Miesbach unter hohen Schülerzahlen. Wenn man sich dazu bereit erklären würde, die zusätzlichen Schüler aus dem Landkreis München aufzunehmen, hieß es vergangenen Sommer, dann müsste der auch zusätzliche Container bezahlen. Der Kreistag in München entschied damals anders und beantragte beim Kultusministerium eine sofortige Gründung der eigenen Schule mit Start in Übergangsräumen. Dass das so schnell geklappt hat, überraschte auch Bürgermeister Schelle. Am kommenden Dienstag, 18. Februar, gibt es einen Infoabend Bürgersaal beim Forstner (Beginn 18 Uhr).

Die Ausbildungsrichtung Sozialwesen wird an jeder FOS angeboten. Der Schwerpunkt liegt im Bereich Pädagogik und Psychologie und wird ergänzt durch Inhalte aus Biologie, Chemie sowie Sozialwirtschaft und Recht. Der Unterricht wird in enge Verbindung gebracht mit den Erfahrungen aus der fachpraktischen Ausbildung beziehungsweise einer beruflichen Tätigkeit in Einrichtungen der sozialen Arbeit mit Kindern, Jugendlichen, Senioren, in pädagogischen, heilerzieherischen und pflegerischen Bereichen.
Immer beliebter bei Schülern und Schülerinnen wird offenbar die Ausbildungsrichtung „internationale Wirtschaft“, die es auch in Holzkirchen gibt und dort regen Zulauf hat. Die FOS will zielgerichtet auf entsprechende Studiengänge an den Hochschulen vorbereiten. Wie Schelle berichtete, freuen sich die Betriebe im Oberhachinger Gewerbegebiet bereits auf die Praktikanten aus der neuen Schule.
Bei Kosten und Bauzeit liegt man im Plan
Den neuen Campus werden diese Schülerinnen und Schüler allerdings nicht mehr kennenlernen, denn auf die FOS geht man in der Regel nur zwei Jahre, und selbst wenn eine 13. Jahrgangsstufe zustande kommen sollte – wovon Ministerialbeauftragter Marko Hunger ausgeht – werden diese Jahrgänge ihren Abschluss am Keltenring machen. Ihre Abiturfeier hingegen könnten sie schon in der neuen Gleißentalhalle planen, die direkt neben der Realschule gebaut wird und etwa gleichzeitig fertig werden soll. Denn die ist nicht nur als Sporthalle konzipiert mit einer Zuschauertribüne für rund 400 Personen. Für Schul-, Sport- und Kulturveranstaltungen ist im Erdgeschoss eine gut ausgestattete Versorgungsküche geplant. Foyer, Zuschauertribüne und Hallenfläche sind für Veranstaltungen für bis zu 1500 Personen ausgelegt.

Bis es so weit ist, wird der Turmfalke von seinem Logenplatz noch einiges zu sehen bekommen auf dem einstigen Feld am Deisenhofener Bahnhof, auf der „gut aufgeräumten und tollen Baustelle“, wie Bürgermeister Schelle die Arbeiten lobt. Im Herbst werden die Zimmerer erwartet, dann wächst die Realschule langsam in die Höhe und es wird noch lebhafter zugehen als bisher. Derzeit sind hier etwa 30 Arbeiter tätig, Bauleiter Paul Heller rechnet in den kommenden Monaten allerdings auch mit Phasen, in denen 200 hier gleichzeitig arbeiten werden.
Bis dann in drei Jahren die großen Kieshaufen verschwunden sind und sich die Holzbauten der beiden Schulen, die Außensportanlagen und die Open-Air-Bühne mit möglichst viel Grün auf dem Campus in die Landschaft einfügen sollen. Der Campus soll durchlässig für Fußgänger und Radfahrer sein. „Das soll kein abgeschlossener Hochsicherheitstrakt werden“, betont Schelle. Er und der Gemeinderat hoffen, dass auch außerhalb der Schulzeiten auf dem Campus etwas los sein wird.

Gegenwärtig liegt man mit der Baustelle gut im Zeitplan, wie Bauleiter und Architekt betonen. Auch mit Blick auf die Kosten ist Bürgermeister Schelle derzeit zufrieden: „Wir liegen 25 Prozent unter den Berechnungen.“ Mit ein Grund sei der Rückgang der Bautätigkeiten, auch wegen des Ukraine-Kriegs. Das gesamte Projekt kostet etwa 185 Millionen Euro und wird vom Freistaat Bayern gefördert. Den Bau der Fachoberschule zahlt komplett der Landkreis, der auch knapp 80 Prozent der übrigen Kosten übernimmt. Das restliche Geld bringt der Zweckverband Staatliche weiterführende Schulen im Süden des Landkreises München auf, dem neben dem Landkreis die Gemeinden Oberhaching, Brunnthal, Grünwald, Sauerlach, Straßlach-Dingharting angehören.