Süddeutsche Zeitung

Schützenswerte Habitat:Ein Glücksfall für Flora und Fauna

Der Umwelttag zeigt den Unterhachingern, welche Schönheiten ihr Landschaftspark bereithält. Gemeinsam soll die grüne Oase auch in Zukunft gegen Gewerbegebiete und Siedlungsbau verteidigt werden

Von Helena Ott, Unterhaching

Um in den Landschaftspark, kurz Lapa, zu kommen, läuft man an fünf Meter hohen, bewachsenen Erdhügeln vorbei - eine kurze Klamm, die das Blickfeld beschränkt. Mit diesem Trick wollte der Landschaftsarchitekt des Unterhachinger Parks den Effekt der Weite, die der ehemalige Militärflughafen bereithält, vergrößern. Weite, wie man sie sonst eher aus Reiseberichten von Menschen kennt, die in Südafrika, Nevada oder Australien waren. Im Park lohnt aber auch der Makroblick. Beim genauen Hinschauen sehen einzelne Blütenblätter der Gewächse links und rechts der ehemaligen Landebahn aus wie eine gespaltene Schlangenzunge oder kleine Herzen.

Wenn Ernst Ottmar bei der Naturführung des Bundes Naturschutz erzählt, dass man aus dottergelben Blütenköpfen indigo-blaue Farbe herstellen kann, und er die Namen des Ensembles an Wiesenblumen aufzählt, wird deutlich, wie bezaubernd und wertvoll die Natur vor der Haustür ist. Diesen Gedanken wollte das Organisatorenteam des Unterhachinger Umwelttages am Samstag - 20 Jahre, nachdem der ehemalige Flugplatz zu einem Naherholungsgebiet wurde - besonders hervorheben: "Wir wollen zeigen, wie wertvoll, diese Oase ist - für die Artenvielfalt, aber auch für die Freizeit der Menschen hier", sagt Horst Later von der lokalen Agenda Unterhaching. Damit will er das Engagement für die Erhaltung des Landschaftsparks aufrechterhalten. Seit zwei Jahrzehnten verteidigen er und die Mitglieder der Agenda den Park gegen verschiedene bauliche Begehrlichkeiten. "Für den Lapa würde ich auch mit 93 Jahren noch demonstrieren gehen", sagt Ursula Gündera, eine Mitstreiterin von Horst Later, die den Park seit 20 Jahren als ihre "Hauptaufgabe im Leben" sieht.

Für den diesjährigen Umwelttag auf dem Gelände haben Horst Later und sein Team Unterhachings Sport- und Angelvereine, Bund Naturschutz, Obst- und Gartenbauverein und andere Ortsgruppen dazu aufgerufen, sich einen eigenen Programmpunkt für den Umwelttag auszudenken. Daraus wurden unter anderem ein Sportparcours, eine Schmetterlingsbastelstation, ein Workshop zum Samenbomben bauen, Angelweitwurf, ein Lehrpfad am Bach und eine Fledermaus-Nachtwanderung.

Am Nachmittag führt der Botaniker Ernst Ottman - sonnengebleichter Rucksack und Sandalen - eine kleine Gruppe Unterhachinger über das Gelände. Vielleicht trauen sich nicht mehr Leute, mitzukommen, denn auf der gegenüberliegenden Parkseite türmen sich Gewitterwolken auf. Ottman beeindrucken die nicht, er erklärt, welche Pflanzen hier stehen, weil sie vor einiger Zeit mal nach Deutschland importiert wurden, und welche ganz natürlich zu so einer bayerischen Fettwiese gehören - wie es sie im Lapa gibt. Ottmann weiß jeden der bizarren Namen. Von der gelben Gauklerblume, dem blauen Natternkopf und bis zur Tauben-Skabiose - "heißt so, weil sie zur Heilung der Krätze hergenommen wurde", sagt er. Von einer Blüte zur nächsten, sie stehen flockig verteilt an den Wegrändern, leuchten die Farben Blau, Gelb, Pink, Violett und Weiß aus den Gräsern.

Quert man die Autobahn über die Brücke im Park Richtung Neubiberg, stößt man rechts - etwas versteckt - auf zwei kleine Tümpel. Hier sichern Wechsel- und Erdkröte ihre Erbfolge. Schwärme von Kaulquappen in allen Wachstumsstadien schwänzeln durch das wenige Zentimeter tiefe Wasser. Sie sind tiefschwarz. "So bekommen sie mehr Wärme von der Sonne ab und wachsen schneller", erklärt Ottmann. Schon kurz nach dem Loslaufen hat es etwas getröpfelt, nach etwa einer Stunde geht es richtig los: Dicke Tropfen klatschen auf die geteerte Fläche der ehemaligen Landebahn. Es riecht nach feuchtem Asphalt. Zum Unterstellen ist nichts Probates in der Nähe. Also zieht eine Frau im pink-gepunkteten Kleid den Sommerhut tief ins Gesicht und vorausschauendere Umwelttagbesucher streifen ihre Regenjacken über.

Der Schauer entpuppt sich als Dauerregen. Die Gruppe kehrt um und beendet die Führung vorzeitig - auch wenn Ottmann noch viel zu zeigen gehabt hätte. Etwa über Vögel wie Goldammer und Lerche; für sie und die Wachtel ist es wichtig, dass Hundebesitzer Bescheid wissen und ihre Vierbeiner nicht ins hohe Gras lassen. "Beide Vögel brüten am Boden und wenn sie einmal aufgeschreckt wurden, trauen sie sich nicht mehr her", sagt Ottmann.

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Quelle:
SZ vom 11.06.2018
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