Süddeutsche Zeitung

Weiterführende Schulen:Jedem sein Gymnasium

Der anhaltende Zuzug, die Rückkehr zum G 9 und Gastschüler aus der Stadt lassen die weiterführenden Schulen im Landkreis München aus allen Nähten platzen. Die Kreisräte planen deshalb schon die nächsten Standorte.

Von Martin Mühlfenzl

Es ist nicht lange her, da gab es laut sagt Ismanings Bürgermeister Alexander Greulich (SPD) Befürchtungen, die Realschule in seiner Gemeinde würde durch den Neubau eines Gymnasiums in Ismaning und die Wiedereinführung des neunjährigen Gymnasiums ausbluten. "Aber das genaue Gegenteil ist der Fall", sagt Greulich. "Unsere Schulen sind am Anschlag, beide. Das liegt auch daran, dass vor allem junge Familien mit Kindern zu uns ziehen, und das wird so weiter gehen."

Beide Faktoren - der anhaltend, rasante Zuzug in die 29 Städte und Gemeinden des Landkreises sowie die Wiedereinführung des G 9 - zwingen den Landkreis zu einem massiven Um- und Ausbau seiner Schullandschaft. Und die Kreispolitiker bereiten sich intensiv darauf vor:

Der Ausschuss für Bauen und Schulen hat am Montag entschieden, zusätzliche "Entlastungspotenziale" für die bestehenden Gymnasien und Realschulen weiterzuverfolgen und mit den betroffenen Kommunen und Schulzweckverbänden in die Debatte einzutreten. Konkret geht es um eine weitere Realschule im südöstlichen Landkreis - voraussichtlich in Höhenkirchen-Siegertsbrunn - sowie die Erweiterung der Realschule Aschheim, den Bau der Realschulen in Oberhaching und Haar sowie eine weitere Schule im Norden. Neue Gymnasien soll es nicht nur in Aschheim und Sauerlach geben, sondern voraussichtlich auch in Oberschleißheim und - zusätzlich zum bestehenden - in Unterschleißheim. Auch Feldkirchen wird wieder als Standort in den Fokus rücken.

An die 14 000 Schüler besuchen im bevölkerungsreichsten Landkreis des Freistaat das Gymnasium. Mehr als 15 000 werden es in zwei Jahren sein - weit mehr als 20 000 im Jahr 2035. Dieser unaufhaltsame Trend hat auch mit einer "Last" zu tun, wie Landrat Christoph Göbel (CSU) sagt. Mittlerweile sind es mehr als 2200 Münchner Schüler, die eines der - meist - hochmodernen Gymnasien von Unterschleißheim über Ottobrunn bis Grünwald besuchen. Es kehrt sich also das Verhältnis um, das jahrzehntelang symptomatisch für die schulischen Beziehungen zwischen Stadt und Landkreis gewesen ist: Besuchten noch vor einigen Jahren deutlich mehr Schüler aus dem Landkreis die Gymnasien in der Stadt, haben sich diese Ströme in den vergangenen Jahren genau gegenteilig entwickelt.

Konnexität

Wer bestellt, der zahlt. Das Konnexitätsprinzip, sagt Landrat Christoph Göbel, müsse auch bei der Wiedereinführung des neunjährigen Gymnasiums greifen. "Ich bin zuversichtlich, dass der Freistaat diese Kosten tragen wird", sagte Göbel in der Sitzung des Kreisausschusses für Bauen und Schulen. Die Verhandlungen mit der Staatsregierung liefen in die entsprechende Richtung. Spannend wird laut Göbel, inwieweit der Freistaat etwa für die Kosten eines möglichen neuen Gymnasiums in Sauerlach aufkommen werde. Geht es nach den Kreisräten, wäre das Land hier in der Verantwortung, schließlich werden gerade Neubauten durch das von der Staatsregierung bestellte G 9 und steigende Schülerzahlen nötig. müh

Die eigentliche Last aber sind nicht die Schüler selbst, die von den neuen, mit modernster Technik ausgestatteten Gymnasien im Landkreis angelockt werden. Die Last, die Landrat Göbel bemängelt, entsteht durch ein Missverhältnis: Zwar hat auch die Stadt München eine "Bildungsoffensive" und den Bau von sieben neuen Gymnasien zu den bestehenden 33 staatlichen angekündigt.

Der Stadtbezirk Feldmoching-Hasenbergl etwa bekommt sein erstes Gymnasium. Diese Offensive allerdings, das kritisieren Kommunalpolitiker im Landkreis, könne nicht kaschieren, dass über Jahrzehnte hinweg kaum etwas vorangegangen sei, so Göbel. "Wir wollen das nicht so machen. Es ist wichtig, dass wir vorbereitet sind", sagt Göbel. "Wir müssen in die aktive Rolle gehen, damit wir nicht irgendwann Schulen aus dem Boden stampfen müssen, wenn der Druck zu groß wird."

Im Landkreis mit seinen 340 000 Einwohnern - in der Landeshauptstadt wohnen etwa 1,6 Millionen Menschen - wurde in Ismaning unlängst das 15. Gymnasium eröffnet, Nummer 16 und 17 in Unterföhring und Aschheim sind auf dem Weg, die 18 ist so gut wie ausgemacht: in der 8000-Einwohner-Gemeinde Sauerlach. Dabei wird es allerdings nicht bleiben.

Diskutieren die Kreisräte die Umgestaltung der Schullandschaft, spielt eine Zahl eine entscheidende Rolle: 2035. Bis in dieses Jahr reicht die Prognose des Schulbedarfsplans. Dieser beschreibt, wie auch die Rolle der Realschulen gestärkt werden muss. Die bestehenden fünf Schulen in Unterschleißheim, Ismaning, Aschheim, Neubiberg und Taufkirchen werden den massiven Zuwachs an Schülern nicht bewältigen können. Die Realschule in Unterschleißheim etwa hat eine Kapazität von 896 Schülern, bis 2035 werden mehr als tausend Schüler erwartet. Die künftige Schule in Ismaning wird mit einer prognostizierten Schülerzahl von 1009 im Jahr 2035 bei einer Kapazität von 736 Plätzen ebenfalls aus allen Nähten Platzen. Es braucht laut Schulbedarfsplan neben den beschlossenen Schulen in Oberhaching und Haar wohl eine weitere Realschule entweder in Unterschleißheim oder eine zweite Ismaning.

Noch dramatischer stellt sich die Situation bei den Gymnasien dar. Eine "deutliche" Zunahme wird vor allem für die Schulen in Unterhaching, Ottobrunn, Haar, Kirchheim, Neubiberg, Unterschleißheim, Höhenkirchen-Siegertsbrunn und Unterföhring erwartet. Letzteres ist noch gar nicht gebaut, es ist aber bereits abzusehen, dass die eigentliche Kapazität von etwa 1400 Schülern im Jahr 2035 (1778) gesprengt wird. Zwei Drittel der Schüler werden aus München kommen. Abhilfe "könnte" die Schulbau-Offenisve der Landeshauptstadt schaffen, steht im Schulbedarfsplan. Darauf wollen sich die Kreisräte nicht verlassen. Sie handeln lieber selbst.

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SZ vom 06.03.2018
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