Schädlinge:Das Ende ist nahe

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2015 wurde der letzte Laubholzbockkäfer in Neubiberg gefunden. Sollte es dabei bleiben, könnte die Quarantäne 2020 aufgehoben werden. Die wütenden Proteste gegen Baumfällungen sind Vergangenheit. Der Förster freut sich über die rasche Ausrottung

Von Angela Boschert, Neubiberg/Feldkirchen

Ein Käfer mit edlem Aussehen: weiße Punkte auf dem glänzend schwarzen Rücken und lange Fühler, die von seinen scharfen Beißwerkzeugen ablenken - der Asiatische Laubholzbockkäfer (ALB) hielt und hält Verwaltungen und Bürger in Trab. Im Oktober 2012 wurden ALB-Spuren in Feldkirchen entdeckt, im Herbst 2014 dann auf einem Spielplatz in Neubiberg. Nach etlichen Fällungen und der Quarantäne ist es allerdings jetzt etwas ruhiger um den Käfer geworden. Sollte den Behörden kein weiterer Käfer ins Netz gehen, wird die Quarantäne zum 1. Januar 2020 aufgehoben.

Die Aufregung nach dem ersten Fund war groß. Um zu verhindern, dass sich der gefürchtete Baumschädling ausbreitet, wurden in beiden Gemeinden Allgemeinverfügungen erlassen, die vorschreiben, alle potenziellen Wirtsbäume zu fällen, die im Umkreis von hundert Metern um befallene Bäume stehen. Das kostete Feldkirchen mehrere tausend und Neubiberg etwa 1250 Laubbäume. Oder anders gerechnet: Waldflächen von gut zehn Hektar in Feldkirchen und 2,3 Hektar in Neubiberg wurden abgeholzt. Dieses Vorgehen kritisierten Bürger und auch Fachleute als unnötigen "Kahlschlag". Wie sieht die Bilanz nach vier Jahren für Neubiberg aus?

Die Allgemeinverfügung hat noch Bestand. Sie markiert die etwa 2 200 Quadratmeter große Quarantänezone, die außer Neubiberg noch Ottobrunn, Riemerling, die Waldkolonie von Putzbrunn sowie Waldperlach umfasst. Baumeigentümer müssen hier noch immer ihre Laubbäume regelmäßig auf Spuren des Anoplophora Glabripennis, so die Fachbezeichnung des Asiatischen Laubholzbockkäfers, kontrollieren. Holzschnitt darf nur nach besonderen Vorschriften entsorgt werden. Außerdem erfolgt ein Monitoring durch die zuständigen Behörden, die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) für Wohngebiete und das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) für Waldgebiete. Beide lassen die 26 potenziellen Wirtsbaumarten durch Sichtkontrolle vom Boden aus und mit Baumkletterern kontrollieren sowie gefälltes Holz durch speziell ausgebildete ALB-Spürhunde beschnüffeln. Die Hunde nehmen ALB-Larven auch da wahr, wo Menschen keinerlei Anzeichen von Befall erkennen. Zusätzlich wurden in den Sommermonaten Pheromonfallen aufgestellt, die frisch geschlüpfte Käfer anlocken sollten.

Aus dem Ei geschlüpft frisst sich die ALB-Larve über zwei Jahre lang durch den Stamm eines Baumes, verpuppt sich und verlässt dann als Käfer seine Herberge durch ein kreisrundes, selbst gebohrtes Loch, um in nächster Nähe seine Eier abzulegen. Durch die Fressgänge werden die Bäume geschwächt und können unverhofft zusammenbrechen, obwohl ihre Kronen noch grün und frisch erscheinen. Diese Gefahr soll gebannt und der Käfer ausgerottet werden.

Sollte das nicht gelingen, dürfte aus diesem Gebiet kein Holz mehr exportiert werden. Das wäre für die Holzwirtschaft nach eigenem Bekunden schlichtweg eine Katastrophe. Groß war auch die Verärgerung in der Bevölkerung, die um den Erhalt der Bäume kämpfte. Die Bürger baten die Behörden um Erklärungen, weil sie nicht verstehen konnten, dass gesunde, vielleicht hundert Jahre alte Bäume gefällt werden sollten.

Sie protestierten laut und leise. Erinnert sei an die Protestkundgebung von etwa 40 Bürgern, die in einem Privatgarten stattfinden musste, weil die LfL von ihr Wind bekommen hatte und eilends bewirkte, dass der Protest als zu genehmigende Demonstration eingestuft wurde. Plakate wie "Hopp, hopp, hopp, Kettensägen stopp" oder "Wahrung der Verhältnismäßigkeit: 1 befallener + 50 gesunde = 51 tote Bäume?" und Sprechchöre brachten auch so die Kettensägen der nahen Holzfäller zeitweise zum Verstummen. Still hingegen mahnten weiße Kreuze vor zu fällenden Bäumen in der Tannenstraße, zu denen Bürger noch Grablichter stellten.

Die Bürgerinitiative "BI gegen ALB-Traum Neubiberg" wollte von den zuständigen Ämtern außerdem Details zu den ALB-Funden wissen; Details, aus denen man Schlüsse ziehen könne. Die BI hatte sich im Dezember 2014 gegründet. Sie forderte Forschungen zu alternativen Bekämpfungsmethoden vom damaligen Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU), dafür sammelten sie 2299 Unterschriften. Sie wies auf Widersprüche hin und holte Fachleute ins Boot, die wissenschaftlich begründeten, dass baumschonende Schutzmaßnahmen gegen eine weitere Einschleppung beziehungsweise Ausbreitung des Käfers nötiger seien, als weiterhin zu fällen. Der Widerstand in Neubiberg war heftiger als der in Feldkirchen, berichten Insider.

Es nützte nichts. Die AELF und die LfL hielten an der Allgemeinverfügung fest und fällten, was zu fällen war. Die Motorsägen röhrten tagelang. Für die Betroffenen war das ein Schock. Familie Bruch aus Neubiberg klagte sogar gegen den Freistaat Bayern, um ihre Linde zu retten. Doch sie zog die Klage beim Verwaltungsgericht zurück, weil die Aussicht auf Erfolg als unerwartet gering gewertet wurde und fünfstellige Kosten für die Fällung und das jährliche Monitoring drohten. "Mein Herz blutet täglich. Ich kämpfe noch damit, dass die Linde weg ist", sagt Bärbel Bruch noch heute. "Es ärgert mich noch immer, vor allem, weil die ganze Aktion nicht optimal durchdacht war", sagt die Neubibergerin Gerda Braun.

Fazit: Die letzten ALB-Spuren wurden in Neubiberg am 13. Juli 2015 gefunden. Treten keine weiteren Funde auf, wird die Quarantänezone am 1. Januar 2020 aufgehoben und die Baumfällungen sind zu Ende. Für Förster Michael Matuschek von der AELF wäre dies "für die Befallsgröße von Neubiberg eine der schnellsten Ausrottungen des ALB in Europa".

© SZ vom 30.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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