Sauerlach:Weckruf für den Siebenschläfer

Beim jährlichen St.-Anna-Ritt pilgern Hunderte von Menschen zur sonst sehr abgeschiedenen Waldkapelle bei Staucharting. Das ist nicht nur für den neuen Sauerlacher Pfarrer ein besonderes Ereignis

Von Patrik Stäbler, Sauerlach

Direkt unter dem Altar der Waldkapelle St. Anna in Staucharting hat es sich seit einiger Zeit ein Siebenschläfer häuslich eingerichtet - trotz aller Vertreibungsversuche. In dem mehr als 300 Jahre alten Kirchlein genießt das Tier vermutlich die Stille und Abgeschiedenheit mitten im Deisenhofener Forst. An diesem Freitag allerdings wird es mit der Ruhe vorbei sein. Denn wo sich sonst Fuchs und Hase gute Nacht sagen, werden am 26. Juli anlässlich des Namenstags der Heiligen Anna Hunderte Bittgänger zu Fuß und auf Pferden zu der Kapelle strömen. Dort findet zunächst um 9 Uhr ein Festgottesdienst im Freien statt, ehe gegen 11 Uhr die Rösser und Gespanne gesegnet werden.

Sauerlach: Beim St.-Anna-Ritt kommen jährlich Pferdebesitzer aus der Umgebung nach Staucharting, um ihre Tiere segnen zu lassen.

Beim St.-Anna-Ritt kommen jährlich Pferdebesitzer aus der Umgebung nach Staucharting, um ihre Tiere segnen zu lassen.

(Foto: Claus Schunk)

Dem Siebenschläfer steht also reichlich Trubel ins Haus - und nicht nur ihm. Auch für den örtlichen Pfarrverband bedeutet die jährliche Veranstaltung viel Arbeit im Vorfeld, obgleich man dies Pfarrer Josef Steinberger wenige Tage vor dem Sauerlacher Festtag kaum anmerkt. Er ist an diesem Morgen mit dem Rad von seinem Pfarrhaus in den Forst gekommen. "Das ist schon ein besonderer Ort, den man gerne besucht", sagt Steinberger, nachdem er auf einer der Bänke Platz genommen hat, die rund um die kleine Kapelle stehen. "Viele Menschen schätzen die Ruhe hier - gerade in unserer hektischen Zeit."

Sauerlach: Pfarrer Josef Steinberger war schon oft bei der Kapelle, aber noch nie beim St.-Anna-Ritt dabei.

Pfarrer Josef Steinberger war schon oft bei der Kapelle, aber noch nie beim St.-Anna-Ritt dabei.

(Foto: Claus Schunk)

Auch der 54-Jährige hat das Kirchlein bereits mehrfach aufgesucht, seitdem er im November seine Stelle als Pfarrer von Sauerlach, Arget und Altkirchen angetreten hat. Dem St.-Anna-Fest jedoch hat Josef Steinberger noch nie beigewohnt; für ihn wird es am Freitag eine Premiere.

Ob er nervös sei ob der vielen Menschen, die den Gottesdienst unter freiem Himmel besuchen werden? Bei dieser Frage wiegt der Pfarrer den Kopf hin und her und überlegt - so wie er meistens erst einige Momente nachdenkt, ehe er seine Antwort formuliert. "Es ist natürlich ein besonderer Tag, der zu Sauerlach dazugehört", sagt er dann. Aber schlaflose Nächte werde er im Vorfeld nicht haben. Zumal er sich keine Gedanken um die Predigt machen braucht: Die wird als Hauptzelebrant Prälat Josef Obermaier halten, der heuer den 50. Jahrestag seiner Priesterweihe begeht und von 2000 bis 2010 das Seelsorge-Referat im Erzbischöflichen Ordinariat München geleitet hat. "Ich kenne Prälat Obermaier gut", sagt der Pfarrer. "Auch er war bislang noch nie beim St.-Anna-Fest."

Straßen gesperrt

Um den Charakter des St.-Anna-Fests als Wallfahrt zu wahren, sperrt die Gemeinde am Freitag, 26. Juli, sämtliche Zufahrtswege zur Kapelle für Kraftfahrzeuge. Autofahrer gelangen über den Stauchartinger Weg zu einem Parkplatz am Waldrand, von wo aus es zu Fuß weitergehen muss. Alternativ gibt es eine kostenlose Busverbindung zum Festplatz. Die Abfahrtszeiten am S-Bahnhof Sauerlach sind um 8.30, 9.30 und 10.30 Uhr; zudem kann jeweils zwei Minuten später an der Kirche zugestiegen werden. Die Rückfahrt vom Festplatz ist dann gegen 10.45, 11.45, 12.45 und 13.30 Uhr möglich. stä

Dabei ist die Veranstaltung nicht nur in Sauerlach ein Fixpunkt im Kirchenkalender: Auch aus den umliegenden Ortschaften kommen am 26. Juli stets zahlreiche Bittgänger zu der Kapelle im Wald. Diese wurde 1692 von Melchior Seidl zu Ehren der Heiligen Anna erbaut, die als Mutter Marias und somit als Großmutter Jesu angesehen wird. Zehn Jahre später erweiterte Andreas Humpl aus Arget die Kirche in der heutigen Form, und schon kurz darauf fanden erste Wallfahrten nach Staucharting statt - seinerzeit eine Schwaige, wo Schweine gehalten wurden. Vor gut 150 Jahren verkaufte Hans Portenlenger, der letzte Schwaiger, das Anwesen für 15 000 Gulden an die bayerische Krone. Die Kapelle jedoch wurde nicht abgerissen, sondern blieb bestehen - nicht zuletzt, weil sie 1824 vom damaligen Erzbischof von München und Freising geweiht worden war.

Für Steinberger ist das St.-Anna-Fest eine gute Gelegenheit, um Kontakte zu knüpfen in Sauerlach. "Ich versuche, viel im Ort unterwegs zu sein und mit den Leuten ins Gespräch zu kommen - zum Beispiel, wenn ich mit dem Rad durch Sauerlach fahre oder in der Eisdiele bin", sagt der Pfarrer. "Man kann nicht warten, dass die Menschen in die Kirche kommen. Man muss selbst zu ihnen rausgehen." Auch deshalb freut sich Josef Steinberger auf sein erstes St.-Anna-Fest - anders als der Siebenschläfer in der Kapelle. Schließlich sind die Tiere nachtaktiv und pflegen den Tag normalerweise zu verschlafen, was am Freitag ob der vielen Menschen und Pferde jedoch kaum möglich sein dürfte.

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