Auf der für Vereine reservierten Anschlagtafel wirbt die Blaskapelle Arget für ein Konzert, daneben weist die Sauerlacher Bürgerstiftung auf ihren Schwarz-Weiß-Ball am Wochenende hin - so weit, so gewöhnlich. Doch genau zwischen diese zwei Plakate haben Unbekannte einen weiteren Zettel geklebt, der mittlerweile zwar wieder entfernt wurde, der jedoch viel Unruhe und Verunsicherung im Ort ausgelöst hat. "Achtung: Nazi-WG in Sauerlach" stand in fetten Lettern auf dem Plakat, das auch an anderen Stellen in der Gemeinde aufgehängt und zudem als Flyer in Dutzende Briefkästen verteilt wurde. Inzwischen ermittelt der Staatsschutz.
Gemünzt ist das Flugblatt, dessen Urheber anonym bleiben, auf den rechten Rapper Chris Ares, der unlängst aus dem Landkreis Ebersberg nach Sauerlach gezogen ist. Er wird als "gewalttätiger Nazi-Rapper" und "bekennender Neonazi" bezeichnet. Auf dem Plakat prangen sein Porträtfoto sowie das eines weiteren Mannes, dazu beider Klarnamen und ihre Wohnadresse. Dort sollen beide mit weiteren Mitgliedern des rechtsextremen Milieus wohnen. Die Sauerlacher werden auf dem Plakat aufgefordert: "Ziehen Sie persönliche Konsequenzen und bieten Sie als Gemeinde und Nachbarschaft keinen Rückzugsort für extrem rechte Ideologie und Täter!"
Eine Bürgerin habe ihr am Sonntag von dem Flugblatt im Briefkasten erzählt, sagt Rathauschefin Barbara Bogner (Unabhängige Bürgervereinigung). Überdies sei sie von der Polizei informiert worden. Wer hinter der Aktion steht, ist noch unklar. Das Dezernat für Staatsschutzdelikte prüfe die Plakate derzeit "hinsichtlich mutmaßlicher presserechtlicher und datenschutzrechtlicher Verstöße sowie etwaiger Beleidigungsdelikte", teilt die Polizei mit. Unterdessen ist das Flugblatt samt Fotos aus Sauerlach auf der Webseite Indymedia veröffentlicht worden - einer laut Verfassungsschutzbericht "linksextremistischen Internetplattform".
Bayerische Polizei:Dein Freund und Extremist
Seitdem ein "Reichsbürger" 2016 einen Polizisten erschossen hat, gehen die Sicherheitsbehörden rigide gegen die Bewegung vor - und werden auch in den eigenen Reihen fündig.
Dort ist die Rede von 100 Flyern und 30 Plakaten, die in Sauerlach verteilt und "an zentralen Orten" angebracht worden seien. Verfasst wurde der Internetbeitrag von einem "Aktionskommando Resi Huber"; unterzeichnet ist er mit dem Satz "Antifa in die Offensive!"
Dass Chris Ares und weitere Mitbewohner inzwischen in Sauerlach leben, sei ihr seit einiger Zeit bekannt, nachdem sie einen Fernsehbeitrag über den Rapper gesehen habe, sagt Bürgermeisterin Bogner. Die WG sei bislang jedoch "noch nie negativ aufgefallen". "Und ich selbst würde die Männer wahrscheinlich nicht erkennen, wenn ich sie auf der Straße sehen würde." Infolge der Plakataktion fürchtet die Bürgermeisterin nach eigenen Worten nun Auseinandersetzungen in Sauerlach, "wenn hier zwei Gruppierungen aufeinandertreffen, die sich spinnefeind sind".
Chris Ares wiederum, der bürgerlich Christoph Zloch heißt, gibt derweil auf seiner Facebookseite an, dass das Flugblatt "jede Menge Lügen und erfundene Dinge" enthalte. "An die Täter" richtet er eine Warnung, die auch als Drohung verstanden werden kann: "Wir freuen uns, euch bald persönlich kennenzulernen."
Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz stuft Ares als Rechtsextremisten ein und beobachtet ihn seit mehr als drei Jahren. Demnach bedient sich der Rapper in Videos "regelmäßig der Symbolik der rechtsextremistischen Identitären Bewegung und pflegt zudem Kontakte zu Aktivisten der identitären Szene". Zudem übernimmt der 28-Jährige laut Verfassungsschutz in seinen Liedern "typische identitäre Ideologieelemente wie die Idee, es würde in Deutschland ein sogenannter 'Großer Austausch' der Bevölkerung vorangetrieben werden". Überdies pflegt Chris Ares, der nach seinen Worten in einer "patriotischen WG" lebt, Kontakte zum Münchner Pegida-Ableger und zur AfD. Wie die Thüringer Allgemeine Zeitung berichtete, trat er 2016 bei einer Kundgebung in Erfurt gemeinsam mit dem AfD-Abgeordneten Björn Höcke vom national-völkischen Flügel der Partei auf.
"Rechtsextremistische Musiker wie Chris Ares zielen darauf ab, mit immer neuen Produkten die Bedürfnisse von Szeneanhängern anzusprechen", teilt das Landesamt für Verfassungsschutz mit. "Zusätzlich nutzen sie verstärkt das Internet, um die Reichweite ihrer Musik und ihrer Ansichten zu erhöhen."