Obdachlosigkeit:Wenn das Hotelzimmer die letzte Zuflucht ist

Obdachlosigkeit: Im Notfall werden Obdachlose in Sauerlach auch einige Tage im Landgasthof Schmuck untergebracht.

Im Notfall werden Obdachlose in Sauerlach auch einige Tage im Landgasthof Schmuck untergebracht.

(Foto: Claus Schunk)

Weil auf dem überhitzten Immobilienmarkt in der Region München immer mehr Menschen die eigene Wohnung verlieren, greifen Kommunen wie Sauerlach zu unbürokratischen Methoden.

Von Martin Mühlfenzl, Sauerlach

Die Kundschaft steht meistens am Freitagnachmittag vor dem Sauerlacher Rathaus, obwohl das Amt dann schon längst geschlossen ist. Es sind Menschen in Not, die nicht mehr wissen, wo sie die Nacht verbringen sollen. Die verzweifelt im Streit mit dem Partner die Flucht aus dem eigenen Zuhause ergriffen haben oder schlichtweg kein Zuhause mehr - oft sind es Familien, Mütter mit ihren Kindern, Geflüchtete. Dann kommt die unbürokratische Maschinerie zum Tragen. "Denn wir sind ja als Kommune in der Pflicht, diesen Menschen zu helfen", sagt Sauerlachs Bürgermeisterin Barbara Bogner (Unabhängige Bürgervereinigung). "Die Gemeinde ist für die Unterbringung von Obdachlosen verantwortlich. Dem können und wollen wir uns auch nicht entziehen."

Die Gemeinde Sauerlach will diese Hilfe nun strukturell besser organisieren und eine feste Bleibe für Menschen in Not einrichten. "Wenn am Freitagnachmittag jemand vor der Rathaustür steht und sagt, er weiß nicht wohin, dann ist es brutal schwer, etwas zu finden", berichtete Rathauschefin Bogner unlängst im Gemeinderat. Meist bringt die Gemeinde die Menschen dann in umliegenden Pensionen oder Hotels unter, etwa im Landgasthof Schmuck; dort können die Betroffenen dann einige Tage bleiben, ehe sie in eine andere - und vor allem günstigere - Unterkunft umziehen. Denn die Unterbringung in Hotelzimmern gehe auch ins Geld, mehrere Hundert Euro können im Notfall schnell zusammenkommen.

Der Zuzug Geflüchteter aus der Ukraine erhöht den Druck auf dem Wohnungsmarkt

Zwar erstattet der Landkreis München den Kommunen einen Großteil der Ausgaben, dennoch wollen die Sauerlacher Gemeinderäte eine dauerhafte Lösung finden. Die könne in der Anmietung einer Wohnung oder Unterkunft in einer Pension bestehen, aber auch eine Containerlösung sei mittelfristig denkbar, so Bogner. Der Zeitdruck sei enorm, so die Rathauschefin, denn die Problematik auf dem vollkommen überhitzten Wohnungsmarkt im gesamten Landkreis habe sich durch den starken Zuzug Geflüchteter aus der Ukraine noch einmal verschärft. "Knapp gesagt: Eigentlich sind alle Unterkünfte vermietet. Es gibt kaum mehr freien Wohnraum", so Sauerlachs Bürgermeisterin.

Dies bestätigt auch Stefan Wallner, der beim Kreisverband München-Land der Arbeiterwohlfahrt (Awo) die Wohnungsnotfallhilfe verantwortet: "Die Wohnungssuche hat sich weiter in einen Konkurrenzkampf entwickelt, bei dem die Schwächsten der Gesellschaft am Ende der Staffel stehen." Die Faktoren, warum Menschen in die Obdachlosigkeit abdriften, sind nach Wallners Erfahrung vielfältig: Es gebe Personen aus EU-Ländern, die zwar Arbeit hätten, aber "oft auch in Mangel von Sprachkenntnissen in Unterkünften leben". Ältere Menschen könnten sich nach dem Verlust des Partners die eigene Wohnung nicht mehr leisten; Paare trennten sich und fänden einzeln keine Wohnung mehr. Psychische Erkrankungen ließen manch einen dem Druck der Wohnungssuche nicht mehr standhalten. Und meist seien es natürlich finanzielle Probleme, die Menschen abrutschen lassen.

Wallner beobachtet, dass im Landkreis München immer mehr Menschen in problematische Lebenssituationen abdriften. "Hier gehört auch der Bereich Asyl dazu", sagt er. Geflüchtete täten sich oft schwer, Wohnraum zu finden. Insgesamt liegt die Zahl der Menschen, die im Landkreis pro Jahr in Notunterkünfte eingewiesen werden müssen, laut Awo bei mehr als 250 - davon sind ein Drittel Kinder; 2022 waren es laut Wallner sogar mehr als 300 Obdachlose, denen ein Dach über dem Kopf zur Verfügung gestellt werden musste.

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