Sauerlach:Mutmaßungen über die Schlingnatter

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Die Schlingnatter steht unter Naturschutz. Deshalb verwarf das Landratsamt die Pläne für eine Flüchtlingsunterkunft in Sauerlach. (Foto: mauritius images)

Bis heute steht das Gutachten über die Schlangenpopulation aus, die eine Flüchtlingsunterkunft in Sauerlach verhinderte.

Von Michael Morosow, Sauerlach

Die Schlingnatter ist 2013 zum "Reptil des Jahres" ausgerufen worden. Für viele Anwohner der Sauerlacher Sommerstraße hat sie diese Ehre auch 2016 verdient, hatte doch die Entdeckung der geschützten Art in einem Biotop vor ihrer Haustür zur Folge, dass das Landratsamt im April diese Fläche von der Liste möglicher Standorte für den Bau einer Flüchtlingsunterkunft strich.

Acht Monte sind seither vergangen, die Schlingnattern sind inzwischen in Winterstarre gefallen und überdauern die kalte Jahreszeit in frostsicheren Erdhöhlen. In der Sitzung des Gemeinderats am Dienstag ist das Thema wieder aufgewärmt worden. Grund: Bis heute wartet die Gemeinde auf ein vom Landratsamt angekündigtes Gutachten, das die Population der Würgeschlange bestätigt und die Abkehr vom geplanten Standort ausreichend begründet.

Das Drängen der Gemeinde ist dabei nicht der Absicht geschuldet, einen zweiten Anlauf für die Errichtung einer Flüchtlingsunterkunft nahe der Sommerstraße zu unternehmen. Davon ist aktuell nicht die Rede, zumal inzwischen der zweite mögliche Standort, das Otterloher Feld, an die erste Stelle der Prioritätenliste gerückt ist. Die Gemeinde benötige aber weitere Grundstücke zur Errichtung günstigen Wohnraums, heißt es in einem Schreiben vom 8. Dezember, das Bürgermeisterin Barbara Bogner (Unabhängige Bürger) an die Untere Naturschutzbehörde des Landratsamtes München geschickt hat. Die Gemeinde könne daher "von der Bebauung des Grundstücks an der Sommerstraße derzeit nicht absehen". Weiter schrieb Bogner: "Es stellt sich erneut die Frage: Aufgrund welcher Dokumentation und welcher Grundlagen wurde die Nicht-Bebaubarkeit des Grundstücks Sommerstraße entschieden? Wer hat das entschieden?"

Der Gemeinderat findet die Formulierungen im Gutachten zu vage

Bogner trug dem Gemeinderat ihr Schreiben am Dienstag vor - wie auch die Antwort des Landratsamtes vom 16. Dezember, wobei gerade dieses die Gemüter im Sitzungssaal erhitzte. Eine Erkrankung des Gutachters sei der Grund für die Verzögerung, heißt es darin. Da seine "Kurzexpertise" aber eindeutig gewesen sei, habe die Behörde, "vertrauend darauf, dass uns das ausführliche Gutachten bald zugeht", das Absageschreiben im April verfasst. Es werde nun versucht, rechtzeitig zur Januarsitzung des Gemeinderats das Gutachten vorlegen zu können.

Diese Begründung hätte das Gremium wohl gelten lassen, wenn die genannte Kurzexpertise nach Überzeugung einiger Ratsmitglieder nicht alles andere als eindeutig ausgefallen wäre. Entlang des Bahndammes siedele unzweifelhaft eine mutmaßlich kleinere Population der Schlingnatter, heißt es unter anderem in der Kurzexpertise. Dabei handele es sich um eine weitestgehend isolierte lokale Population, die unbedingt auf diese Fläche und darauf lebende Nährtiere wie die Blindschleiche angewiesen sei. Werde diese Fläche überbaut, sei ein Erlöschen der lokalen Schlingnatter-Population nicht auszuschließen.

Das Gremium stieß sich dabei vor allem an den Termini "mutmaßlich" und "weitestgehende". Zu vage seien diese Formulierungen und deshalb keineswegs dazu geeignet, von einer eindeutigen Kurzexpertise zu sprechen wie das Landratsamt, hieß es. "Das Schreiben ist der Hammer", ereiferte sich Wolfgang Büsch von den Grünen. Und Josef Bacher-Maurer (CSU) sagte, er würde gerne "im Detail prüfen", ob der Gutachter tatsächlich an Ort und Stelle gewesen sei. Dieser ist nach eigenem Bekunden wieder gesund und will das Gutachten noch in diesem Jahr fertigstellen.

© SZ vom 22.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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