"Jetzt red i" in Sauerlach:Nur noch zweimal die Woche duschen

"Jetzt red i" in Sauerlach: In der Sauerlacher Mehrzweckhalle stellt sich Ministerpräsident Markus Söder bei "Jetzt red i" den Fragen der Bürgerinnen und Bürger.

In der Sauerlacher Mehrzweckhalle stellt sich Ministerpräsident Markus Söder bei "Jetzt red i" den Fragen der Bürgerinnen und Bürger.

(Foto: Claus Schunk)

Bei der BR-Sendung in Sauerlach schildern Unternehmer und Bürger Markus Söder ihre Existenzsorgen und Angst vor dem Winter. Der Ministerpräsident schwört die Menschen auf eine schwierige Zeit ein.

Von Martin Mühlfenzl, Sauerlach

Es ist heiß in der Mehrzweckhalle am Otterloher Feld in Sauerlach an diesem Mittwochabend. Mehr als 30 Grad sind es noch immer zur Prime Time. Und doch schwebt der kommende Winter wie ein Damoklesschwert über der Arena, die der Bayerische Rundfunk hier vor den Toren Münchens aufgebaut hat. Er mache sich Sorgen, sagt Stefan Bauer. Er ist Bäckermeister und Konditor im Betrieb Ratschiller etwas weiter südlich in Holzkirchen. Noch kostet die Breze dort 75 Cent, aber ob das so bleibt? Etwa 18 000 Euro muss die Bäckerei nach dem Abschluss neuer Verträge mit dem Energielieferanten mehr fürs Gas zahlen - im Monat. Auch der Mehlpreis explodiere, schildert Bauer. Wenige Meter entfernt in einem Sessel nickt Ministerpräsident Markus Söder mit Sorgenfalten auf der Stirn.

"Jetzt red i" in Sauerlach: Der Ayinger Brauer Franz Inselkammer sorgt sich um die Energieversorgung.

Der Ayinger Brauer Franz Inselkammer sorgt sich um die Energieversorgung.

(Foto: Claus Schunk)

Söder ist nach Sauerlach gekommen, um sich in der BR-Sendung "Jetzt red i" den Fragen der Bürgerinnen und Bürger zu stellen - und zu Beginn beherrschen die Gas-Krise, die steigenden Energiepreise, die Angst vor der Knappheit in den kalten Monaten die Diskussion. So wie Bäcker Bauer, der die Kontingentierung des Rohstoffs fürchtet, sagt auch Franz Inselkammer, Chef der Brauerei im benachbarten Aying, ihm mache die Energieversorgung die meisten Sorgen, neben dem auch durch die Corona-Pandamie leergefegten Arbeitsmarkt. Den Öltank habe seine Familie schon aus der Mottenkiste geholt und befüllt, sagt Inselkammer auf Nachfrage von BR-Moderator Tilmann Schöberl; aber der bringe den Familienbetrieb samt Bräustüberl mit etwa 200 Mitarbeitern als Alternative nur durch einen Monat. Und das, obwohl sie in den vergangenen Jahrzehnten viel getan hätten, um den Verbrauch zu senken: mit einem Blockheizkraftwerk und Photovoltaikanlagen. "Aber wir haben trotzdem ein Problem ohne Gas", sagt Inselkammer.

"Jetzt red i" in Sauerlach: Ministerpräsident Markus Söder sieht sich auch mit unbequemen Fragen konfrontiert - etwa zur zweiten Stammstrecke.

Ministerpräsident Markus Söder sieht sich auch mit unbequemen Fragen konfrontiert - etwa zur zweiten Stammstrecke.

(Foto: Claus Schunk)

Ja, sagt Söder, das Land müsse sich auf einen schwierigen Winter einstellen, es müsse vom schlimmsten Fall ausgegangen werden: "Dass Putin den Gashahn auf- und zudreht." Auf die Frage Inselkammers, was denn Bayern selbst bei der Gasversorgung tun könne, sagt Söder, hier sei der Bund in der Verantwortung. Söder berichtet von einem Gespräch mit der Bundesnetzagentur, die im Krisenfall für die Rationierung von Gaslieferungen verantwortlich ist. In diesem Gespräch, so Söder, habe er klar gemacht, dass Bayern Sonderabschaltungen bestimmter Regionen, wie sie bereits diskutiert würden, keinesfalls akzeptieren werde. Vor allem kleinere Betriebe, so der Ministerpräsident, würden sich von solchen Abschaltungen wohl nie mehr erholen: "Das ist wie ein Schlaganfall für die Wirtschaft."

Mit Blick auf den Bund sagt Söder, er verstehe nicht, dass Italien es schaffe, seine Gasversorgung zu sichern, Deutschland aber nicht. Und natürlich erneuert er seine Forderung, die Kernkraftwerke weiter am Netz zu lassen - bekennt sich aber gleichzeitig zum schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien. "Warme Wohnung, bezahlbare Lebensmittel - und auch Bier. Und sichere Energieversorgung sind die Grundaufgaben", so Söder in Richtung von Bäcker Bauer und Brauer Inselkammer.

Rentner Günther Deger berichtet von echten Existenzproblemen

Wie sehr die Angst vor steigenden Preisen in die Gesellschaft hineinreicht und welche Auswirkungen die Inflation bereits hat, beschreibt Günther Deger. Seine Frau und er, sagt der Rentner, hätten mittlerweile echte Existenzsorgen wegen der steigenden Energiepreise. Sie hätten erst wieder eine Nebenkostenabrechnung mit einer hohen Nachforderung bekommen und weitere Preissteigerungen seien angekündigt. Die Konsequenz für das Ehepaar: Beide würden nur noch zwei Mal die Woche duschen und nur noch Lebensmittel im Sonderangebot einkaufen.

Unterstützung erhält das Paar vom Verein "Ein Herz für Rentner", dessen Gründerin Sandra Bisping in Sauerlach davon berichtet, dass den Verein jeden Tag "viele, viele neue Anträge" älterer Menschen auf Unterstützung erreichten. Söder sagt, es sei klar, dass es Unterstützung vom Staat geben müsse. Dass Rentner wie auch Studenten etwa bei den Hilfspaketen der Bundesregierung ausgenommen würden, bezeichnet er als "absurd". "Sollen die nichts essen und frieren?", so seine rhetorische Frage.

"Jetzt red i" in Sauerlach: Verfolgt die Diskussion schweigend: Sauerlachs Bürgermeisterin Barbara Bogner.

Verfolgt die Diskussion schweigend: Sauerlachs Bürgermeisterin Barbara Bogner.

(Foto: Claus Schunk)

Doch die Menschen in Sauerlach bewegen auch andere Themen. FDP-Kreisrätin Katharina Diem aus Kirchheim konfrontiert Söder mit der Kostenexplosion und den immensen Verzögerungen beim Bau der zweiten S-Bahn-Stammstrecke, über die der Ministerpräsident offenbar schon länger informiert gewesen war. Laut Diem ist in das Projekt schon so viel Geld "versenkt" worden, es jetzt abzubrechen, sei daher nicht sinnvoll. Das Desaster müsse aber genau analysiert werden. All diese Projekte, erwidert Söder, dauerten länger und würden "leider" auch mehr kosten. 2019 sei er informiert worden, dass die Bahn bei dem Projekt komplett umplanen wolle, zudem habe die Landeshauptstadt noch die U 9 integrieren wollen. Söder kritisiert aber auch die Deutsche Bahn, diese agiere teilweise wie ein Staat im Staat.

Dennoch bekennt sich der Ministerpräsident zur Stammstrecke. Diese sei vor allem für "die Anschließung des gesamten Umlandes" von enormer Bedeutung. Und da Söder schon beim Thema Verkehr ist, sagt er, er wolle weiter den Weg hin zu einem einheitlichen 365-Euro-Ticket gehen. Erst einmal sei aber abzuwarten, was die Bundesregierung als Nachfolgemodell des Neun-Euro-Tickets vorschlagen werde. Nach einer Stunde ist die Befragung vorbei - und es ist immer noch sehr heiß in Sauerlach.

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