Politik und Brauchtum:Einfach mal den Baum im Dorf lassen

Politik und Brauchtum: "Schade um den schönen Baum", heißt es in einem anonymen Protest gegen den Sauerlacher Maibaum. Die Junge Union sieht darin einen Angriff auf Brauchtum im Allgemeinen und den Burschenverein im Besonderen.

"Schade um den schönen Baum", heißt es in einem anonymen Protest gegen den Sauerlacher Maibaum. Die Junge Union sieht darin einen Angriff auf Brauchtum im Allgemeinen und den Burschenverein im Besonderen.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Die Junge Union wittert Klimaaktivisten hinter einer Aktion gegen den Sauerlacher Burschenverein. Der reagiert gelassen.

Von Martin Mühlfenzl, Sauerlach

Es braucht schon Einiges an Kraft, um einen 33 Meter hohen Baum im Wald umzulegen. Die Sauerlacher Burschen haben die Fichte für ihren diesjährigen Maibaum, den sie am 30. April am Postanger feierlich aufgestellt haben, selbst umgesägt und das auf dem Instagram-Account ihres Vereins auch mit ein paar Videos dokumentiert - wie auch die feuchtfröhlichen Veranstaltungen danach in der eigenen Wachhütte. Was dabei bisher unterging: An einem der Wachabende brachten bisher unbekannte Täter unbemerkt an der Tür einen Zettel an, auf dem sie den urbayerischsten Brauch in Zweifel zogen: "Schade um den schönen Baum", stand auf diesem unter anderem.

Der Gipfel: Der Zettel steckte in einer "Plastikhülle"

Das hat bis auf einen kleinen Kreis seither niemanden interessiert. Doch zwei Wochen nach dem Maibaumaufstellen ist die Aufregung plötzlich groß - nicht unbedingt unter den Burschen, aber beim CSU-Parteinachwuchs. Die Junge Union vermutet hinter der Aktion Klimaaktivisten. Die Botschaft stelle "ohne Not unsere wunderschönen bayerischen Gebräuche in Frage", klagen Jan Kämmerer, der Kreisvorsitzende der Jungen Union im Landkreis München, und JU-Pressesprecher Michael Harraeus aus Neubiberg in einer gemeinsamen Mitteilung vom Sonntag. "Nicht einmal mehr die friedlichen, schönen Bräuche wie das Maibaumaufstellen" seien vor dem "unqualifizierten Moralisieren scheinbarer Klimaaktivisten sicher". Was die beiden Jungpolitiker nicht vergessen, süffisant anzumerken: Der Zettel habe auch noch in einer "Plastikhülle" gesteckt.

Jetzt ist die aufgeregte Klima-Kleber-Debatte also auf gewisse Weise auch im beschaulichen Sauerlach angekommen, wo der Maibaum standhaft vor dem weiß-blauen Himmel allen Anfeindungen trotzt. Wer die Botschaft angebracht hat, wissen sie beim Burschenverein nicht, wohl aber, dass diese keineswegs am Baum hing, wie die Junge Union in ihrer Pressemitteilung behauptet, sondern an der Tür der Wachhütte. "Den Zettel hat einer anonym da hingehängt und der hing da nur kurz", sagt ein Mitglied des Burschenvereinsvorstands, der namentlich nicht genannt werden will.

Die nachträgliche Empörung kann er nicht nachvollziehen. Eigentlich, sagt er, sei ihm das Ganze "wurscht". Wenn einer persönlich gekommen wäre, um über das Thema Maibaum zu sprechen, "hätte man sich ja unterhalten können", sagt der Burschensprecher. "Aber mit dem Thema Bäume haben sich diejenigen, die den Zettel hingehängt haben, wohl nicht auseinandergesetzt. Es braucht halt auch Baumverjüngung im Wald, damit wieder was nachwachsen kann." Was die Burschen von der Politisierung des Zettels durch die JU halten? "Drum gebeten habe ich nicht", sagt das Vorstandsmitglied des Sauerlacher Vereins.

Trotz der demonstrativen Gelassenheit in Sauerlach nutzt die Junge Union den Vorfall, um ihn in Tilman Kuban'scher Manier auszuschlachten und sich als Retter des Brauchtums zu profilieren: "Wir stehen hinter allen Burschenvereinen und Maibaumaufstellern", lässt die JU in ihrer Pressemitteilung wissen. Die Aktion, so ihre Sprecher im Landkreis, erscheine umso zweifelhafter, wenn man bedenke, "dass Klimaaktivisten erst vor Kurzem einen Baum direkt vorm Bundeskanzleramt in Berlin gefällt haben". Da wolle die Junge Union nicht mitmachen, sagt JU-Kreischef Kämmerer: "Wir stellen uns hinter unsere Kultur und vor allem hinter unsere Vereine. Wir sagen Ja zum Klimaschutz, aber kräftig nein zur Miesmacherei."

Als Gegenbeispiel muss - natürlich - Berlin herhalten. Während dort am 1. Mai regelmäßig die Barrikaden brennen, "kommt man in Bayern zusammen, um ein friedliches und fröhliches Fest miteinander zu feiern".

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