Kreis und quer:Du, Frau Bürgermeisterin

Die Umgangsformen im Sauerlacher Rathaus sind andere als im Pullacher - und das ist gut so.

Kolumne von Martin Mühlfenzl

Das mit dem Duzen ist ja so eine Sache. Es schafft eine Nähe, die nicht jedem unbedingt behagt. Ein ehemaliger Chefredakteur dieser Zeitung hat unlängst sogar behauptet, er sei dazu übergegangen, sich selbst wieder zu siezen. Nahe Verwandte und sehr enge Freunde, so war herauszulesen, rede er aber weiter mit Du an. Na immerhin, der Mensch soll sich ja nicht vollständig von seiner Umwelt abkapseln, das ist nicht gesund. Andererseits schreibt der Knigge jedem Volljährigen das Recht auf das Sie zu und das sollte dann schon auch für Ex-Vorgesetzte im Selbstgespräch gelten.

Ob sich Sauerlachs Bürgermeisterin Barbara Bogner selbst siezt, ist bisher nicht bekannt, die Mitglieder ihres Gemeinderats duzt die Rathauschefin jedenfalls, wie auch sie von diesen geduzt wird, wie diese Woche wieder zu erleben war. "Ja was machst'n du grad!?", rief sie unlängst dem CSU-Mann Roman Richter mit weit ausgebreiteten Armen zu; Richter hatte sich erlaubt, die Bauverwaltung im Rathaus ein wenig zu kritisieren - und Bogner wollte das nicht auf ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sitzen lassen. Richters Retourkutsche an die Rathauschefin: "Wär' gut, wenn du eher mal als Vermittlerin zwischen Verwaltung und Gemeinderat auftreten würdest."

Im Berufsleben ist es ja meist so, dass der Ranghöhere oder Ältere dem Untergebenen oder Jüngeren das Du anbietet. Häufig ist es noch immer so, dass es umgekehrt als unhöflich empfunden werden kann. Wenn einem allerdings - wie es in manchen Konzernen mittlerweile der Unternehmenskultur geschuldet ist - aus der Chefetage das Duzen gewissermaßen aufgezwungen wird, kommt das auch nicht bei allen gut an. Es gaukelt eine Verbundenheit, eine lockere und moderne Atmosphäre vor, die kaum gegeben ist.

Da kommt das Sauerlacher Modell deutlich sympathischer rüber. Auf dem Land existiert die Nähe tatsächlich: Man kennt sich, man schätzt sich - und auch im Streit wird das Du nicht zur Waffe in der verbalen Auseinandersetzung. Es wirkt sympathisch, wenn sich selbst die Rathausangestellten und Gemeinderäte untereinander so unförmlich ansprechen. Generell übertragbar aber ist dieses Beispiel nicht. In Pullach oder Ottobrunn etwa wäre das Sauerlacher Modell unvorstellbar. Vor allem in der Isartalgemeinde bestünde die Gefahr, dass manch einer zu viel Dampf ablassen würde. Hier wird aufgrund der tiefen Gräben zwischen den Parteien auch so schon heftig genug miteinander gestritten. Das förmliche Sie sorgt dabei nicht unbedingt für Contenance.

Das zeigte sich schon 1984 im Bundestag, als der damals noch junge Grüne Joschka Fischer vom Bundestagsvizepräsidenten Richard Stücklen (CSU) aus dem Plenarsaal geworfen wurde. Im Rausgehen rief er dem Sitzungsleiter noch zu: "Mit Verlaub Herr, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch!" In Sauerlach wäre solches undenkbar.

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