Sagen und Mythen: SZ-Serie, Folge 6:Böser Ritter, weise Frau

Zwischen Baierbrunn und Schäftlarn gab es einst eine riesige Burg. Von ihr erzählt die Sage vom Birgweiblein

Von Anja Brandstäter, Schäftlarn/Baierbrunn

Am Ufer hoch über der Isar, zwischen Schäftlarn und Baierbrunn, stand einst eine Burg, von der heute kaum noch etwas zu sehen ist. Die riesige Befestigungsanlage gehörte zu den größten Ungarn-Schutzburgen im weiteren Umfeld des Lechfeldes. Ein paar Wälle sind im Wald verborgen, und eine Sage gibt es: Sie erzählt von einem Weiblein, das Wanderer anspricht, nach dem Weg fragt und sich dann auf ihrem Rücken festkrallt.

Ganz am Ende der Forststraße in Hohenschäftlarn befreit Altbürgermeister Erich Rühmer ein großes Schild von herabgefallenen Blättern. Das Schild ist vor kurzem übersprayt worden, doch die Gemeinde Baierbrunn habe es innerhalb kürzester Zeit gesäubert und wieder angebracht, erzählt er. Denn der Gemeinde sei es wichtig, Erholungsuchenden zu vermitteln, dass sie sich auf historischen Boden bewegen. Der Boden gehört Rühmer zufolge historisch zu Schäftlarn, seit dem frühen 19. Jahrhundert jedoch zu Baierbrunn.

Die Kelten besiedelten das Land, zwei Hügelgräber und der Fund eines Stab-Gürtelhakens bezeugen dies. Die Römer bauten nicht weit entfernt eine Fernhandelsstraße und die Bevölkerung musste sich immer wieder gegen Eindringlinge wehren. Sie bauten am Steilufer der Isar eine Burg, die "Birg" genannt wird. "In den Ungarneinfällen nach 900 dürften sich die Mönche des Klosters Schäftlarn samt der bäuerlichen Bevölkerung hinter den Wällen der Birg verschanzt haben", ist auf dem Schild zu lesen. Der Text stammt von Emil Stöckl, der sich in seiner Chronik über Schäftlarn intensiv mit der Birg beschäftigt hat.

Am Schild beginnt ein Naherholungsgebiet. Es gibt einen Parkplatz und Schilder des Isartalvereins, dessen Vorsitzender Rühmer ist. Sie weisen Wanderern den Weg durch den lichten Buchenwald. Rechts geht es zum Kloster Schäftlarn. Links fällt der Weg steil ab und führt nach München. Kinder führen ihren Hund aus, Mountainbike-Spuren sind überall zu sehen, Vogelgezwitscher ist zu hören.

Erich Rühmer folgt dem Weg, der mit "Birg" beschildert ist. Schon nach wenigen Metern ist ein riesiger Wall zu sehen. "Man erkennt die verschiedenen vorgelagerten Hindernisse, um den Angreifer abzuhalten", erklärt er. Besonders anspruchsvoll war es, dem Ansturm der Ungarn zu trotzen, denn sie waren beritten und feuerten Speerhagel auf ihre Feinde. Aus diesem Grund baute man ein zweifach gestaffeltes Wallsystem, dem Reiterannäherungshindernisse vorgelagert wurden. Die wilden Reiter sollten zum Absteigen gezwungen werden.

Natürlich kennt Erich Rühmer die Sage vom Birgweiberl, die allerdings aus einer späteren Zeit stammt. Die alte Frau spielt darin zunächst eine hilfreiche Rolle, indem sie den geplagten Dorfleuten erklärt, wie sie den tyrannischen Ritter auf der Burg loswerden können: "Die Sage ist so interessant, weil wir erfahren, dass die Burg nicht zu stürmen war." Das liegt an der natürlichen Topografie, in der die Burg in Dreiecksform angelegt wurde. "Sie hat zwei natürliche Begrenzungen: Zum einen das Isarhochufer, zum anderen den steil abfallende Steingraben" erklärt Rühmer. Nur im Südwesten bedurfte es einer Befestigung. Die Ausmaße der Birg waren riesig, zehn Hektar fasste die Gesamtfläche. Man muss sich das Gelände ohne Bäume vorstellen. Und man muss sich vorstellen, dass wahrscheinlich einfache Holz- oder Lehmfachwerkbauten dort gestanden haben. Am Hochufer steht heute eine Bank, die der Isartalverein gestiftet hat. Von hier schweift der Blick weit über das Tal. Das Ufer stürzt hier etwa hundert Meter in die Tiefe. Von unten hinaufzukommen, ist fast unmöglich. In der Sage heißt es, die Burg habe der Ritter Sachsenhäuser bewohnt, der von oben auf die vorbeifahrenden Flößer schoss. Die Flöße waren oft mit Kostbarkeiten beladen. Kein Wunder, dass die Bevölkerung den Bösewicht loshaben wollte. Das gelang durch den Rat des Birgweibleins, den Burgherren das Wasser abzugraben. "Das ist ein wertvoller Hinweis auf die zahlreichen frischen Quellen, die es tatsächlich in der Gegend gibt", sagt Rühmer.

Ein rettender Ratschlag

Einst stand bei Baierbrunn eine Burg, die sogenannte Birg. Darin wohnte der Ritter Sachsenhäuser, ein Tyrann, der von der Burg herunter auf die Flößer schoss. Das erzürnte die Bevölkerung. Sie versuchten die Birg zu stürmen, was ihnen aber nicht gelang. So belagerten sie diese, bis eines Tages eine alte Frau aus Baierbrunn des Weges kam, die Holz für das Sonnwendfeuer sammelte. Sie gab den Belagerern folgenden Rat: "Nehmt ein Ross und gebt ihm drei Tage lang kein Wasser, dann wird es die Quelle finden." Die Belagerer taten, was die Alte ihnen aufgetragen hatte. Das durstige Pferd scharrte an einer Stelle. Dort fingen sie zu graben an und fanden die Quelle, die zur Birg führte. Sie gruben die Wasserzufuhr ab, so dass sich der Ritter bald ergeben musste. Der besiegte Sachsenhäuser zog sich ins Kloster Schäftlarn zurück. Die Alte, das Birgweiblein, erscheint der Sage nach Wanderern bis heute. Sie geht gebückt an einem Stock, hat einen Strohhut auf und einen Korb voll Holz auf dem Rücken. Geht sie von der Birg weg und begegnet ihr jemand, so fragt sie nach dem Weg nach Baierbrunn, geht sie aber in Richtung Birg, fragt sie nach dem Weg nach Schäftlarn. Doch die Wanderer sollten vorsichtig sein. Denn die Alte versucht, ihnen auf den Rücken zu springen. Dann bleibt einem nichts anderes übrig, als sie eine Weile huckepack zu tragen. Sie kommt nie ganz nach Baierbrunn und nie ganz nach Schäftlarn. Denn sie ist in die Grenzen der Birg gebannt. anjb

Er bedauert, dass die meisten Menschen nichts von der Geschichte wissen, obwohl die Sage von der Birg in jeder Baierbrunner Chronik stehe. "Einheimische und Ausflügler laufen durch den Wald und fragen sich, warum das Gelände so uneben ist und was der fünf Meter hohe Hügel zu bedeuten hat." Und ahnen nicht, dass sie die Reste der uralten Burg vor sich haben

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