Süddeutsche Zeitung

Saatkrähen:Vögel sollen den Abflug machen

In jüngster Zeit häufen sich die Beschwerden über Saatkrähen. Nach Taufkirchen erwägt nun auch Unterhaching den Einsatz eines Falkners. Doch der könnten die geschützten Tiere auch vom Friedhof ins Wohngebiet treiben.

Von Iris Hilberth, Unterhaching

Wer es mit Saatkrähen aufnehmen will, der muss sich schon besonders geschickt anstellen. Wie alle Rabenvögel gelten sie als hochintelligent und lassen sich so einfach nicht austricksen - und schon gar nicht vertreiben. In vielen Gemeinden wie auch in Unterhaching, in Taufkirchen und Ottobrunn können Anwohner und Rathausverwaltung ein Lied davon singen, wie hartnäckig diese Vögel an ihren angestammten Standorten festhalten und sich bei massiven Störungen allerhöchstens ein paar hundert Meter weiter niederlassen. Im für die Menschen ungünstigsten Fall teilen sie sich sogar gleich in mehrere Kolonien auf.

Diese Problematik hat man längst auch im Unterhachinger Rathaus erkannt und daher nach einem ersten, erfolglosen Vergrämungsversuch von Saatkrähen vor fünf Jahren auf dem Friedhof keine weitere Aktion unternommen. Nun hat der Groll einiger Bürger auf die schwarzen Vögel zugenommen: "Die Toleranz sinkt massiv", berichtete Stefan Lauszat, in dessen Abteilung für Bauen und Umwelt im Rathaus die erbosten Anrufe der Friedhofsbesucher landen. Verschmutzte Gräber und ständiger Lärm durch Krächzen sind die Gründe der Beschwerden. Da nutzt es auch nichts, die Bürger damit zu beschwichtigen, dass es sich bei der Saatkrähe um einen Singvogel handelt, der noch dazu geschützt ist.

Die Gemeinde Unterhaching denkt nun also mal wieder darüber nach, die Krähen dazu zu bewegen, den Abflug zu machen. Man könnte etwa überprüfen lassen, ob die Saatkrähe von der Liste der bedrohten Arten für den Bereich Unterhaching, Taufkirchen und Ottobrunn herausgenommen werden könnte, so eine Überlegung im Rathaus. Auch eine Beschallung oder der Einsatz eines Falkners werden erwogen. Letzteren hat die Regierung von Oberbayern in diesem Jahr in Puchheim und Gernlinden erstmals genehmigt.

Auch ist man sich im Rathaus noch nicht so sicher, ob man das überhaupt will. "Es gibt Für und Wider", sagte Lauszat, "wir können es entweder den Tieren oder den Menschen recht machen." Auch im Bau- und Umweltausschuss gehen die Meinungen auseinander. Während die CSU in der Sitzung am Dienstag dafür plädierte, "alle Maßnahmen zu ergreifen", warnten die Grünen davor, dass die Krähen bei einer Vergrämung am Friedhof in die Wohngebiete abwandern, wo die Leute dann um fünf Uhr von dem Krächzen aufwachen - wie etwa an der Waldstraße in Taufkirchen. Noch hat man in Unterhaching keine Maßnahmen gegen die schlauen Vögel beschlossen. Erst will man sich bei der Gemeinderatssitzung kommende Woche von einem Experten von der Regierung von Oberbayern beraten lassen. So lange bietet man an, die Grabsteine zu reinigen.

In Taufkirchen hingegen will man nach diversen gescheiterten Versuchen, die Nester direkt vor den Gewofag-Hochhäusern weiter nach Westen zu versetzen, nun einen Greifvogel einsetzen. Laut Vanessa Müller, die mit ihrer Falknerei Garuda nahe Böblingen einen solchen Service anbietet, ist es aber nicht mit einem Einsatz getan. Bei jedem Flug reiße der Falke oder Bussard ein bis zwei Krähen. Mitunter könne es Monate dauern, bis die Krähenkolonie darauf reagiere. Zwischen 2000 und 20 000 Euro müssten Gemeinden in eine solche Aktion investieren.

Die Zahl der Tiere hat sich nicht erhöht

Auch wenn der Eindruck vielleicht ein anderer ist: Laut Zählungen der Gemeinde Unterhaching hat die Population der Krähen am Friedhof nicht stark zugenommen. Auch die Annahme, es gebe jetzt schon so viele Saatkrähen, dass man sie nicht mehr schützen müsse, ist ein Irrglaube. Nach Angaben des Landesbundes für Vogelschutz in Bayern (LBV) gab es im vergangenen Jahr 11 000 Brutpaare in Bayern. Damit ist der Bestand, der in den Fünfzigerjahren auf 600 zurückgegangen war, zwar wieder angestiegen, zum Abschuss freigeben - wie von manchen gefordert - will sie aber niemand.

"Dadurch, dass sie in teilweise sehr großen Kolonien leben und gehäuft auftreten, täuscht der Eindruck, es gebe zu viele", sagt Matthias Luy vom LBV. Weite Teile Bayerns seien völlig saatkrähenfrei. Vergrämungen könnten daher nur in ganz gravierenden Fällen und nur in Randbereichen der Kolonien erlaubt werden. In der Unterhachinger Fasanenstraße wurde sie abgelehnt. Kein Handlungsbedarf, befand die Regierung, neben dem Verkehrslärm spielten die Geräusche der Vögel eine untergeordnete Rolle.

Auch das Bayerische Landesamt für Umwelt schreibt in seinem Konzept zum Umgang mit Saatkrähen, dass es "in manchen Fällen besser sei, drei bis vier Monate Beeinträchtigung durch Lärm und Verschmutzung zu tolerieren, als sich der Gefahr auszusetzen, das Problem durch Vergrämung auf weitere Orte zu verteilen".

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SZ vom 14.06.2018/wkr
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