Süddeutsche Zeitung

Öffentlicher Nahverkehr:Die Störung gehört zum Alltag

Zugausfälle, Verspätungen und keine Informationen: Der S-Bahnbetrieb bleibt trotz Beteuerungen der Deutschen Bahn auf stark befahrenen Trassen instabil. Service-Apps helfen nicht immer weiter.

Von Andreas Teodoru, Oberschleißheim

Bauarbeiten auf der Stammstrecke, Signalstörungen und zwischendurch ein Polizeieinsatz: S-Bahnkunden sind es gewohnt, dass Züge sich verspäten oder auch ausfallen. Der 26-jährige Student Daniel Weiss, der täglich von Oberschleißheim nach München pendelt, ist ein geduldiger Bahnkunde, der wie zahlreiche andere viel Zeit wartend auf Bahnsteigen verbringt. Doch in jüngster Zeit hat er eine Häufung von Betriebsstörungen erlebt, die er nicht einfach nur stillschweigend hinnehmen möchte. Züge fielen auf der Strecke der S 1 aus. Und nicht immer wurde aufgeklärt, was die Ursache ist.

"Ich bin normalerweise kein Mensch, der sich über Verspätungen beschwert", sagt Weiss. Doch in den vergangenen zwei Monaten sei es zu einer enormen Steigerung gekommen. "Es ist mir allein vergangene Woche zwei Mal passiert, dass ich dastand und es gab keine Infos und keine Durchsage", sagt der 26-Jährige. Obwohl er die Abfahrtszeiten extra noch einmal zu Hause prüfe, bevor er sich zum Bahnsteig aufmache, sei er unvorbereitet in die Situation geraten. "Zehn bis 15 Minuten Verspätung sind leider die Regel geworden." Vor einer Woche habe es einen ziemlich schlecht organisierten Schienenersatzverkehr gegeben. Immer wieder komme es zu Schwierigkeiten wegen Bahnübergängen im Bereich Oberschleißheim und Feldmoching. "Vergangenen Donnerstag hatte die S-Bahn deswegen 40 Minuten Verspätung und heute wieder." Da die S-Bahn München auf seine Anfragen, was die Ursache für die Betriebsstörungen angeht, nicht reagiert, dokumentiert er nun seit kurzem die Ärgernisse auf der Linie der S 1 selbst.

Die S 1 von München nach Freising und zum Flughafen ist bekanntlich unzuverlässig. Laut einem Bahnsprecher gibt es auf der Strecke allerdings ein gleichbleibendes Niveau an Ausfällen: "Eine auffällige Zunahme von Störungen ist nicht zu verzeichnen. Die Ursachen sind unterschiedlicher Natur." Tatsächlich soll es vergangene Woche Bahnübergangs- und Signalstörungen gegeben haben, einen Polizeieinsatz und eine Plane in der Oberleitung bei Lohhof. Das fällt Fahrgästen auf und führt besonders bei dieser Strecke oft zu einer Art Dominoeffekt: "Die S 1 wird mit Regional- und Güterverkehr dicht befahren. Eine Verspätung oder Störung setzt sich somit schnell auf die anderen Züge fort", heißt es von der Bahn. Zu den meisten dokumentierten Störungen zwischen 2018 und 2020 gehören im gesamten S-Bahnnetz Probleme mit der Infrastruktur wie mit der Leitungs- und Sicherungstechnik und mit der Sicherung der Bahnübergänge. Auch Bauarbeiten und Stürme sind in der Statistik aufgeführt sowie "Fremdeinwirkung" oder "behördliche Anordnung". Auf vieles hat die Bahn keinen Einfluss.

Grundsätzlich wird empfohlen, das App-Angebot zu nutzen, um in Echtzeit über Fahrplanänderungen informiert zu werden oder Alternativen zu finden. Dazu gehören der DB-Navigator, der München-Navigator und auch die MVV-App. Eigentlich sollte das die Planlosigkeit am Bahnhof vermeiden helfen. Doch auch die Apps sind nicht immer so exakt, wie man es sich wünscht. So kann es passieren, dass einen die elektronische Hilfe von Ottobrunn zum Rosenheimer Platz schickt, um dort die S 8 zum Flughafen zu nehmen, statt einfach am Ostbahnhof auszusteigen, wo die S 8 bereits wartet. Die derzeit laufenden Arbeiten auf der Stammstrecke und die damit verbundenen Fahrplanänderungen wurden bereits am 26. Februar veröffentlicht, zusammen mit den Sonderfahrplänen, und auch die Anzeigetafeln informieren. Das heißt, eigentlich gibt es einen festgelegten Fahrplan, nach dem man sich richten kann. Doch dazu kommt nicht Planbares: "Störungen kommen immer unerwartet", sagt ein Bahnsprecher. "Deshalb lässt sich nicht pauschal vorhersagen, wo oder wann diese auftreten werden, das ist von Tag zu Tag unterschiedlich. Keine Frage: Jede Störung ist eine zu viel. Wenn diese auftreten, setzen wir alles daran, sie schnellstmöglich zu beheben."

2019 lag der Pünktlichkeitswert bei 93,1 Prozent. Jede zehnte S-Bahn hatte eine Verspätung von sechs oder mehr Minuten. Die Zahl der Fahrgäste ging in der Corona-Krise zurück, die Zuverlässigkeit erhöhte sich. 2020 ist die Pünktlichkeit im S-Bahnnetz auf 95 Prozent geklettert - und statistisch auch die Kundenzufriedenheit gestiegen. Daniel Weiss aus Oberschleißheim kann das nicht bestätigen.

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SZ vom 23.03.2021/hilb
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