Rusalka-Premiere an der Staatsoper:Skandal ums Gummi-Reh

Vielleicht war das Reh schuld: Nach der "Rusalka"-Premiere gibt es Jubel - und Buh-Rufe für Regisseur Kušej. Doch endlich hat München wieder eine Operninszenierung, über die sich zu sprechen lohnt.

Egbert Tholl

Renée Fleming sprach das aus, was wohl viele dachten. Sinngemäß meinte sie, sie würde es nicht wagen, aber es sei wundervoll. Ihr kann man glauben: Denkt man an Dvoraks "Rusalka", an die Titelpartie dieser Oper, dann denkt man an diese Sopranistin, die Rusalka schlechthin, die während der Premiere neben Staatsopernintendant Nikolaus Bachler in dessen Loge saß.

Rusalka-Premiere an der Staatsoper: Für die "Rusalka" an der Staatsoper gab es vom Premierenpublikum Buhs - und Jubel.

Für die "Rusalka" an der Staatsoper gab es vom Premierenpublikum Buhs - und Jubel.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

München hat mit der "Rusalka" eine neue Operninszenierung, über die zu sprechen sich lohnt, weil die Meinungen darüber sehr auseinandergehen. Vor dem Nationaltheater steht ein effektvoll angeleuchteter BMW, drinnen geht's beim Schlussapplaus deutlich weniger kultiviert zu. Zum Teil ist das die übliche Münchner Opernfolklore: Die Sänger werden bejubelt, der Dirigent auch, dann kommt der Regisseur - und ein Buh-Sturm bricht los. Der ist in seiner Heftigkeit wirklich erstaunlich. Und der Regisseur Martin Kušej tritt zwei, drei Meter nach vorne, hebt beide Arme, um alle Buhs auf sich niederprasseln zu lassen, als wolle er sagen: Nur her damit, brüllt doch alle. Aber ich habe Recht.

Vielleicht war das Reh schuld. Kušej wollte, was eine Boulevard-Zeitung im Vorfeld der Premiere genüsslich ausgebreitet hatte, ein totes, aber echtes Reh auf der Bühne enthäuten lassen. Nun kann man auf einer Opernbühne die Darsteller traktieren, wie man will: Sobald man sich an einem Tier vergreift, hört für viele der Spaß auf. Da aber in der Inszenierung noch etwa 50 gehäutete Plastikrehe mitspielen, war auch noch eines für diese Szene übrig. Das Enthäuten schaut nun so aus, als zöge man einem Steiff- Tier einen zu engen Schlafanzug aus.

Bei der Premierenfeier in der dampfenden Kantine kursieren dann Reh-Rezepte - Butter, Estragon und Orangen für einen leckeren Rehrücken - und Bekundungen der Enttäuschung darüber, dass das Gummi-Viech die Wirkung der Szene doch arg geschmälert habe. Das sagen die Besucher, nicht die Opernleute.

Überhaupt sind - bei der Feier - alle begeistert. Von der Hauptdarstellerin Kristine Opolais und deren beeindruckenden schauspielerischen Fähigkeiten ebenso wie von der ganzen Inszenierung. Kirsten Harms, Intendantin der Deutschen Oper Berlin, findet den Abend richtig gut, Albert Ostermaier findet ihn sensationell, Ioan Holender, bis vor kurzem noch Intendant der Wiener Staatsoper, findet keinen Weg in die überfüllte Kantine und schaut deswegen indigniert.

Wer buhte also? Märchenliebhaber, denen Kušej das sanfte Einschlafen geraubt hatte? Abonnenten des Staatsschauspiels, die ihr Missfallen äußern wollten, dass Kušej 2011 dort Intendant wird? Tierschützer? Es ist egal. Die Staatsoper lebt, und die "Rusalka" ist für Monate ausverkauft.

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