Süddeutsche Zeitung

Ruhe per Verordnung?:Lärmen und lärmen lassen

Die Gemeinde Unterhaching will die Verordnung verschärfen, die fürs Musizieren und laute Arbeiten feste Zeiten vorschreibt. Viele andere Gemeinden dagegen kommen ganz ohne solche Regeln aus.

Von Michael Morosow, Unterhaching

Lärm kann krank machen, sowohl körperlich als auch seelisch. Entsprechend groß ist das Konfliktpotenzial von Krach und Ruhestörung; die erbittertsten Nachbarschaftskriege können ausbrechen, wenn der eine mittags ruhen will, der andere aber seinen Rasenmäher anwirft oder die Zeit für aufgeschobene Bohrarbeiten gekommen sieht. Doch auch nächtliche Partys mit Discobeschallung und Lärmbelästigung durch Hundegebell rund um die Uhr können zu Auseinandersetzungen führen, und nicht selten wird die Polizei gerufen.

Was erlaubt und was verboten ist, regelt im Grundsatz die bundesweite Lärmschutzverordnung, nicht wenige Städte und Gemeinden haben sich jedoch eigene Verordnungen gegeben, etwa um örtliche Gebräuche den bundesweiten Vorschriften anzupassen. Darunter die Gemeinde Unterhaching, die in ihrer Sitzung an diesem Mittwoch ihre vor 20 Jahren beschlossene Hausarbeits- und Musiklärmverordnung durch eine modifizierte Version ablösen will. "Sie wurde an die neue Zeit angepasst, modifiziert und verschärft", sagt Rathaussprecher Simon Hötzl. So etwa ist darin nicht mehr vom Teppichklopfen die Rede. Dafür ist Paragraf 1 (Haus-und Gartenarbeiten" strenger gefasst und um neue ruhestörende Geräte wie zum Beispiel Laubbläser erweitert worden.

Andere Kommunen setzen auf Rücksichtnahme

Andere Kommunen wie die Gemeinden Pullach und Sauerlach verzichten bislang auf eine eigene Lärmschutzverordnung, setzen lieber auf die nachbarschaftliche Rücksichtnahme - und fahren damit offenbar recht gut. "Wir haben nicht das Gefühl, dass wir eine Verordnung brauchen", sagt denn auch Sauerlachs parteifreie Bürgermeisterin Barbara Bogner, obwohl auch in ihrer Gemeinde hin und wieder ein Streit vom Zaun gebrochen wird, weil etwa beim Rasenmähen Ruhezeiten nicht eingehalten werden. "Aber Gott sei Dank geht man bei uns zum Nachbarn rüber und sagt: Muss das jetzt sein."

Und wenn sich ein Bürger bei ihr über Ruhestörung durch den Nachbarn beschwert, dann frage sie stets zuerst: "Hast schon einmal bei ihm geklingelt?" Statt auf Paragrafen setzt die Gemeinde auf die Einsicht ihrer Bürger, und so liest man auf der Homepage der Gemeinde: "Eine Einhaltung der Mittagsruhe ist nicht vorgeschrieben, jedoch empfehlen wir aus Rücksicht auf die Nachbarschaft in der Zeit von 12 Uhr bis 14 Uhr keine lauten Gartenarbeiten durchzuführen. Die Ruhezeiten können Kommunen nach eigenem Gutdünken festlegen. In der Stadt Unterschleißheim etwa dürfen ruhestörende Haus-und Gartenarbeiten in der Zeit zwischen 7 und 12 Uhr und 14 bis 18 Uhr erledigt werden, in Unterhaching nur von 8 bis 12 Uhr und 14 bis 19 Uhr.

"Nicht gleich die Polizei rufen"

Auch die Gemeinde Pullach kommt bislang ohne eigene Lärmschutzverordnung klar. "Auch bei uns gibt es rücksichtslose Leute, und es kommt immer wieder mal zu Beschwerden", sagt Ralf Baasch, Leiter des Umweltamtes. Aber die Vorfälle hielten sich sehr im Rahmen, sodass er sich nicht mehr erinnern könne, wann er das letzte Mal ein Bußgeld erhoben habe. Dass das persönliche Gespräch zumeist eine größere Wirkung erzielt als ein Regelwerk, kann auch Steven Alrepp, Leiter des Ordnungsamtes Unterschleißheim, bestätigen. Wenn zum Beispiel Jugendliche nachts auf Sitzbänken sich laut vergnügen: "Hingehen und darauf aufmerksam machen, und nicht gleich die Polizei rufen."

Dieser Ratschlag dürfte ganz im Sinne der Polizei sein. Viele Einsätze wegen nächtlicher Ruhestörung verliefen im Sande, sagt Stefan Schraut, Leiter der Polizeiinspektion Unterhaching. Nach seiner Darstellung rufen oftmals Bürger die Polizei, beschweren sich über Ruhestörung durch den Nachbarn oder durch grölende Jugendliche, möchten auch Anzeige erstatten, wollen aber anonym bleiben. Und wenn seine Beamten den Anzeigeerstatter fragten, ober denn schon einmal mit dem Nachbarn gesprochen habe, erhielten sie meist zur Antwort: "Mit dem red i koa Wort."

"Leben und leben lassen" ist für Schraut die beste Devise beim Lärm, so sich dieser einigermaßen im Rahmen hält. Und dass der Landkreis München bezüglich Lärmbelästigung eher auf leisen Sohlen daher kommt, das kann Christine Spiegel, Sprecherin des Landratsamtes München, bestätigen: "Wir werden ganz, ganz selten damit konfrontiert, mehr haben wir mit Beschwerden über Lärm zu tun, der von gewerblichen Betrieben ausgeht."

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SZ vom 13.07.2016/hilb
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