Artenschutz:"Traue keinem Ort, an dem kein Unkraut wächst"

Löwenzahn, Taraxacum sect. Ruderalia, hat eine Asphaltdecke durchbrochen *** Dandelion, Taraxacum sect Ruderalia, has br

Findet immer einen Weg und sei es auch noch so schwer: der Löwenzahn.

(Foto: imago images/Christian Ohde)

Sie schaffen Vielfalt, sind anpassungsfähig und bieten Insekten und Menschen Nahrung: Eine Ausstellung im Unterhachinger Rathaus zeigt, wie wertvoll Löwenzahn, Giersch und Co. sind.

Von Iris Hilberth, Unterhaching

Als Stefan König gerade nach Unterhaching gezogen war, hörte er sich im Pfarrsaal von St. Alto einen Vortrag des Dokumentarfilmers Dieter Wieland an. Es ging um Landschaft und Gärten und darum, wie schlecht es aus ökologischer Sicht darum bestellt ist. "Grün kaputt", so lautete das Stichwort dieser kritische Betrachtung der Gartengestaltung. Das war 1984 und ökologische Themen waren noch nicht so präsent wie heute. "Das Grün der Vorgärten war trostlos", erinnert sich König, inzwischen Vorsitzender der Unterhachinger Ortsgruppe im Bund Naturschutz. Und heute? "40 Jahre später ist es eher schlimmer geworden", sagt König.

Wenn er sich so umschaue in den Unterhachinger Vorgärten, dann müsse er feststellen, dass es den Leute insbesondere um eines gehe: Er muss pflegeleicht sein. Es wird alles dafür getan, dass da nichts wächst, was man nicht selbst hingepflanzt hat, mitunter pflanzen die Leute auch gar nichts mehr, sondern schütten nur einen Haufen Schotter vor ihr Haus.

König findet aber: "Traue keinem Ort, an dem kein Unkraut wächst, man sollte Wildpflanzen ihren Platz lassen." Nichts tun sei manchmal das Beste. Denn "wilde Ecken" seien wichtige, ökologisch wertvolle Orte, in unserer meist auf jedem Quadratmeter genutzten Landschaft würden die Lebensräume für Wildpflanzen immer kleiner.

Daher will der Bund Naturschutz mit einer Ausstellung im Foyer des Unterhachinger Rathauses auf "Ruderalpflanzen" aufmerksam machen. Diese Gewächse gelten als besonders anpassungsfähig, weil es ihnen gelingt, sich an den vom Menschen geschaffenen, aber nicht genutzten Standorten, den sogenannte Ruderalstellen anzusiedeln. Die Bezeichnung leitet sich vom lateinischen Wort "Rudus" ab und heißt so viel wie Schutt und Mörtel.

Es geht um Pflanzen, die von alleine an Straßen- und Wegrändern, Mauern und Zäunen, offenen Böden, Schuttplätzen oder Brachflächen wachsen. Dazu haben sie Überlebensstrategien wie große Samenmengen sowie ober- oder unterirdische Ausläufer entwickelte. Sie trotzen dem Klimawandel, wachsen auf verdichteten und belasteten Böden.

"Das sind wahre Überlebenskünstler und Multitalente."

König schwärmt: "Das sind wahre Überlebenskünstler und Multitalente. Ruderalpflanzen sind kein Unkraut." Er will mit der Ausstellung dafür werben, dass diese Pflanzen - sei es nun der Löwenzahn, der Gundermann oder das Schöllkraut, der Giersch oder das zottige Franzosenkraut - unsere Toleranz verdienen, "wir müssen sie aushalten", findet er.

Wenn man sich einmal näher mit diesen Pflanzen beschäftigt - und dazu möchte die Ausstellung, die sich auch an Schulklassen richtet, anregen - kann man feststellen, dass Wegwarte, Wiesenklee und Co. mitunter nicht nur schöner als monotoner Rasen anzuschauen, sondern auch gut für Mensch und Tier sind.

Pflanzen im Siedlungsbereich binden Staub und schützen offene Böden vor Austrocknung und Erosion. Die trocken-warmen Ruderalflächen mit ihrer Pflanzenvielfalt sind außerdem ein Paradies für insektenfressende Tierarten wie Spinnen, Fledermäuse, Spitzmäuse, Eidechsen oder viele Vögel.

Die Gemeinde Unterhaching, sagt König, habe in den vergangenen Jahren schon einiges dafür getan, dass Ruderalpflanzen ihr Plätzchen haben. Flächen werden seltener gemäht, es gibt auf der Stumpfwiese die "Grüne Mitte" und es gibt den Landschaftspark Hachinger Tal. König hofft, dass auch mehr Privatleute in ihren Gärten diesen wilden Pflanzen größeres Wohlwollen entgegen bringen.

Daher macht die Ausstellung auch auf die Nützlichkeit dieser Pflanzen für Küche, Apotheke oder gar als Zauberkraut und Wunderblume aufmerksam. "Aus dem Giersch lässt sich Salat machen, den Gundermann kann man zum Würzen wie ander Kräuter auch nutzen", weiß König. Als Kaffee-Ersatz gilt die gewöhnliche Wegwarte und zum Geschirrspülen lässt sich der Ackerschachtelhalm verwenden. Früher hofften die Menschen, dass Eisenkraut und Brennnessel Liebesgefühle erwecken.

Wie nützlich wilde Pflanzen im Garten sind, hat der Unterhachinger Klaus-Peter Schubert selbst festgestellt. Bei der Ausstellungseröffnung erzählte er begeistert vom Duftsteinrich, einem Kraut, das sich ganz von alleine in seinem Garten angesiedelt und Schlupfwespen angelockt habe. Die wiederum sorgten dafür, dass fortan keine Raupen mehr an seinem Kohl säßen.

Die Ausstellung "Wilde Pflanzen vor der Tür" kann noch bis zum 26. November zu den Öffnungszeiten des Rathauses besucht werden.

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