"Rettet die Bienen":Der Landkreis summt

"Rettet die Bienen": Ein Festmahl für Bienen und andere Insekten.

Ein Festmahl für Bienen und andere Insekten.

(Foto: Nadja Jacke/Mauritius Images)

Seit dem Volksbegehren bemühen sich zahlreiche Gemeinden darum, Lebensräume für die Insekten zu schaffen. Die einen geben kostenloses Saatgut aus, in anderen werden Blühpatenschaften verkauft

Von Anna Majid und Valérie Nowak, Ismaning

Seit dem erfolgreichen Volksbegehren "Rettet die Bienen", für das mehr als 1,7 Millionen Menschen in Bayern unterschrieben haben, ist klar: Die Menschen wollen etwas gegen das Insektensterben tun. Das Begehren forderte unter anderem, dass es mehr Blühwiesen, Biolandwirtschaft und weniger Pestizide geben soll. Von kostenlosem Saatgut bis zu sogenannten Blühpatenschaften tut sich gerade einiges: Doch welche Aktionen wirklich hilfreich sind, um dauerhaft einen Lebensraum und Nahrungsquelle für Insekten zu schaffen, darüber streiten Experten und Verbände.

Bereits seit 27 Jahren legt die Gemeinde Ismaning sogenannte Blühstreifen an, die außer einmal Mähen im Frühjahr der Natur überlassen werden. Vergangenes Jahr wurden in Kooperation mit Landwirten 18 Hektar Blumenwiesen zur Erhaltung der Artenvielfalt ausgesät. Die Gemeinde zahlte das etwa 3000 Euro teure Saatgut, dafür stellten die Bauern Arbeitsleistung und Felder zur Verfügung. Der Anreiz für die Bauern ist laut dem Ismaninger Landtagsabgeordneten Nikolaus Kraus (FW) "ureigenes Interesse", ohne Insekten gebe es keine Landwirtschaft.

"Rettet die Bienen": Ein Festmahl für Bienen und andere Insekten.

Ein Festmahl für Bienen und andere Insekten.

(Foto: Nadja Jacke/Mauritius Images)

Bürgermeister Alexander Greulich (SPD) möchte, dass Ismaning eine "möglichst begrünte Gemeinde" wird. Dies sei in Hinblick auf immer heißer werdende Sommer wichtig, die besonders älteren Bürgern zu schaffen machten und sogar für höhere Sterberaten sorgen würden. Man wolle daher dringend "die Hitze aus dem Ort bekommen". Dafür ist laut Greulich ein Budget von mehr als einer halben Million Euro vorgesehen. Dieses Jahr kostet alleine das Saatgut 25 000 Euro. Der Grund: Gemeinsam mit dem Saatguthersteller BSV Saaten wurde eine Ismaninger Blühmischung entwickelt, mit überwiegend einheimischen Pflanzenarten.

Die Entwicklung habe mehrere Jahre gedauert, erzählt Max Kraus (FW), Initiator der Blühmischung, Ismaninger Kreisrat und Landwirt. Entstanden sei eine ausgewogene Zusammensetzung aus Wildformen von Blumen, Gräsern und Kräutern. Besonders geachtet habe man auf den Pollen- und Nektarwert, sagt Sandra Ostermair-Specker, Geschäftsführerin von BSV Saaten. Außer einer einjährigen gebe es heuer eine mehrjährige Mischung. Auch Privatleute sollen diesmal aktiv werden: Dazu verteilt die Gemeinde kostenlose Päckchen mit der neuen Blühmischung. Von Mitte Mai an könne man mit der Aussaat beginnen.

Sommerhitze - München

"Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben." Albert Einstein stellte schon 1949 den Zusammenhang zwischen der Bestäubung von Pflanzen und der Lebensgrundlage des Menschen her.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Ismaning ist nicht allein: Auch andere Kreisgemeinden wie Grasbrunn oder Garching verteilen Blumensamen und stoßen auf hohe Nachfrage in der Bevölkerung. Grasbrunn habe sogar Packungen nachordern müssen, die derzeit noch im Umweltamt im Rathaus abgeholt werden könnten, so Bürgermeister Klaus Korneder (SPD). Die Garchinger haben bei ihrem Saatgut auch auf einheimische Pflanzenarten geachtet. Zudem ist die Mischung mehrjährig. Samen für eine Fläche von bis zu 30 Quadratmetern kann man an der Pforte des Rathauses mitnehmen.

Landwirte bieten seit Februar zusätzlich Blühpatenschaften an: Dabei zahlen Bürger pro Quadratmeter Geld, damit die Landwirte ihren Acker in eine Blühfläche verwandeln. Doch ganz uneigennützig ist dieses Projekt nicht. Jährlich wechselnde Blühflächen fördert das Kulturlandschaftsprogramm Kulap mit 600 Euro pro Hektar. Auch der Landschaftsverein Ismaning bietet mit 65 Landwirten solche Patenschaften an. 100 Quadratmeter Blühfläche kosten 45 Euro, das sind 4500 Euro pro Hektar. Geldmacherei sei das nicht, betont der Vorsitzende Hans Lupperger. Auf die Fördergelder des Kulap verzichte man, "damit nicht wieder der Steuerzahler belangt wird". Lediglich der Aufwand solle gedeckt sein: Für die Landwirte mache es keinen finanziellen Unterschied Blühflächen auszusäen, anstatt reine Landwirtschaft zu betreiben. Schließlich müsse man Anreize schaffen, "damit Flächen zur Verfügung gestellt werden", so Lupperger. Er versichert, dass Überschüsse gespendet oder in weitere Blühflächen investiert würden. Bisher haben sich circa 40 Privatpersonen und Firmen gefunden, die eine Fläche von 2000 Quadratmetern finanzieren werden. "Ich hätte mir mehr erhofft", sagt Lupperger, vor allem da in Ismaning 22,8 Prozent der Bürger für "Rettet die Bienen" unterschrieben haben.

Vogelschützer Norbert Schäffer

"Eine Blühfläche schafft nie einen dauerhaften Lebensraum - dessen müssen wir uns bewusst sein."

Der Landesverband für Vogelschutz (LBV) sieht die Patenschaften kritisch: "Eine Blühfläche schafft nie einen dauerhaften Lebensraum - dessen müssen wir uns bewusst sein", sagt Norbert Schäffer, Vorsitzender des LBV. Der Preis, den Paten bezahlen, sei viel zu hoch und solle höchstens das doppelte der Fördersätze betragen: "Die häufig verlangten 50 oder 60 Euro pro 100 Quadratmeter entsprechen dem Acht- bis Zehnfachen." Damit Blühstreifen gegen Artensterben helfen, müssen laut Schäffer Kriterien eingehalten werden: So sollten Blühflächen für mindestens drei, besser fünf Jahre angelegt werden, außerdem sollten die Streifen zehn bis 15 Meter breit sein. Vor allem müssten Landwirte heimisches Saatgut verwenden, damit die Insekten überhaupt einen Nutzen haben.

"Wir können und wollen hier keine Vorgaben machen", so Markus Peters vom Bayerischen Bauernverband. Es gebe zwischen den Landwirten und Paten "unterschiedlichste Abmachungen", was den Preis und die Dauer der angelegten Blühfläche angeht. Den freiwilligen Einsatz der Landwirte unterstütze der Verband mit der Aktion "Bayern blüht auf". Auch hier vernetzen sich Landwirte über eine interaktive Karte. Auf Instagram lächelt ein glücklicher Bauer aus einem blühenden Sonnenblumenfeld heraus in die Kamera. Er ist einer der 500 "Blüh-Botschafter", die dieses Jahr kostenloses Saatgut erhalten. Die Ismaninger Blühmischung wird sich Hans Lupperger anschauen: "Wir sind noch auf der Suche nach Saatgut, dessen Blüten unsere Bienen auch erkennen." Denn das sei auf den Ismaninger Blühstreifen im vorigen Jahr ein Problem gewesen: Felder mit nicht einheimischen, also für die Insekten nicht erkennbaren, Blumen. "Das hätten wir besser machen können, wir und auch die Saatguthersteller lernen jedes Jahr dazu." Die Maßnahmen zielen nicht alleine auf den Nutzen für Bienen ab: Für die Vögel werde man Sonnenblumen, für die bedrohten Hasen bestimmte Kräutersorten integrieren.

Nachhaltige Mischwälder

Um das Ökosystem im Gleichgewicht zu halten, ist es nicht nur unerlässlich, Blühwiesen vorzuhalten, auch die Ausgewogenheit der Wälder ist für Umwelt- und Klimaschutz wichtig. So hat Anton Stürzer, Kreisobmann des Bauernverbandes und CSU-Kreisrat aus Höhenkirchen-Siegertsbrunn, auf das Fichtensterben in seinen Wäldern reagiert und auf vier Hektar Mischwälder gepflanzt - Rotbuchen, Kirschen, Baumhasel und Lärchen. "Wir sind in den vergangenen Jahren arg gebeutelt, durch den Bau der Umgehungsstraße, Trockenheit, Stürme und Borkenkäfer", sagt Stürzer. Durch die Pflanzung eines naturnahen Mischwaldes sei Nachhaltigkeit garantiert.

Wegen der Schneisen, die in den Wald geschlagen werden, wie das etwa bei Umgehungsstraßen der Fall ist, würden Bäume am Waldrand plötzlich der Sommersonne ausgesetzt sein. "Die Folge ist Sonnenbrand", sagt Stürzer. Und dort, wo Trockenheit Bäume angegriffen hätten, seien Schädlinge nicht fern. Durch die Aufzucht der neuen Bäume könne man diesen Teufelskreis verhindern, allein schon, weil der Schädling anders als bei Monokulturen, nicht alle Pflanzen befällt.

"Es ist eine Entscheidung für die Natur", sagt Stürzer über sein Baumprojekt, das von den Bayerischen Staatsforsten gefördert wird. Dennoch kann er nicht verhehlen, dass ihn jene 20 000 Euro, die die Pflanzung kostet, ein bisschen wurmen: "Es dauert bis zu 80 Jahre, bis der Wald gewachsen ist. Da haben nicht mal mehr meine Kinder etwas davon." stga

Die Patenschaft sei eine "einjährige Sache", wenn alles verblüht sei, "kommen auch keine Bienen mehr", sagt Lupperger. Ob die Blühfläche danach weiter bestehe, entscheide jeder Grundbesitzer selbst.

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