Süddeutsche Zeitung

Restaurierung:Die Stunde der Malereien schlägt erst

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Der Uhrturm der Kirche St. Korbinian erstrahlt nach der Renovierung bereits in neuem Glanz. Bevor die zufällig entdeckten Wandgemälde an den Langhausmauern restauriert werden, ist aber noch einiges zu tun

Von Angela Boschert, Unterhaching

Die Hüllen sind gefallen, der Turm ist nach Abschluss der Maler- und Spenglerarbeiten wieder für alle Unterhachinger zu sehen. Das goldene Kreuz auf dem Kirchturm von St. Korbinian und die Ziffernblätter der Uhr strahlen in die Ferne. Sobald die Renovierungsarbeiten im Innern des Turms abgeschlossen sind, werden auch die Zeiger der Uhr wieder in Gang gesetzt. Am doppelwandigen Langhaus soll eine außergewöhnliche Dachkonstruktion die alten Balken sichern und zugleich ermöglichen, die zufällig entdeckten Malereien aus dem 14. oder 15. Jahrhundert zu zeigen.

Am Turm, der aus dem 13. Jahrhundert stammen dürfte und möglicherweise Oberbayerns ältestes Turmdach trägt, fällt auf, dass die Ziffernblätter der Turmuhr auf verschiedenen Höhen liegen: Auf der West- und Ostseite im vierten Turmgeschoss, auf der Nord- und Südseite im Dachgeschoss, im Dachgiebel. Das war nicht immer so, denn es ist bekannt, dass sich die vier Ziffernblätter und das mechanische Uhrwerk früher im vierten Obergeschoss befanden. Wann und warum das geändert wurde, untersucht Unterhachings Heimatpfleger Günter Staudter gerade im Zuge seiner Dokumentation über den Bau des Kirchturms. Wie alt die Turmuhr ist, kann auch er noch nicht sagen. Ihre vier Ziffernblätter erhielten frische Farbe, die Uhrzeiger und das stark verwitterte Turmkreuz wurden mit insgesamt 20 Gramm Blattgold neu vergoldet und zum Glänzen gebracht. Staudter hat bisher herausgefunden, dass das heutige elektromechanische Uhrwerk 1972/73 im zweiten Obergeschoss des Turmes eingebaut wurde, von wo es über eine Achse mit allen vier Ziffernblättern verbunden ist.

Seit dem 20. November 2020, dem Tag des heiligen Korbinian, dem die Pfarrkirche geweiht ist, läuft das Renovierungsprojekt für die Dach- und Außeninstandsetzung der Kirche. Der beschädigte Dachstuhl habe bereits die Langhausmauern auseinandergedrückt, erzählt Kirchenpfleger Herrmann Mader, wie man auf der Nordseite unter Abdeckungen noch erkennen könne. Zur Sicherung haben die Bauhandwerker Querstreben durch das Langhaus eingezogen. Im Zuge der Dachsanierung wurde das Dach abgedeckt, und erstmals fiel Tageslicht auf die doppelten Langhausmauern, in deren Zwickel sich die Malereien befinden, die nun ihrer Restaurierung harren.

Zuvor muss jedoch ein statisches Problem gelöst werden, denn der Dachstuhl drückt zu sehr auf die Längsmauern der Kirche. Zum einen wurde das Langhaus durch zahlreiche Y-förmige Stahlversteifungen gesichert, zum anderen wurde ein Konzept entwickelt mit dem Ziel, der Öffentlichkeit die Malereien zukünftig zu zeigen. Dieses haben Statiker Karl-Heinz Gebhard, Architekt Martin Spaenle und die Spezialisten der Zimmererfirma Denkmalbau GmbH Ettersburg gemeinsam erarbeitet: Die Zimmerei wird auf die doppelten Ziegelmauern des alten Teils des Langhauses von oben einen Mauerdeckel aus Beton setzen, der die Längsmauern wie eine Klammer am Auseinanderdriften hindert. Der Beton wird mit Edelstahl armiert. Auf den Deckel wird dann der Dachstuhl so gesetzt, dass er von den äußeren Langhausmauern getragen wird. Die inneren Langhauswände mit den Malereien werden nicht durch Druck von oben belastet. "Die Art und Weise, wie man den Dachstuhl befestigt, ist schon besonders", sagt Mader und betont, dass bei der Renovierung der ursprüngliche Dachstuhl mit seinen möglicherweise fast 700 Jahre alten Holzsparren erhalten bleibt. Sie werden durch neue, tragende Balken abgedeckt und so geschont.

Sobald der Dachstuhl auf den Betondeckel gesetzt ist, kann Restaurator Peter Siebert beginnen, zwischen den Mauern auf den Schuttresten stehend die Malereien freizulegen, zu reinigen, zu deuten und zu sichern. Die Kirchengemeinde will sie der Allgemeinheit in einer Fotoausstellung zeigen. Laut Mader wird aber auch daran gedacht, sie zu beleuchten und Kleingruppen vorzuführen. Nach aktuellem Stand könnte es 2024 soweit sein.

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Quelle:
SZ vom 03.11.2021
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