Region München:Windräder rücken weiter von Wohngebieten weg

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Der Nebel lichtet sich: Langsam wird klar, wo sich die Rotoren in der Region München drehen sollen. (Foto: Jan Woitas/dpa)

Der Regionale Planungsverband billigt einstimmig ein stark verändertes Konzept für Vorrangflächen, die Bürgerbeteiligung kann beginnen. Doch vor allem mit der Bundeswehr und beim Trinkwasserschutz gibt es noch Abstimmungsbedarf.

Von Bernhard Lohr, München

Windräder sollen weiter von Siedlungen entfernt stehen – und es soll mehr kleinere Windkraft-Cluster geben, die dafür näher beieinanderliegen: Die Bürgermeister und Landräte des Regionalen Planungsverbands München (RPV) haben am Mittwoch einstimmig ein deutlich verändertes räumliches Konzept zur Ausweisung von Vorranggebieten für den Bau von Rotoren gebilligt. Damit stehen die Grundlagen, mit denen es Anfang kommenden Jahres in die öffentliche Anhörung gehen soll. Dann ist auch die breite Bürgerschaft aufgerufen, das Konzept zu diskutieren und zu bewerten. Bis Anfang 2026 soll die Teilfortschreibung des Regionalplans für die Windkraft rechtskräftig stehen.

Wo genau Windräder stehen sollen, besagt die angestrebte Planung nicht. Sie ist ein regionweit abgestimmtes räumliches Konzept für die Landeshauptstadt sowie die acht umliegenden Landkreise München, Starnberg, Dachau, Ebersberg, Erding, Freising, Fürstenfeldbruck und Landsberg am Lech. Es bestimmt Gebiete, in denen Anlagen möglich sind und soll Wildwuchs verhindern.

Einen ersten Plan für solche Vorranggebiete hatte der RPV im Januar vorgelegt. Darauf folgte eine vorgezogene, informelle Beteiligung, bei der unter anderem 120 Städte und Gemeinden und sechs Landkreise 152 Stellungnahmen mit vielen Wünschen und Forderungen abgaben. Dabei beklagten Kommunen quer durch die Region, dass der Abstand zu den Siedlungen zu gering sei. Manche vermissten, dass ihre bereits vorgesehenen oder sogar beschlossenen Konzentrationsflächen für Windkraft nicht berücksichtigt worden waren. Und andere forderten ganz neue Vorranggebiete. Solche gibt es nun: etwa im Westen von München zwischen Germering und Puchheim oder im Süden im Perlacher Forst bei Unterhaching mit 381 Hektar. Der Grünwalder Forst dagegen bleibt weiter als primäres Erholungsgebiet außen vor.

Der RPV-Vorsitzende und Oberhachinger Bürgermeister Stefan Schelle (CSU) sprach am Mittwoch im großen Sitzungssaal des Münchner Rathauses von „schweißtreibenden“ Diskussionen über den Sommer, um all das einzuarbeiten. Obwohl auch der Beirat Windenergie, in dem Naturschutzverbände und Behördenvertreter sitzen, bereits zweimal getagt hatte, sprach Schelle von weiterhin großem Abstimmungsbedarf. „Die Themen werden nicht weniger.“

Ein paar Baustellen sind allerdings abgeräumt. So sind jetzt je nach Siedlungsart größere Abstände vorgesehen: Bei Wohngebieten sind es statt 900 jetzt 1000 Meter und bei Misch- und Dorfgebieten sogar statt 550 ganze 1000 Meter. Damit werde der Sorge Rechnung getragen, Siedlungen könnten von Rotoren förmlich umzingelt sein, erläuterte Thomas Bläser, Regionsbeauftragter für die Region München bei der Regierung von Oberbayern.

Im Münchner Süden rückte man vom Konzept der großen Cluster ab: Die Flächen im Forstenrieder Park, Hofoldinger Forst und Ebersberger Forst wurden verkleinert. Dazu wurden die Abstände zwischen den Gebieten – analog zum Norden – auf fünf Kilometer verringert. Ursprünglich waren im Süden 15 Kilometern vorgesehen.

Das neue Konzept sieht statt 22 Vorranggebieten 25 vor. Die Fläche verringert sich von 127 auf nun insgesamt 110 Quadratkilometer. Das entspricht im Vergleich zum Entwurf von Anfang 2024 regionweit eine Reduzierung von 2,3 auf aktuell 2,01 Prozent der Fläche. Auch wenn manches auf dem Papier bis hinter die Kommastelle festgezurrt scheint und die Vorranggebiete detailgetreu aufgerissen wirken, ist vieles noch Verhandlungsmasse.

Die Anlagen in Berg würden heute nicht mehr genehmigt

RPV-Geschäftsführer Marc Wissmann sagte, die Bundeswehr habe sich bisher noch gar nicht geäußert. Beim Wasserrecht gebe es offene Fragen. Indirekt nahm Wissmann Bezug auf ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der im Höhenkirchner Forst zum Schutz von Trinkwassergebieten einen Baustopp für drei Anlagen verhängte. Die Abstände zu Schutzgebieten der Kategorie II müssten neu geklärt werden, sagte Wissmann. Ein krasses Beispiel mit neuen offenen Fragen gibt es laut Wissmann im Landkreis Starnberg, wo die kreisweit abgestimmte kommunale Planung wegen neuer artenschutzrechtlicher Regelungen durch das Landesamt für Umwelt aktuell unter Vorbehalt stehe. Die bestehenden Windkraftanlagen in Berg dürften heute nicht mehr genehmigt werden, sagte Wissmann der SZ am Rande der Sitzung.

Dazu stehen noch Änderungen vonseiten der Gesetzgeber an. Ministerialdirigent Klaus Ulrich aus dem bayerischen Wirtschaftsministerium klärte in der Sitzung auf, dass der Bund auf Vorgabe aus Brüssel daran arbeite, innerhalb von Vorranggebieten noch Beschleunigungsgebiete zu ermöglichen, wo Anlagen zügiger ohne genauere Prüfung genehmigt werden könnten. Zudem kündigte Ulrich an, das Landesentwicklungsprogramm (LEP) zu flexibilisieren, damit Standortkommunen und deren Nachbarn wirtschaftlich stärker von der Windkraft profitierten könnten. Auch soll das LEP Ulrich zufolge Regionen davon befreien, zwingend die 1,8 Prozent ihrer Fläche für Windkraft auszuweisen. Damit reagiert man auf Probleme wie in der Region Oberland, die wegen des schwachen Windes am Alpenrand Wissmann zufolge das 1,8-Prozent-Ziel nicht erreicht.

Das bisherige Vorgehen des RPV verglich Wissmann mit der eines Handwerkers, der ein Werkstück mit der Säge bearbeitet. Jetzt soll „mit der Raspel beziehungsweise Feile“ begonnen werden, kleinere Änderungen vorzunehmen. Der weitere Fahrplan sieht vor, im Dezember den Entwurf für das erste öffentliche Anhörungsverfahren abzusegnen. Im besten Fall würde 2025 nur eine Auslegung folgen. Anfang 2026 könnte die Teilfortschreibung des Regionalplans beschlossen werden.

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