Süddeutsche Zeitung

Filmgala:Zum Durchdrehen schön

Die Regenschirmpoeten aus Unterschleißheim zeigen bei einem Filmabend im "Capitol"-Kino ihre Poetry-Clips. Bildsprache und Rhythmus der Werke beeindrucken, aber auch Humor und der Charme des Unperfekten.

Von Udo Watter, Unterschleißheim

Solche Schelme, diese Regenschirmpoeten. Lassen ihre Dernière im "Capitol"-Kino mal eben mit dem Song "Umbrella" beginnen. Umbrella. Zu deutsch: Regenschirm. Und dann tragen die jungen Schülerinnen Sabrina Eichhorn und Anika Wenzel mit ihren weichen Stimmen und Gitarrenklängen den Megahit von Rihanna auch noch so sanft einnehmend vor, dass im Publikum dabei sicher keiner ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter machte.

Der musikalische Part war indes nur ein flankierender Teil dieses Abends im Unterschleißheimer Stadtteil Lohhof: Im Mittelpunkt standen die Poetry Clips, die Kurzfilme, welche die Regenschirmpoeten - Schülerinnen und Schüler des Carl-Orff-Gymnasiums sowie Studenten - und ihre Leiterin Sophie Kompe in den vergangenen Wochen und Monaten gedreht hatten. Sie wurden nun en bloc gezeigt, es handelte sich um die zweite Staffel ihrer Reihe "Dreh-durch-Donnerstage", die in der Mehrzahl zuvor schon im "Capitol" vor dem Hauptfilm gelaufen waren.

Die Leinwand ist doch etwas anderes als Youtube

"Die große Leinwand ist was anderes als Youtube", konstatierte Kinobetreiber Stefan Stefanov, der das Projekt ohne Zögern unterstützte und auch diese Dernière (französisch: "letzte" - Gegenstück zu Premiere) mit organisierte. "Ich bin dankbar, dass ich euch eine Bühne geben kann", sagte er in Richtung der jungen Filmemacher. Überhaupt fielen an diesem Abend viele lobende und bewegende Worte. Sophie Kompe kündigte die jungen Protagonisten verschmitzt als "umjubelte Sprachathleten - Regenschirmpoeten" an und Benjamin Straßer, Musiker und Organisator der "Lichtblicke"-Konzerte in Unterschleißheim, oblag es, zu Beginn eine kleine Laudatio zu halten.

Warum er? "Weil ich offiziell euer größter Fan bin", erklärte er und schwärmte von der Entwicklung der jungen Dichterinnen und Dichter, die im vergangenen Jahr auch mit dem Tassilo-Kulturpreis der SZ ausgezeichnet wurden. Sie seien "erwachsen geworden", enorm "wandlungsfähig" in ihren "Texten über Unterschleißheim und die Welt". Wie eindrucksvoll sie diese inzwischen auch in laufende Bilder umzusetzen wissen, war nun auf dieser lokalen Filmgala zu sehen, bei der auch Unterschleißheims Bürgermeister Christoph Böck (SPD) zugegen war und feststellte, dass diese Dernière für ihn eine Premiere war. "Das ist meine erste Dernière", sagte er zu seiner Frau Petra, als er in der letzten Sitzreihe Platz nahm.

Nun, Lucie Berkholz' "Warten" demonstrierte gleich mal, dass ein Film auch ohne Worte durch die Bildsprache poetisch sein kann: etwa wenn ein Wind im Zuge der heranfahrenden S-Bahn melancholisch durch das Haar der sehnsuchtstraurigen Darstellerin streift. Christopher Bertusch' "Meine Bewerbung" zeichnete sich dagegen durch (selbst-)ironischen Esprit und eine hübsche Schlusspointe aus, Viktoriya Tetkos "Unter Wasser" durch metaphorischen Flow.

Der zweite Film heißt: "Der Himmel über der Ukraine"

Von ihr wurde später noch ein zweiter Film gezeigt, "Der Himmel über der Ukraine". Tetko hat ukrainische Wurzeln und spricht darin in beiden Sprachen, unter anderem über das Verlangen zu schreien angesichts dessen, was dort passiert, aber: "Der Mund ist leer", weil "die Freiheit schweigt". Bei aller Traurigkeit hofft sie auf ein gutes Ende: "Friede besiegt die Grausamkeit." Auch Neda Bayat fand in "Nostalgie" eine tief berührende Form aus Sprache und Bild. Quirin Weber und Bianca Schüssler entfalteten in ihren Werken am deutlichsten den Zauber von Reim und Rhythmus, Weber sinniert über das Leben als Würfelspiel und fragt: "Versteckt im Zufall sich ein Gott?"

Schüssler will das "ewige Unbehagen" im Dasein mit Liebe entwaffnen: "Die Welt so trüb und einsam nicht sein muss, und all das Chaos mündet in einen... Kuss." Es sind immer wieder schöne Aufnahmen, welche die jungen Künstler finden, teils werden auch Drohnen eingesetzt. Natürlich blitzt ab und an auch das Unperfekte, Spontane durch, nicht jedes (Sprach-)Bild sitzt. Aber fast immer ist der Film das Werk einer inspirierten Zusammenarbeit verschiedener Mitglieder der Regenschirmpoeten inklusive Kompe und Straßer, der für den Ton verantwortlich zeichnet. Marie Berkholz, die beim Jugendfilmfestival Oberbayern im vergangenen Jahr bereits einen Preis mit dem Dreh-durch-Film "Teenager" gewonnen hat, demonstrierte auch in "Straßenkreidebilder" eine sensible und ambitionierte Bildersprache - die junge Künstlerin bereicherte den Abend zudem mit ihren Songinterpretationen.

Überdies gab es immer wieder kurze Interviews mit den jeweiligen Filmemachern - darunter noch Jannika Bauer und Gabriel Richter, die in ihren vergnüglichen Filmen auf ihre je eigene Weise feinsinnigen Humor und Komik in den Vordergrund rückten. Den cineastischen Abschluss markierte Sophie Kompes eindrucksvoller, professionell gestalteter Film "Schön oder schön". In der Tat: Schön war's.

Zu sehen sind die Filme auch auf Youtube (Stichwort: Regenschirmpoeten)

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