Regen ohne Ende:Nass nei

Regentag in München, 2015

Schlecht eingeschenkt. Die Biergartenbetreiber leiden unter dem Wetter. Andere können ihm sogar etwas abgewinnen. Der Festwirt am Unterföhringer Bürgerfest zum Beispiel, der ist gar nicht so unglücklich.

(Foto: Catherina Hess)

Die erste Halbzeit war mau, jetzt hoffen alle auf die zweite: Ein vorzeitiger Abgesang auf den Sommer.

Von Iris Hilberth und Bernhard Lohr

Geht nicht, gibt es nicht. Den Unterhachinger Burschen ist keine Aufgabe zu groß. Ein Fest organisieren für 5000 Menschen auf der Glonner Wiese - kein Problem. Sie rufen bei der Brauerei an, engagieren einen Sicherheitsdienst, organisieren einen Radlader und packen alle mit an. Doch vor einem haben die Birker-Burschen heiligen Respekt: vor Sturm und Regen. In 39 Jahren, die sie das Sonnwendfeuer ausrichten, haben sie deshalb einige Male kapituliert. Nun beschlossen sie, auch den Ausweichtermin an diesem Samstag zu streichen. Der Boden sei zu aufgeweicht, sagt Burschen-Chef Franz Maier, das würde eine "Schlammschlacht" werden. Neuer Termin im Juli, dann fürs "Sommerfeuer". Hoffentlich ist der Sommer dann da. Kalendarisch beginnt er ja erst am Dienstag.

Alle warten sehnsüchtig auf eine stabilere Wetterlage. Darauf, dass es endlich mal trocken bleiben möge und nicht in den nächsten Minuten schon wieder eine Regenfront herannaht. Was in diesen Mai- und Juni-Tagen gefühlt ständig passiert. Dabei ist es laut Statistik gar nicht so viel nasser als in den Jahren zuvor. Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) in Offenbach hat es im Landkreis München in den ersten beiden Juni-Wochen 71,6 Liter pro Quadratmeter geregnet, was etwa 54 Prozent eines normalen Juni-Monats entspricht. Spitzenreiter war die Nacht vom 2. auf den 3. Juni, als 11,2 Liter pro Quadratmeter runterkamen. "Das ist nicht ungewöhnlich", sagt DWD-Sprecher Andreas Friedrich. Übertroffen wurde das vom 22./23. Mai, da regnete es 30,4 Liter.

Der Mai lag aber auch nur sechs Prozent über einem durchschnittlichem Ergebnis im Wonnemonat. Dennoch findet der Unterhachinger Rathaussprecher Simon Hötzl nach einem Blick auf die bisherigen Besucherzahlen im Freibad der Gemeinde: "Wir werden in einer der nächsten Sitzungen im Gemeinderat definitiv schöneres Wetter beschließen müssen."

Der Bäderchef

Ein paar Hartgesottene gibt es immer. So zum Beispiel am Mittwoch: 19 Grad, bewölkt, das war die nüchterne Aussage der Wetter-App an diesem Nachmittag. Der Haarer Bäderchef Dirk Hager zählte an dem Tag extra mal nach, wie viele Gäste sich in seinem Bad befanden. 14 waren es schließlich. Im Allgemeinen, sagt deshalb Berufsoptimist Hager vorsichtig, gebe es kaum Tage, an denen wirklich kein einziger Badegast da sei. Seit der Eröffnung am 1. Mai zählte das Bad bis zum Stichtag, Dienstag, genau 8123 Besucher. 2015 waren es im gleichen Zeitraum bereits 17 500 Gäste. Sorgen mache man sich allerdings noch keine, hießt es aus dem Rathaus, denn auch im guten Sommer 2015 habe es Schlecht-Wetter-Wochen gegeben. Für das Freibad in Unterhaching war 2015 übrigens Simon Hötzl zufolge ein "absolutes Rekordjahr". Ein Vergleich mit diesem Jahr sei schwierig, findet der persönliche Referent des Bürgermeisters. Bis Dienstag zählte das Bad in Unterhaching 17 906 Besucher, vergangenes Jahr waren es im selben Zeitraum 37 195. Das Freibad-Defizit in Haar lag 2014, als es einen ebenfalls durchwachsenem Sommer gab, nach Abzug der kalkulatorischen Kosten bei 300 000 Euro.

Die Biergarten-Wirtin

Wer geht schon in den Biergarten, wenn es regnet? "Derzeit ist das Wetter schon sehr unberechenbar. Das ist etwas unglücklich", kommentiert Josephine Hafner, Sprecherin der Haberl Gastronomie und damit auch zuständig für die Kugler Alm in Oberhaching, die derzeitige Situation an den Bierbänken unter freiem Himmel. Es gebe zwar auch überdachte Bereiche und Markisen, die sich bei Bedarf über die Tischen spannen, doch vor allem wenn größere Feste oder Veranstaltungen mit Musik auf dem Programm sehen, wie an diesem Sonntag "De Boarisch Bris", ist schlechtes Wetter ein K.o.-Kriterium. "Für den 3. Juli ist ein Ochs am Spieß geplant und auch schon alles vorbereitet. Stattfinden kann das aber nur bei gutem Wetter", räumt Hafner ein. Eine Bilanz des bisherigen Sommers zieht das Unternehmen nicht. "Wir schauen auf das gesamte Jahr und hoffen jetzt, dass es bald besser wird." Es habe schon oft Jahre gegeben, in denen sich das schlechtere Geschäft vom Saisonbeginn am Ende doch noch ausgeglichen habe. "Da kam dann noch ein Altweibersommer", sagt Hafner.

Marienkäfer

Der Marienkäfer soll Glück bringen. Zumindest für in Markenrecht spezialisierte Anwälte scheint sich das zu bewahrheiten.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Der Straßenbauer

Eigentlich sollten die Straßenbauarbeiten auf der Autobahn A 8 zwischen Holzkirchen und Südkreuz schon ein Stück weiter sein. Doch auch hier ist man - vor allem wenn man Asphaltschichten einbauen will - auf trockenes Wetter angewiesen. Die Autobahndirektion Südbayern meldet daher: Die Fahrbahnerneuerung verschiebt sich um eine Woche. Bis Mitte Juli sollen die Spuren abgefräst und schichtweise wieder aufgebaut werden. So lange soll dann die Sperrung der Anschlussstelle Hofolding dauern. Die Autobahndirektion bleibt in ihren Prognosen allerdings vorsichtig und gibt zu: "Da die Arbeiten unter freiem Himmel stattfinden, kann es jederzeit zu wetterbedingten Verschiebungen und Verzögerungen kommen."

Das ist bei den Straßensperrungen im südlichen Landkreis München, der Staatsstraße 2368 in Oberhaching und der B 11 zwischen Schäftlarn und Baierbrunn, nicht anders. Auch hier räumt das Straßenbauamt Freising "kleine Verzögerungen" wegen des Regens ein. Bei Schäftlarn gebe es Probleme mit der Standfestigkeit wegen des inzwischen arg aufgeweichten Bodens, sagt Sebastian Klaß vom Straßenbauamt. Daher müsste jetzt zusätzlich eine Schotterpackung eingebaut werden.

Der Erdbeerbauer

Auf den Feldern der Firma Erdbeer-Lang im Münchner Südosten sieht es laut Inhaber Johann Lang "bisher ganz gut mit den reifen Erdbeeren aus". Die Früchte, die jetzt und in den nächsten Wochen reif würden, entwickelten sich prächtig. "Guter Behang, gute Fruchtgröße und trotz des Regens ein gutes, intensives Erdbeeraroma", verspricht er. Wichtig sei, dass man vollreife Früchte pflücke, also weder halb-grün noch überreif. Allerdings stellt Lang fest, dass in diesem Jahr die Leute durch die Berichte über das schlechte Wetter offenbar abgeschreckt würden, auf die Felder zu kommen. Dabei seien die vergangenen Tage im Münchner Südosten tagsüber großteils doch bei angenehmen Temperaturen regenfrei gewesen. Auch seien die Reihen zwischen den Erdbeerpflanzen mit reichlich Stroh ausgelegt, "damit es auch bei und nach Regen problemlos möglich ist, auf den Feldern zu pflücken". Trotzdem empfiehlt der Erdbeer-Plantagen-Besitzer festes Schuhwerk, da der Boden unter dem Stroh etwas weicher sei als sonst. Zur Bilanz dieses Sommers kann er noch nicht viel sagen. "Es bleibt wie beim Fußball extrem spannend. Wir sind ja sozusagen erst in der ersten Halbzeit."

Der Gärtner

Sattes Grün rundherum. "Alles wächst wie wild", stellt auch der Vorsitzende des Gartenbauvereins Unterhaching, Werner Reindl, fest. Doch so üppig es auch ausschaut - wenn man genau hinsieht, hat der viele Regen auch seine Nachteile. "Es mangelt an Blüten, die bräuchten jetzt dringend Wärme", sagt der Gartenfachmann. Allein der Mangold gedeiht prächtig, denn der blüht nicht. Auch den Bohnen tut der derzeitige Regen nichts an, die blühen erst in ein bis zwei Wochen. Blumen allerdings, vor allem Rosen, ächzen unter dem vielen Nass. "Sie haben zu wenig Holz gebildet, die Grünmasse ist nicht so stabil, die Blüten kippen um", sagt Reindl. Auch für die Erdbeeren sei das Wetter nicht ideal, "es gibt zwar Früchte, doch die sind oft wässrig", hat er festgestellt. Er hofft daher stattdessen auf die Himbeerernte in diesem Jahr. "Die sind sehr hoch gewachsen, bräuchten jetzt aber auch mal Sonne", so Reindl. Schwierig sei derzeit vor allem, dass die Blätter nicht mehr trockneten und sich so leicht ein Pilz ausbreite. Die Blätter würden dann gelb. Noch zwei Lebewesen, die der Gärtner gar nicht schätzt, lieben die Feuchtigkeit: die Schnecken und die Läuse.

30,4 Liter

Regen pro Quadratmeter kam in der Nacht vom 22. auf den 23. Mai im Landkreis München runter. Das war der Spitzenwert in den vergangenen Wochen in dieser Region. Vergleichsweise ist das aber noch eine normale Menge. Bei der Hochwasserkatatrophe Anfang Juni in Simbach am Inn regnete es innerhalb von sechs Stunden 110 Liter pro Quadratmeter.

Der Festwirt

Christian Fahrenschon muss kräftig lachen. Nein, sagt er, auch wenn das Wetter zu wünschen übrig lasse - Kamillentee habe er noch nicht auf seine Getränkekarte genommen. Aber Hopfenblütentee, der werde bei ihm ausgeschenkt. Der Festwirt, in dessen Zelt am Freitagabend Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer auf dem Unterföhringer Bürgerfest das erste Fass Hopfenkaltgetränk angezapft hat, kann dem Regen sogar etwas abgewinnen: Da gehe keiner zum Baden und niemand mache sich auf zu einer Bergtour. Der trockene Platz im Festzelt, sagt er, sei für viele der perfekte Ort. So richtig gut wird es für den Wirt, wenn dann der Regen aufs Dach prasselt und keiner nach Hause gehen mag. Für die Schausteller freilich, gibt der Wirt zu, sei der Regen ein Graus.

Der Förster

Wenn es den Bäumen gut geht, dann geht es auch Martin Holzäpfel gut. "Alles super gelaufen", sagt er deshalb. Für ihn war 2015 das Katastrophenjahr. Da brachte Orkan Niklas im Münchner Umland die Bäume reihenweise zu Fall. Dann folgte eine wochenlange Phase der Trockenheit, die dem Borkenkäfer sehr zupass kam. Jetzt erlebt der Förster, wie sich dank des vielen Regens der Wald wieder erholt. Die wegen der Schäden 2015 gepflanzten Baumkulturen etwa bei Putzbrunn seien gut angewachsen. Die Bäume seien kräftig und stünden in vollem Saft. Allerdings sei die Gefahr durch den Borkenkäfer nicht gebannt. Zwei warme Tage, sagt Holzäpfel, und schon könne sich der Käfer wieder ausbreiten. Fällungen blieben aus, weil schweren Forstmaschinen wegen des tiefen Bodens kaum einsetzbar seien. "Für mich persönlich ist jedes Wetter gut, wichtig ist der Wechsel", sagt Holzäpfel, der derzeit besonders darauf achtet, seine Wanderschuhe mit Wachs zu imprägnieren. Nasse Füße sind keine Freude.

Der Open-Air-Organisator

Riesige Matschpfützen und Regen ohne Ende - in Woodstock war das noch ein Riesenspaß. Die schlammverschmierten, tanzenden Blumenkinder wurden Teil des Mythos des legendären Open-Air-Festivals, das im August 1969 nördlich von New York über die Bühne ging. Ein paar Kilometer nördlich von München rangen diese Woche die Veranstalter des Garnix-Festivals auf dem TU-Campus mit den widrigen Wetterverhältnissen. Auch dort gab es Unerschrockene, die bei Wind und Wetter vor der Bühne tanzten. Doch Begeisterung, sagt Carl Herkommer, Festivalbeauftragter der Studentischen Vertretung der TU, habe der Regen nicht gerade ausgelöst. Was auch daran liegt, dass die Festivalbesucher, anders als damals in Woodstock, schnell in der U-Bahn verschwinden konnten, sobald es ungemütlich wurde. Ein besonderes Problem sei gewesen, dass man das Wetter nicht habe vorhersehen können.

Der Dachdecker

Ständiges Regenwetter verhagelt vor allem den Dachdeckern die Bilanzen gründlich. Kaum ein Handwerker ist so stark vom Wetter abhängig, wie die Männer, die nah am Himmel arbeiten. "Die Auswirkungen sind katastrophal", sagt Josef Frank, Obermeister der Dachdeckerinnung München-Oberbayern sowie vereidigter Sachverständiger. Wenn sich die Wolken wieder am Himmel zusammenbrauen, heißt es runter vom Dach, Arbeiten unterbrechen oder gar nicht erst beginnen. "Solche Unwägbarkeiten kann man natürlich nicht einplanen", gibt Frank zu bedenken, wohl wissend, dass viele Kunden wenig Verständnis dafür zeigen, wenn sich die Arbeiten verschieben oder verzögern. Schnell gelte man dann als unzuverlässig, sagt der Dachdeckermeister. Im Jahr 2007 habe es eine ähnlich schlechte Wetterlage gegeben, erinnert er sich. Umsatzeinbußen von etwa einem Viertel seien die Folge gewesen. Gleichwohl versucht Frank, in dem schlechten Wetter auch etwas Positives für sein Geschäft zu sehen: "Die Leute entwickeln ein Dachbewusstsein", hat er festgestellt. Das Dachdeckerhandwerk gewinne an Bedeutung, wenn es durch Sturm und Starkregen Schäden gebe.

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