Reform der Bauordnung:Schneller wohnen - aber bitte nicht enger

Haar, Johann-Strauß-Straße, Musikersiedlung, Nachverdichtung

Dass die Mindestabstandsflächen bei Neubauten verringert werden, wollen viele Gemeinden nicht akzeptieren.

(Foto: Angelika Bardehle)

Der Freistaat will die Bearbeitung von Bauanträgen beschleunigen und Nachverdichtung erleichtern. Viele Kommunen im Landkreis reagieren aber mit Satzungen, welche die alten Abstandsregeln festschreiben.

Von Sabine Wejsada, Stefan Galler und Iris Hilberth

Bauen soll im ganzen Freistaat in Zukunft einfacher und schneller gehen. Dieses Ziel hat sich der Landtag gesetzt und Anfang Dezember eine umfassende Reform der bayerischen Bauordnung beschlossen. Die Neuregelungen treten am 1. Februar in Kraft - und setzten derzeit auch die Städte und Gemeinden im Landkreis München unter Druck.

Ein zentraler Punkt der Neufassung ist, dass die Frist zur Genehmigung einer Baugenehmigung fortan nur noch maximal ein Vierteljahr dauern darf. Liegt nach drei Monaten noch keine Entscheidung des jeweils zuständigen Gremiums in der Gemeinde vor, gelten die beantragten Baugenehmigungen automatisch als erteilt.

Der Knackpunkt sind allerdings offenbar weniger die strengen Zeitvorgaben als vielmehr die Abstandsflächen für neue Bauprojekte, die für Kommunen unter 250 000 Einwohner gelten - und damit für alle im Freistaat, abgesehen von München, Nürnberg und Augsburg.

Durch eine Verkürzung der Abstandsflächen in Wohngebieten auf 40 Prozent der Wandhöhe soll auf Grundstücken dichter gebaut werden können; auf diese Weise soll es möglich sein, dass Grün-und Freiflächen sowie Erholungsräume im privaten als auch im öffentlichen Raum erhalten werden. Die überbaubare Grundstücksfläche allerdings bleibt begrenzt. Die nun gesetzlich verankerte Möglichkeit zur Nachverdichtung birgt allerdings gerade in bislang eher locker bebauten Gemeinden Zündstoff.

In den Rathäusern befürchtet man Ungemach, vor allem wenn Investoren große Projekte aufsetzen und maximal in die Höhe wie auch an die Grundstücksgrenze bauen dürfen. Deshalb haben sich der Städte- und Gemeindetag massiv gegen die Novelle der Bauordnung gewehrt - und empfehlen nun den Kommunen, mit dem Erlass von eigenen Satzungen die neuen Abstandsregeln außer Kraft zu setzen.

"Wer dafür ist, stimmt für weniger Bauraum."

Doch ganz so einfach ist das nicht. Der Unterföhringer Gemeinderat jedenfalls hat sich in seiner jüngsten Sitzung äußerst schwer damit getan, in der Novelle der Bauordnung überhaupt etwas Positives zu sehen. Gleichzeitig aber wollte eine knappe Mehrheit im Gremium die vom Rechtsbeistand der Kommune auf Unterföhring zugeschnitte Satzung nicht auflegen. Zu groß war die Besorgnis, damit die Bauwilligen am Ort zu beschneiden, wenn die Abstandsflächen aufgeweitet würden.

"Wer dafür ist, stimmt für weniger Bauraum", sagte Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer (Parteifreie Wählerschaft) gleich zu Beginn der Debatte und kündigte an, gegen die Satzung zu votieren. Der Grund: Gerade bei kleineren Grundstücken wäre wegen eines größeren Abstands zum Nachbarn dann nur noch ein kleines Häuschen möglich, was die ohnehin horrend teuren Quadratmeterpreise weiter in die Höhe schnellen ließe, wie CSU-Fraktionssprecher Manfred Axenbeck sagte.

Was sich bei großen Bauprojekten durchaus als sinnvoll darstellen würde, wäre für den kleinen Häuslebauer nicht mehr finanzierbar. Es sei denn, die Gemeinde würde das über Ausnahmeregelungen ermöglichen und die Satzung je nach Grundstücksgröße nicht anwenden. In der Sitzung mehrten sich daraufhin die Fragen nach der Sinnhaftigkeit eines solchen Erlasses. Die Novelle der bayerischen Bauordnung wird deshalb in Unterföhring uneingeschränkt gelten.

"Wir haben uns alles angeschaut: Die Abstände sind richtig so, wir wollen nicht weiter verdichten."

In vielen anderen Kommunen werden dagegen Satzungen erlassen, mit denen im Prinzip die alten Abstandsflächen beibehalten werden sollen, die nach der neuen Berechnung in der Regel etwa 80 bis 90 Prozent der Wandhöhe betragen. In Neubiberg, Ottobrunn, Pullach und Brunnthal wurde dies bereits beschlossen. In anderen Kommunen wie Unterschleißheim, Haar, Putzbrunn, Garching und Unterhaching steht die endgültige Entscheidung noch aus, aber es zeichnet sich eine Mehrheit dafür ab. "Wir haben uns alles angeschaut: Die Abstände sind richtig so, wir wollen nicht weiter verdichten", brachte es der Hohenbrunner Bürgermeister Stefan Straßmair (CSU) im Gemeinderat auf den Punkt.

Die neuen Regelungen

Genehmigung

Die sogenannte Genehmigungsfiktion soll dazu führen, dass Vorhaben im Wohnungsbau schneller genehmigt werden. Wenn sich die Behörde drei Monate nach dem Einreichen des Bauantrags nicht meldet oder anders entscheidet, gilt der Antrag automatisch als genehmigt.

Abstandsflächen

Die neue Bauordnung sieht vor, Abstandsflächen auf 40 Prozent der Wandhöhe zu reduzieren - in Gewerbegebieten weiter. So soll weniger Fläche verbraucht werden. Im Wohnungsbau reicht das 0,4-Fache der Wandhöhe, bei Gewerbe das 0,2-Fache. Ein Mindestabstand soll bleiben. Rathäuser können größere Abstände in Satzungen festlegen.

Holz als Baustoff

Holz soll künftig in allen Gebäudeklassen verwendet werden dürfen. Damit soll Holz als Baustoff deutlich attraktiver werden und das Bauen dadurch nachhaltiger.

Stellplatzpflicht

Die neue Bauordnung sieht vor, dass die Kommunen die Stellplatzpflicht flexibler regeln können: Alternative Mobilitätskonzepte werden zugelassen.

Dachausbau

Für den Ausbau von Dachgeschossen soll künftig keine Genehmigung mehr nötig sein. Die Pflicht zum Einbau eines Aufzugs fällt mit der Neuerung, wenn der Aufwand dafür unverhältnismäßig hoch wäre.

Sonstiges

Weitere Änderungen betreffen unter anderem Spielplätze in Wohnanlagen, die Planung von Rettungswegen und die Ausweisung von Kfz-Stellplätzen und die Begrünung von Gebäuden. Reine Steingärten und Kunstrasen können verboten werden. SZ

In Unterhaching ist man allerdings der Meinung, dass es für die verschiedenen Baugebiete verschiedener Regelungen bedarf, aus rechtlichen Gründen und weil die Ortsteile der Gemeinde so unterschiedlich sind. Bauamtsleiter Stefan Lauszat ist deshalb in den vergangenen Wochen alle Bebauungspläne durchgegangen.

Bis zur Gemeinderatssitzung an diesem Mittwoch will er die Ergebnisse in eine Satzung gegossen haben, die "tendenziell zehn bis zwölf Seiten" haben wird, wie Lauszat vermutet. "Es gibt einige interessante Fälle, die in dem Gesetz gar nicht berücksichtigt wurden", sagte er in der Bauausschusssitzung vergangenen Dienstag. Da wäre ein Abstand von 100 Prozent der Wandhöhe bereits eine massive Verschlechterung.

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