Rauchverbot in München:Es hat sich ausgeraucht

Kneipen wie die Schwabinger 7 waren früher komplett verqualmt. Jetzt müssen die Raucher draußen stehen. Doch in einigen Lokalen in München keimt Prohibitionsstimmung auf.

Judith Liere

Die Schwabinger 7 ist ein vorbildlicher, gesetzestreuer Ort. Ein halbes Jahrhundert lang war die dunkle kleine Baracke an der Feilitzschstraße so verqualmt, dass man gerade mal einen Barhocker weit sehen konnte. Drinnen hängen zwei Zigarettenautomaten, einer vorne, einer hinten, und draußen an der Hauswand gleich noch einer. Doch seit drei Monaten ist, wie in allen anderen Münchner Lokalen auch, Schluss mit dem Dreigestirn Tresen, Helles, Kippe.

Rauchverbot in München: Eine Boazn ohne Rauch: In der 'Schwabinger 7' in der Feilitzschstraße wird seit drei Monaten nicht mehr geraucht. Wer sich eine Zigarette anzünden möchte, muss vor die Tür gehen.

Eine Boazn ohne Rauch: In der 'Schwabinger 7' in der Feilitzschstraße wird seit drei Monaten nicht mehr geraucht. Wer sich eine Zigarette anzünden möchte, muss vor die Tür gehen.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Die friedliche Koexistenz zwischen Rauchern und Nichtrauchern ist endgültig vorbei. Nach dem kurzen, harten Kampf, der in einem Volksentscheid mündete, herrscht lungenfreundliches und kleinkinderkompatibles Raumklima in Münchner Cafés, Clubs und Kneipen, sogar in der schäbigen Boazn an der Ecke könnte man nun guten Gewissens eine Yogastunde für Schwangere abhalten, so gesund ist die Luft da. Die zwei Lager, die es bis vor drei Monaten noch gab, nämlich Nichtraucherlokale und Raucherclubs, existieren nicht mehr. Jedenfalls nicht mehr offiziell. Wer jetzt noch rauchen will, muss findig sein, um fündig zu werden.

Die Gäste der Schwabinger 7 rauchen vor der Tür. Etwa 15 Leute stehen am Freitagabend in der Hofeinfahrt zwischen dem Lokal und "Mamas Kebaphaus". Es ist kalt, viele haben die Jacken drinnen liegen gelassen, sie ziehen erst an ihren Zigaretten und dann fröstelnd die Schultern hoch. Trotzdem beschwert sich keiner. "Naja, jetzt ist es hier halt auch so", meint ein junger Mann resigniert. Seine Freundin sagt: "Ach, ich kapier das nicht ganz, warum das jetzt überall verboten sein muss. Ich fand die Regelung, wie sie vorher war, super, da hatte man die Wahl."

Eigentlich hatte es sich in den vergangenen Jahren ganz gut eingespielt im Münchner Nachtleben. Der erste Schock des im Jahr 2008 eingeführten Nichtraucherschutzgesetzes war überwunden, die Bars tricksten mit Vereinen, geschlossenen Gesellschaften und Mitgliedsausweisen. 2009 wurde das Gesetz wieder gelockert, Wirte installierten Belüftungsanlagen in abtrennbaren Nebenräumen. Die Raucher wussten, wo sie hingehen konnten, um sich noch eine Zigarette zum Bier anzünden zu dürfen; und die Nichtraucher wussten, wo sie ihre Halbe trinken konnten und ihre Klamotten und Haare nicht sofort am nächsten Tag waschen mussten, weil sie immer noch frisch rochen.

Doch jetzt gibt es keine Ausnahmeregelungen mehr. Es hat sich ausgeraucht.

In der Schwabinger 7 riecht es jetzt nicht mehr nach Tabak, sondern nach Klo. Steht man vom Tresen auf, um für eine Zigarette nach draußen zu gehen, bedeckt der Barkeeper das halbvolle Glas schützend mit einem Bierfilz. Getränke mit nach draußen zu nehmen - das geht nicht, das wäre eine "unerlaubte Erweiterung der Schankfläche", wie ein Schild an der Ausgangstür aufklärt. Kommt man wieder rein, sind die Plätze weg, und man muss erstmal diskutieren, dass man hier schon vorher saß und "nur mal eben kurz draußen zum Rauchen war". Freunde macht man sich damit nicht, in einer vollen Kneipe am Freitagabend.

Sonderlich beliebt macht man sich beim Rauchen vor der Tür auch nicht bei den Nachbarn, wenn der halbe Laden plötzlich nicht mehr im Lokal feiert, sondern davor. Besonders im Gärtnerplatzviertel kleben an fast allen Bartüren Zettel, die die Raucher nach 23 Uhr zum Leisesein ermahnen. An der Damenstiftstraße vor der Favoritbar steht ein strenger Türsteher, der einen regelmäßig anherrscht, wenn man zu laut lacht. Verängstigt flüsternd und frierend steht man schließlich da, die Zigarette in der Hand, und kommt sich aussätzig vor, trotz der zehn anderen verängstigt flüsternden Raucher, mit denen man gemeinsam auf dem Gehsteig steht.

Ganz München? Nein, nicht ganz.

Erinnerungen an den vergangenen Kalifornien-Urlaub kommen hoch, wo man übersehen hatte, dass in der Fußgängerzone von Santa Monica absolutes Rauchverbot herrscht und sich wunderte, warum einen alle entsetzt anstarren, wenn man das Päckchen aus der Jackentasche zog, oder wie man in San Francisco auf die andere Straßenseite geschickt wurde, weil vor dem Restaurant auch draußen eine sechs Meter breite Bannzone für Zigarettenrauch herrschte. Rauchen fühlte sich nicht mehr nur wie ein gesundheitsschädliches Laster an, sondern wie ein Straftatbestand.

Ganz München scheint sich dem neuen Gesetz zu fügen. Ganz München? Nein, ein paar Ausnahmen gibt es. Man muss ein bisschen suchen, ein wenig tiefer eintauchen in die Welt des Nachtlebens. Ins Westend zum Beispiel. Hier finden sich noch viele kleine "getränkegeprägte Einraumgaststätten", wie die Boazn in der Behördensprache heißt. Dort sitzen seit Jahr und Tag die gleichen fünf Menschen an der Theke und rauchen mit dem Wirt um die Wette.

Jetzt dürfen sie das nicht mehr - machen es aber trotzdem noch. "Wenn ich weiß, wer hier drinsitzt, dann wird auch geraucht", erklärt eine Wirtin. Angst, dass die Kontrolleure des Kreisverwaltungsreferats vorbeikommen, hat sie nicht. "Die haben doch ganz andere Sachen zu tun. Und denunzieren wird mich schon keiner von den Stammgästen."

So ähnlich handhaben es viele Lokalbesitzer - namentlich genannt werden will natürlich keiner von ihnen. "Nach elf Uhr schließe ich manchmal auch einfach die Tür von innen ab. Die, die dann noch drin sind, dürfen rauchen", sagt ein Wirt.

Im Glockenbachviertel gibt es ein Lokal, an dem ein durchgestrichenes Foto von Sebastian Frankenberger, dem Initiator des bayerischen Volksbegehrens "Für echten Nichtraucherschutz!", prangt. Der Passauer hat dort Hausverbot, seitdem er einmal versuchte, die Kneipe zu betreten. Drinnen findet der Mann hinter der Theke drastische Worte inklusive Al Qaida-Vergleiche in Bezug auf Frankenberger, am Spirituosenschrank hängt ein Brief eines solidarischen Wirtes, auf dem fett gedruckt "Danke für diesen Rausschmiss vor dem Herrn!" geschrieben steht. Geraucht wird hier an diesem Freitagabend nicht - zumindest anfangs.

Kommt man mit dem Barkeeper allerdings ein wenig länger ins Gespräch und ist die Grundsatzfrage "Rauchst selber?" geklärt, holt er den Aschenbecher unter dem Tresen hervor und platziert ihn vor dem Gast. "Kannst ruhig." Auch die anderen Gäste packen Tabakbeutel und Schachteln aus und zünden sich eine Zigarette an. Innerhalb weniger Minuten ist aus sich vorher unbekannten Menschen eine Gemeinschaft geworden, die über Gesundheitswahn, Bevormundung und Einschränkung der Persönlichkeitsrechte grantelt. Das gemeinsame, verbotene Rauchen reicht, um sich ein wenig verwegen, gar anarchisch und libertär zu fühlen.

Prohibitionsstimmung. Beinahe macht er sogar Spaß, der bayerische Nichtraucherschutz.

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