Rauchverbot in Bayern:Alles Schall und Rauch?

Seit zwei Wochen herrscht in Bayern das bundesweit strikteste Rauchverbot. Die Gerüchteküche brodelt: Stimmt es, dass die Behörden Denunzianten Provisionen zahlen? Und: Kontrolliert die Polizei mit? Die wichtigsten Antworten.

Kathrin Haimerl und Lisa Sonnabend

Stimmt es, dass es nun doch wieder Ausnahmen vom Verbot gibt?

Anfang August hat das Gesundheitsministerium die Vollzugshinweise veröffentlicht. Darin vorgesehen: Die Ausnahme für sogenannte echte geschlossene Gesellschaften - beispielsweise bei Familienfeiern wie einer Hochzeit, Geburtstag oder Taufe. Dafür gelten folgende Kriterien: Der Teilnehmerkreis muss vorab begrenzt sein. Und es darf kein Zutritt für weitere Personen gewährt werden.

Stimmt es, dass die Liste für eine geschlossene Gesellschaft zwei Tage vorher beim KVR liegen muss?

"Um Gottes willen, bitte keine Listen!", sagt Klaus Kirchmann, der Pressesprecher des Münchner Kreisverwaltungsreferats (KVR). "Bitte nicht, wir haben anderes zu tun!" Wenn man sich als Gast überlegt, eine geschlossene Gesellschaft anmelden zu wollen, sollte man die entsprechende Anfrage zwei Tage vorher dem jeweiligen Gastwirt zukommen lassen.

Stimmt es, dass einfach weitergeraucht wird?

Alle Kneipen halten sich ans Rauchverbot? Nun ja, nicht ganz. Seit 1. August haben die Münchner Bezirksinspektionen 774 Gastronomiebetriebe kontrolliert, davon meldet das Kreisverwaltungsreferat 36 Verstöße (davon 21 Spielhallen), also bei knapp fünf Prozent der kontrollierten Betriebe. "Das Rauchverbot spielt sich zunehmend ein", sagt Kirchmann vom KVR. Die angedrohten Strafen zeigen Wirkung: Ein Wirt in einem Restaurant im Glockenbachviertel, der noch bis zum 1. August freimütig ab 22 Uhr die Aschenbecher auf die Tische gestellt hat, drückt es folgendermaßen aus: "Das Rauchverbot straft mich in meiner Lebenseinstellung. Das ist schon Strafe genug", da wolle er nicht noch mehr riskieren. Und doch: Es gibt vereinzelte Rebellen, kleine, eingeschworene Gemeinschaften, die weiter rauchen und rauchen lassen. "Ja-Wähler kommen hier nicht rein", warnt ein Schild in einer kleinen Kneipe in Sendling, nicht weit vom Gebäude des Kreisverwaltungsreferats entfernt. Hier herrscht geschlossene Rauchergesellschaft, soll das heißen. Und auch in einer Szene-Kneipe im Glockenbachviertel werden spät nachts schon einmal wieder die Aschenbecher herausgeholt. Das Motto der Bar sinnigerweise: "Immer eine Sünde wert."

Stimmt es, dass kaum kontrolliert wird?

Die Clemensburg in Schwabing hatte vor dem Volksentscheid mit gegen ein Rauchverbot gekämpft. Plakate im Inneren der 100-jährigen Kneipe ermutigten die Gäste, für "Nein" zu stimmen, die Wirtinnen wiesen auf drohende Umsatzeinbußen hin. Sie kündigten auf ihrer Homepage an, ein Sparschwein aufzustellen, um Geld zu sammeln, falls das KVR eines Tages vorbeischauen und Strafen verhängen sollte. Die Beamten des KVR kamen bereits am Tag drei des Rauchverbotes und diskutierten fast eine Stunde lang mit der Wirtin. "Das blaue Raucherkneipenschild am Eingang müssen Sie noch abhängen." Keiner in der Clemensburg rauchte an diesem Abend, es waren aber auch nur drei Gäste da. Es finden also durchaus Kontrollen statt. Insgesamt gibt es in München jedoch nur 20 Kontrolleure pro Woche - bei 8000 Kneipen. Mehr als stichprobenartige Kontrollen sind also nicht möglich. "Wir setzen deswegen auf soziale Kontrolle", sagt Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle.

Stimmt es, dass nun ein Kneipen-Sterben droht?

"Todesursache Rauchverbot." Einen Tag nach dem Volksentscheid verkündete die Bar Namenlos, das zweite Wohnzimmer zahlreicher Raucher, ihr Ende. Sie wird nicht das letzte Opfer sein, zahlreiche weitere fürchten enorme Umsatzeinbußen durch das Qualmverbot, insbesondere Eckkneipen, bei denen bis zu 90 Prozent der Besucher rauchen. Doch bislang ist von einem Kneipenmassensterben in München nichts bekannt. Stattdessen haben nach dem 1. August sogar neue Kneipen eröffnet: Die szenige Bar Robinson Kuhlmann in der Corneliusstraße 14 gleich am Gärtnerplatz zum Beispiel.

Stimmt es, dass ein Raucherklub eine geschlossene Gesellschaft ist?

"Schon der Fußballklub ist streng genommen keine geschlossene Gesellschaft mehr", sagt der Fürstenfeldbrucker Landrat Thomas Karmasin (CSU). Den Mann beschäftigt das Thema zurzeit ganz besonders. Denn Karmasin hat in seinem Landkreis einen Wirt, der dies anders sieht und entsprechend öffentlichkeitswirksam angekündigt hat, in seinem Klub weiter rauchen zu lassen, bis die Definition einer echten geschlossenen Gesellschaft rechtlich geklärt ist. Dabei handelt es sich um Diskothekenbesitzer Mathias Stuhler, der das Olchinger Musik-Erlebnis-Center (MEC) im Gewerbegebiet betreibt. Derzeit ist die Diskothek nach Angaben des Wirtes nicht mehr öffentlich zugänglich. Stuhler verteilt Klubkarten und kontrolliert die Gäste, Einlass gibt es demnach nur für Stammgäste, die ihm persönlich bekannt sind. Ob dies ausreicht, prüft nun Karmasins Behörde. Zum konkreten Fall will sich der Landrat deshalb nicht äußern. Nur so viel: "Ob es für eine geschlossene Gesellschaft reicht, eine Klubkarte auszugeben, ist mehr als fraglich."

Stimmt es, dass meine Kneipe eine geschlossene Rauchergesellschaft ist?

Nein. Zwar hat das Bündnis "Fairness für Raucher" (FFR) zur Bildung geschlossener Gesellschaften in Kneipen aufgerufen, um das Rauchverbot zu umgehen. FFR-Initiator Paul Mooser gab zugleich Tipps, was bei einer "echten geschlossenen Gesellschaft" zu beachten sei: So müsse unter anderem der Mitgliederkreis im Voraus feststehen und eine Einlasskontrolle stattfinden. Sein Vorschlag: Raucher sollen sich über Online-Netzwerke wie Facebook koordinieren und sich mit einer Teilnehmerliste bei einem Wirt als geschlossene Gesellschaft anmelden. Das sei "vollkommen legal, wenn die Vollzugshinweise eingehalten werden", sagt Mooser. Das Münchner KVR sieht das naturgemäß anders und sagt: "Letztlich wird diesen Versuchen, das Rauchverbot zu umgehen, bei Gericht und Politik aller Voraussicht nach kein Erfolg beschert sein."

Stimmt es, dass es Ausnahmen für Shisha-Kneipen gibt?

Bislang zumindest nicht. Mehrere Betreiber in Bayern haben Popularklage beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof eingereicht. Ziel der Klage sei der Schutz von "Freizeiteinrichtungen", in denen dem Shisha-Genuss nachgegangen werde. Die Anwälte der Kneipen-Betreiber führen dabei den Gleichheitsgrundsatz an, unter Brauchtum dürfe nicht nur traditionell Bayerisches verstanden werden. Es gelte auch, längst etablierte Traditionen der arabischstämmigen Bevölkerung zu schützen. Zudem gehe es um gravierende Eingriffe in die verfassungsrechtlich geschützte Berufsfreiheit, wenn die Betreiber ihre Cafés aufgrund des Rauchverbots schließen müssten.

Stimmt es, dass das Bundesverfassungsgericht die Regelung noch kippen kann?

Unwahrscheinlich. Zwar hatte Karlsruhe die Regelung vom 30. Juli 2008 in mehreren Bundesländern für verfassungswidrig erklärt und damit das Rauchverbot in kleinen Kneipen gekippt. Die Richter hatten kleine "Eckkneipen" als besonders stark belastet angesehen, weil sie - anders als Gaststätten mit mehreren Räumen - keine Raucherräume ausweisen konnten. Allerdings wäre nach den Worten der Richter ein striktes Rauchverbot in allen Lokalen mit dem Grundgesetz vereinbar. Darauf wiederum haben sich die Richter in ihrer Entscheidung Anfang August bezogen - und die Rauchverbots-Gegner in Bayern abblitzen lassen. Die bundesweit schärfste Regelung in Bayern verstoße demnach nicht gegen das Grundgesetz.

Stimmt es, dass das KVR Denunzianten Provisionen zahlt?

In der Münchner Gastro-Szene geht das Gerücht um, dass das KVR Privatleuten Provisionen zahlt, wenn sie Wirte anschwärzen, die ihre Gäste rauchen lassen. Fakt ist: Im Interview mit sueddeutsche.de hat Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle angekündigt, dass er bei der Einhaltung des strikten Rauchverbots auch auf "soziale Kontrolle" setze. Schließlich sei es nicht möglich, mit 60 Kontrolleuren die insgesamt 8000 Kneipen zu überprüfen. Auf die Frage, ob das Amt Privatbürgern dazu illegalerweise finanzielle Anreize setze, kommt aus dem KVR eine kurze und klare Antwort: "Nein."

Stimmt es, dass die Polizei das KVR bei der Raucherfahndung unterstützt?

In der ersten Nacht des Rauchverbots musste die Polizei fünf Mal ausrücken, weil Kneipengäste sich über uneinsichtige Raucher beschwerten und den Notruf 110 wählten. Die Polizei ist über solche Anrufe nicht erfreut, da das KVR für die Einhaltung des Rauchverbots zuständig ist. Laut Gesetz müssen die Beamten aber ausrücken, wenn sie alarmiert werden. Polizeisprecher Wolfgang Wenger sagt: "Die Leute sollten sich überlegen, ob es wirklich nötig ist, den Notruf wegen Rauchens anzurufen." Bei den bisherigen Rauchverbotseinsätzen der Polizei hatte sich das Problem bis zum Eintreffen der Polizei bereits wieder in Rauch aufgelöst.

Stimmt es, dass nicht nur der Wirt, sondern auch die Gäste bestraft werden, wenn sie mit einer Zigarette erwischt werden?

Wenn bei einer Kontrolle ein Gast mit Zigarette erwischt wird, droht den Wirten ein Bußgeld zwischen fünf und 1000 Euro. Die Bußgeldstelle der Stadt schickt ihnen dann einen Anhörungsbogen, doch wenn sie keine überzeugende Erklärung liefern, ist die Strafe fällig. Bislang bewegte diese sich um die 100 bis 250 Euro pro Verstoß. Aber auch die Gäste können bestraft werden, wenn sie sich im Lokal eine Kippe anzünden - theoretisch zumindest. Denn meist sind diese auf und davon, ehe die Polizei kommt, um die Personalien festzustellen und so streng wie illegales Rauchen im Flugzeug wird eine Fluppe in der Bar nicht bestraft. Der Wirt hat jedoch die Möglichkeit, von seinem Hausrecht Gebrauch zu machen und uneinsichtigen Rauchern Hausverbot zu erteilen.

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