Putzbrunn:Vergangenheitsbewältigung unerwünscht

Putzbrunn: Auch der inzwischen verstorbene Holocaust-Überlebende Max Mannheimer forderte 1999 vergebens eine Umbenennung der Michael-Haslbeck-Straße.

Auch der inzwischen verstorbene Holocaust-Überlebende Max Mannheimer forderte 1999 vergebens eine Umbenennung der Michael-Haslbeck-Straße.

(Foto: Claus Schunk)

1999 verhinderte Putzbrunns damaliger Bürgermeister die Umbenennung der nach einem von der NSDAP eingesetzten Rathauschef benannten Straße. Nun ist das Thema wieder aktuell.

Von Stefan Galler, Putzbrunn

Kann es sein, dass in Putzbrunn seit Jahrzehnten eine Straße nach einem Bürgermeister aus der NS-Zeit benannt ist und sich niemand daran stört? Der Eindruck trügt. Vor ziemlich genau 18 Jahren kochte das Thema schon einmal hoch. Damals schaltete sich auch der bekannte, im vergangenen Jahr verstorbene Holocaust-Überlebende Max Mannheimer in die Debatte mit ein. In einem Leserbrief an die SZ forderte er im Januar 1999, die Michael-Haslbeck-Straße umzubenennen.

Die Diskussion rief damals in Putzbrunn große Emotionen hervor

"Wenn man an die Millionen von Nationalsozialisten ermordeten Opfer des Zweiten Weltkriegs denkt, darf es nicht sein, dass in Putzbrunn eine Straße nach einem Nationalsozialisten benannt ist. Jedenfalls nicht, wenn der Gemeinderat der Demokratie verpflichtet sein will", schrieb Mannheimer, der die Konzentrationslager Auschwitz und Dachau überlebt hatte, wohingegen fast seine ganze Familie den Nazi-Verbrechen zum Opfer fiel.

Mannheimers Vorstoß war Teil einer Diskussion, die damals große Emotionen in Putzbrunn hervorrief - und nun wieder aktuell werden könnte: Schon damals waren keineswegs alle Bürger der Meinung, dass Haslbeck, der während der NS-Diktatur Bürgermeister der Gemeinde gewesen war, weiterhin der Namenspatron einer Straße sein sollte.

Vor wenigen Tagen wurde nun die Michael-Haslbeck-Straße im Rahmen eines Projekts des Ortsleitbildes mit einem Zusatzinfoschild ausgestattet, das lediglich die Aufschrift "Michael Haslbeck 1886-1946. Putzbrunner Bürgermeister 1935-1945" trägt. Gut möglich, dass durch die nun neuerlich aufkeimende Debatte auch der Straßenname als solcher wieder infrage gestellt wird.

Denn Haslbeck war eben kein demokratisch gewählter Rathauschef, sondern einer, der von den Nazis eingesetzt wurde. 1935 war das und allzu viel über den damaligen Wechsel von Vorgänger Josef Springer zu Haslbeck ist nicht bekannt. Allerdings weiß man, dass der Bürgermeister nach dem Krieg ebenso wie alle NSDAP-Mitglieder, die damals Ämter in Putzbrunn innehatten, von den Amerikanern entlassen wurde. Die Gemeindeakten aus diesen Jahren sind weitgehend vernichtet worden, aus der Schulchronik fehlen die Jahresberichte von 1933 an, sie sind laut dem Putzbrunner Ortschronisten Klaus B. Schubert mit dem Rasiermesser herausgetrennt worden.

Die Putzbrunner SPD forderte eine Umbenennung der Straße

Zeitzeugen, die 1999 befragt wurden, erinnerten sich an Haslbeck als verträglichen Menschen. Albert Tomasini (CSU), damals Dritter Bürgermeister, bezeichnete den Landwirt als "Mitläufer", während die damals 85 Jahre alte Tochter Haslbecks, Maria Demmel, erklärte, ihr Vater sei "nur per Unterschrift" in der Partei gewesen und habe ideologisch mit den Nazis keine Gemeinsamkeiten gehabt.

Dennoch forderte zum Beispiel der SPD-Ortsverein, namentlich die damalige Gemeinderätin Regina Wenzel und der heutige Bürgermeister Edwin Klostermeier - damals stellvertretender Vorsitzender der SPD Putzbrunn und noch nicht im Gemeinderat -, eine Umbenennung der Straße in Erwägung zu ziehen. Sie beriefen sich in ihrer Argumentation unter anderem auf einen Passus in der Ortschronik, in der es heißt, dass in den Siebzigerjahren bei Renovierungsarbeiten in der Kirche St. Stephan eine Bierflasche gefunden worden sei, in der "eine Art Flaschenpost" steckte.

Darin heißt es, dass sich "ein Mann des Volkes" gefunden habe, "der uns herausführte aus Schmach und Elend und uns wieder zu dem machte, was wir heute sind, ein starkes, freies und geeintes Großdeutschland. Der Mann ist unser geliebter Führer Adolf Hitler". Unterschrieben ist das verstörende Schreiben offenbar von Michael Haslbeck: "Heil Hitler. Im Jahre des Heiles 1939. Die Gemeinde Putzbrunn. Der Bürgermeister."

Als dieser Brief gefunden wurde, gab es die Michael-Haslbeck-Straße bereits. Jedoch konnte im Jahre 1999 nicht mehr genau nachvollzogen werden, wann und warum diese Straße, die von der B 471 in Putzbrunn ins Gewerbegebiet Ost führt, überhaupt nach dem Bürgermeister benannt worden war. Der damalige Rathauschef, Josef Kellermeier (CSU), betonte, dass man für die Zeit vor 1961 im Archiv des Rathauses keine Dokumente finden könne und mutmaßte, dass die Straße womöglich nur deshalb nach dem Putzbrunner Landwirt benannt sei, weil dessen Grundstücke dort lagen, wo die Straße verlaufe. Schließlich habe es dort auch den "Haslbeck-Hof" gegeben, sagte Kellermeier 1999.

Eine SPD-Gemeinderätin gab ihren Widerstand nach Angriffen auf

Im Gemeinderat kam es dann erst gar nicht zu einer Abstimmung, Kellermeier erklärte: "In Sachen Haslbeck ist alles recherchiert." Demnach sei dieser "von seiner inneren Einstellung her kein Nazi gewesen", das Schreiben in der Flasche stamme von jemand anderem. Kellermeier damals wörtlich: "Er hat es nur unterschrieben." Und der Straßenname sei im Rahmen eines "Sammelbeschlusses" vergeben worden. Wann das gewesen sein soll, lasse sich nicht mehr nachvollziehen, sagte Kellermeier weiter. Beweise legte er damals öffentlich nicht vor.

Die SPD gab ihren Widerstand auf. Regina Wenzel sagte damals der SZ, sie und ihre Parteikollegen seien von Mitbürgern beschimpft und bedroht worden. "Es hätte uns nicht gut getan, wenn wir weiter auf der Umbenennung bestanden hätten", sagte Wenzel damals wörtlich.

Immerhin wurde zwei Jahre nach diesen Vorgängen zumindest eine Forderung Max Mannheimers in die Tat umgesetzt: Putzbrunn erhielt eine Straße, die nach Haslbecks Nachfolger benannt wurde: Die "Bürgermeister-Jakob-Straße" ist jenem Mann gewidmet, der sich gemeinsam mit den Putzbrunner Burschen 1935 weigerte, am örtlichen Maibaum auf Geheiß der SA die Hakenkreuzflagge zu hissen und der entgegen der Vorschrift der Nazis die polnischen und serbischen Zwangsarbeiter auf seinem Hof immer am Tisch der Familie essen hatte lassen.

Josef Jakob, dessen gleichnamiger Enkel heute für die Freien Wähler im Gemeinderat sitzt, war schon 1948 aus dem Amt gedrängt worden. Man hatte ihn im Ort als Kommunisten diffamiert und er sei, so sein Sohn, der ebenfalls Josef heißt, bis zu seinem Lebensende 1970 in Putzbrunn diskriminiert worden.

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