Putzbrunn sollte es sein. Die 6000-Einwohner-Gemeinde im südöstlichen Landkreis München hatte Morten Püschel dazu auserkoren, sein Pilotprojekt zu werden. Der 57-Jährige wollte für die Kommune, in der er selbst wohnt, einen Podcast ins Leben rufen. Ein solches regelmäßig erscheinendes Magazin zum Anhören könnte nach Meinung des Mitinhabers der Sportagentur MMC Sport einen Beitrag dazu leisten, dass sich jüngere, digitalaffine Menschen mit Gemeindeangelegenheiten auseinandersetzen.
Beim Gemeinde-Podcast „Dein Ort im Ohr“ gehe es darum, in 20 bis 30 Minuten langen Episoden etwa aktuelle Nachrichten aus der Kommune, Updates zu Projekten und Bauvorhaben oder Hinweise auf aktuelle Veranstaltungen und politische Themen aufzubereiten, sagt Püschel. Dazu könnten Beiträge zur Geschichte der Gemeinde, Berichte über Naturschutzprojekte oder Interviews mit prominenten Bürgern oder politischen Vertretern in die Folgen eingebaut werden.
„Das ist sozusagen Lokalradio on Demand. Ich habe bei einem Podcast eine ganz andere Ansprache, als wenn ich es im Gemeindeblatt schreibe“, sagt Püschel. „Dieses Jahr war die 150-Jahr-Feier der Feuerwehr Putzbrunn, da wäre jemand von uns vor Ort gewesen, hätte O-Töne gesammelt, wir hätten einen Beitrag zur Feier gebaut.“
Und so trug Püschel, der als Fußballtrainer einige Jahre beim Putzbrunner SV tätig war, seine Ideen Bürgermeister Edwin Klostermeier (SPD) und dem Chef der CSU-Gemeinderatsfraktion, Eduard Boger, vor. Das Feedback der beiden war laut Püschel positiv. Boger habe ihm auch den CSU-Landtagsabgeordneten Maximilian Böltl vorgestellt und den Kontakt zu Haars christsozialem Bürgermeister Andreas Bukowski hergestellt. „Ich war sicher, dass es laufen würde. Zuerst in Putzbrunn und dann womöglich gleich in anderen Gemeinden“, sagt Püschel. Alle seien von seinem „Herzensprojekt“ begeistert gewesen: „Ein Gemeindeblatt zum Hören spricht junge Leute an, denn in die Broschüre schauen sie nicht rein.“ Dieses Konzept sollte aufgehen.
Vor allem der Preis lässt den Gemeinderat zurückschrecken
Doch dann gab es im Putzbrunner Gemeinderat keine Mehrheit, in der jüngsten Sitzung stimmten nur der Bürgermeister und zwei weitere Lokalpolitiker dafür, die anderen 18 votierten dagegen, darunter die gesamte CSU-Fraktion. Vor allem der von Püschel aufgerufene Preis für die Produktion ließ die Gemeinderäte zurückweichen. Zu einmaligen Kosten in Höhe von 3000 Euro für Audio-Verpackungen und Grafiken kämen demnach etwa 3000 Euro pro Sendung und eine jährliche Gebühr von 228 Euro für die Verbreitungsplattform Podigee. Bei einem Erscheinungsrhythmus von sechsmal jährlich wären insgesamt etwa 24 000 Euro fällig geworden. Auch Klostermeier war über diesen Preis „erschrocken“, wie er sagt, zudem wisse man ja nicht, ob das Ganze von der Bevölkerung überhaupt angenommen würde. Michael Schultz (FDP) bezweifelte, dass sich junge Leute „tatsächlich eine Stunde einen Podcast anhören oder nicht lieber 30-Sekunden-Tik-Tok-Videos“.

Morten Püschel, der bei der Sitzung nicht anwesend war, ist von der Entscheidung enttäuscht. Zumal die Kosten noch gar nicht gänzlich festgezurrt worden seien. „Das ist am Ende gar nicht so teuer. Jede Folge kommt auf 2000 bis 4000 Euro, je mehr wir pro Sendung machen, umso kostspieliger ist es. Aber es gibt ja womöglich auch Fördermöglichkeiten, und über Vermarktung haben wir noch gar nicht gesprochen.“

In der Tat fördert beispielsweise das bayerische Finanz- und Heimatministerium laut der Website www.foerderdatenbank.de „digitale Heimatprojekte, die vor allem die regionale Identität stärken“. Explizit werden als Voraussetzung für diese Förderung die „Erhöhung der Profilbildung nach innen und außen“ genannt. Die Höhe des Zuschusses beträgt bis zu 50 Prozent der zuwendungsfähigen Kosten. Und durch Werbung in einer entsprechenden Verpackung des Podcasts könnten die Aufwendungen der Gemeinde zusätzlich gesenkt werden, sagt Püschel: „Im Gemeindeblatt gibt es ja auch Inserenten, das kann man bei einem digitalen Produkt natürlich auch machen.“
Daher gibt er nicht auf und hat bereits alle Gemeinden in den Landkreisen Freising, Starnberg, Ebersberg, Erding und München angeschrieben. „Das eine oder andere interessierte Feedback ist schon eingetroffen“, sagt er. So sei er etwa mit dem Bürgermeister von Oberpframmern im Landkreis Ebersberg in Kontakt.
Es wäre nicht die erste Art von Podcast außerhalb des Sportbereichs, die MMC Sport produziert. Püschel ist Dozent im Studiengang Journalismus an der Hochschule für angewandtes Management (HAM) und schult die dortigen Studenten nicht nur in Live-Kommentierung von Fußballspielen, sondern auch im Erstellen von Podcasts. Folgerichtig produziert er solche auch für die HAM und das Internationale Fußball-Institut. „Da erzählen Dozenten über sich, das ist eher ein Marketinginstrument, das sich durch die Studenten und deren Studiengebühren finanziert, die man damit an die Universitäten holt.“
„Es geht um journalistische Podcasts, keine Laber-Podcasts“
Daraus sei die Idee entstanden, Gemeindeblätter zu vertonen. „Es geht um journalistische Podcasts, keine Laber-Podcasts. Um gebaute Beiträge, und ein Grundbestandteil sollen immer große Interviews sein“, sagt der Journalist, der einst zusammen mit seinen Co-Geschäftsführern Klaus Klump und Axel Ruppert beim Ismaninger Radiosender Antenne Bayern die Sportredaktion gebildet hatte. Am 1. April 1995 machte sich das Trio selbständig und gründete die Agentur.
Zuerst sei es vor allem darum gegangen, privaten Radiosendern, die sich selbst keine Sportredakteure leisteten, Live-Reportagen anzubieten. Mittlerweile ist MMC Sport die deutsche Redaktion der Uefa und seit Mai 2024 auch der Fifa. Die Agentur erstellt Social-Media-Content für Vereine und Verbände, betreut etwa in Italien die Kanäle von AC und Inter Mailand, sowie jenen der italienischen Nationalmannschaft. Auch für die spanische Liga stelle man die internationalen Versionen der Social-Media-Anwendungen zur Verfügung, ebenso für Manchester City oder deutsche Bundesligisten wie RB Leipzig oder Werder Bremen. „Wir arbeiten täglich in 20 Sprachen, darunter Thailändisch, Indonesisch und Arabisch“, sagt Püschel. Weltweit hat MMC Sport mittlerweile etwa 100 Mitarbeiter, im Münchner Büro sind etwa 40 Leute beschäftigt. Vielleicht dürfen ein paar von ihnen schon bald Podcasts für einige Umlandgemeinden produzieren.