NS-Vergangenheit:Putzbrunn ehrt Nazi-Bürgermeister weiter mit Straße

NS-Vergangenheit: Die Zusatztafel am Straßenschild wird durch den Hinweis ergänzt, dass Michael Haslbeck „eingesetzter“ Bürgermeister Putzbrunns war. Sonst bleibt alles beim Alten.

Die Zusatztafel am Straßenschild wird durch den Hinweis ergänzt, dass Michael Haslbeck „eingesetzter“ Bürgermeister Putzbrunns war. Sonst bleibt alles beim Alten.

(Foto: Claus Schunk)

Der Historiker Dominik Aufleger zeichnet ein ambivalentes Bild des NSDAP-Mitglieds Michael Haslbeck. Das reicht den Gemeinderäten unisono als Entlastung.

Von Stefan Galler, Putzbrunn

Am Ende fiel das Votum einstimmig aus: Der Putzbrunner Gemeinderat hat am Dienstagabend beschlossen, dass die Michael-Haslbeck-Straße auch in Zukunft diesen Namen tragen wird. Und das, obwohl jener Michael Haslbeck, der zwischen 1935 und 1945 Bürgermeister der Gemeinde war, damals von den Nationalsozialisten eingesetzt wurde. Obwohl das Votum so deutlich ausfiel, hatte man das Gefühl, der ein oder andere Lokalpolitiker hatte vor der Abstimmung einen inneren Kampf auszutragen. "Ich war mir eine Stunde vor der Sitzung noch nicht sicher, wie ich stimmen sollte", sagte Bürgermeister Edwin Klostermeier (SPD).

Bereits vor zwei Jahren hatte der Gemeinderat beschlossen, eine regionalgeschichtliche Arbeit über die Geschichte der Gemeinde Putzbrunn in der Zeit von 1933 bis 1955 mit Bezug auf den Nationalsozialismus und seine Auswirkungen auszuloben. Ausgangspunkt für diesen Beschluss war die Debatte um historisch belastete Straßennamen: Insbesondere die Michael-Haslbeck-Straße und die Wernher-von-Braun-Straße, benannt nach dem im Zweiten Weltkrieg für die Nazis als Konstrukteur von Vernichtungswaffen tätigen Ingenieur, wurden damals hinterfragt. Und während man Letztere mit einem Zusatzschild ausstattete ("Pionier der Raketenforschung, für Verbrechen der Nazidiktatur mitverantwortlich"), wollte man für den Umgang mit der Michael-Haslbeck-Straße die Arbeit der Historikers Dominik Aufleger abwarten. Dass es nicht unmittelbar nach dem Krieg zu einer Aufarbeitung der Rolle des Bürgermeisters gekommen war, hatte übrigens einen tragischen Hintergrund: Haslbeck starb bereits 1946, noch ehe ein Entnazifizierungsverfahren gegen ihn eingeleitet werden konnte.

Aufleger machte sich also die Mühe, so viel wie möglich über die Person Haslbeck und seine politische Rolle herauszufinden. Die Ergebnisse dieser Untersuchung brachten verschiedene Fakten zutage: So sei der 1886 geborene Haslbeck erst knapp zwei Jahre nach seinem Amtsantritt 1935 in die Partei eingetreten - allerdings, so Auflegers Anmerkung - hatte die NSDAP zwischen Mai 1933 und Mai 1937 einen Aufnahmestopp verfügt. Haslbeck wäre also womöglich schon früher Parteimitglied geworden, wenn er denn gekonnt hätte.

Schwer tat sich der Historiker nach eigener Aussage damit, Fakten über das Handeln des Bürgermeisters während seiner zehnjährigen Amtszeit zu finden. Vehement sei allerdings dessen Einsatz für den Erhalt eines Kreuzbildes im Klassenzimmer der Putzbrunner Schule gewesen. Nachdem Adolf Hitler 1941 verfügt hatte, Maßnahmen gegen die Kirchen während des Krieges einzustellen, um die Moral im Land nicht zu untergraben, hatten sich die NSDAP-Funktionäre und Lehrer in vielen Gemeinden, darunter auch Putzbrunn, dennoch geweigert, die aus den Klassenzimmern entfernten Kreuze wieder aufzuhängen. In Putzbrunn entbrannte darüber ein Streit. Bürgermeister Haslbeck hängte das Kreuz höchstpersönlich auf, handelte damit zwar gegen den Willen lokaler Nazi-Funktionäre, allerdings durchaus im Sinne der Reichsführung.

Für Haslbecks nationalsozialistische Gesinnung spricht laut Dominik Auflegers Arbeit die Tatsache, dass er auf der Beerdigung des ehemaligen NSDAP-Ortsgruppenleiters 1933 geradezu glorifizierende Worte wählte und die Machtergreifung Hitlers in einer Ortschronik von 1943 feierte: "Nach der Machtübernahme ging die Arbeitslosigkeit schnell zurück, die Gemeinde war bald wieder frei von Arbeitslosen. (...) Es ging wieder aufwärts."

Aufleger kommt zum Schluss, dass Haslbeck "als Bürgermeister Putzbrunns von den Verfolgungsmaßnahmen, wie sie beispielsweise durch Verwaltungsorgane in der Stadt und dem Landkreis München praktiziert wurden, wusste und diese vermutlich durch stillschweigendes Hinnehmen letztlich förderte". Allerdings hätten die Putzbrunner Zeitzeugen, die er interviewt hatte, den früheren Bürgermeister "durchweg als rechtschaffenen Mann" beschrieben, so Aufleger in seiner Arbeit. Er habe etwa ausgebombten und nach Putzbrunn umgesiedelten Familien unbürokratische Soforthilfe gewährt. Eine Zeitzeugin erinnerte sich daran, dass er bei einer Sprechstunde in seinem Amt das Parteiabzeichen abgenommen und aus drei Metern in eine Schublade geschmissen habe. "Er wollte das Parteiabzeichen nie tragen, aber er hat's müssen", so die Zeugin.

Diese Erkenntnisse genügten den Gemeinderäten offenbar, um sich einhellig für den Erhalt des Straßennamens auszusprechen. Der CSU-Fraktionsvorsitzende Eduard Boger begrüßte sämtliche, auch über die Person Haslbeck hinausgehende Erkenntnisse aus der Arbeit Auflegers und betonte, diese müssten der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Allerdings sah er keine Veranlassung, den Straßennamen zu ändern. Ähnlich äußerten sich Robert Böck für die Gemeinschaft pro Putzbrunn (GPP) und Martin Adler (Freie Wähler Gemeinschaft). Alexander Bräuer (SPD) sagte, er sei als früherer Polizeibeamter dienstlich oft mit Rechtsradikalismus konfrontiert worden. "Da war es anfangs schwer, objektiv zu bleiben." Im konkreten Fall lägen keine Beweise vor, dass Haslbeck an Straftaten beteiligt gewesen ist, deshalb sei eine Straßennamensänderung auch nicht notwendig. Auch Bürgermeister Klostermeier konstatierte, er habe in den Aufzeichnungen "nichts Negatives, keine Scharfmacherei" durch Haslbeck erkennen könne. "Er hat viel Gutes getan." Einzig die Parteimitgliedschaft sei dem früheren Verwaltungschef anzulasten.

Der Grüne Volker Rentschler erklärte ebenfalls, er halte eine Umbenennung für unnötig, beharrte aber darauf, dass ein entsprechender Zusatz an den Straßenschildern angebracht werden solle, der Haslbeck als nicht demokratisch legitimierten Bürgermeister kennzeichnet. Dafür stimmten dann ebenfalls alle Gemeinderäte. Ein Zusatzhinweis mit der Formulierung "eingesetzter Bürgermeister Putzbrunns 1935 bis 1945" wird demnach montiert. Eine Initiative von Eva-Maria Schlick (SPD), den einzigen Putzbrunner Sozialdemokraten, der laut der Recherchen des Historikers damals verfolgt und von den Nationalsozialisten ins Konzentrationslager Dachau verschleppt wurde, bei nächster Gelegenheit mit einem Straßennamen zu ehren, fand indes im Gremium keinen Anklang.

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