Putzbrunn:Klugscheißen im Konjunktiv

Putzbrunn: Bezeichnet seinen Hut als "ironisches Accessoire": Bruno Jonas.

Bezeichnet seinen Hut als "ironisches Accessoire": Bruno Jonas.

(Foto: Claus Schunk)

Kabarettist Bruno Jonas ist beim Schimpfen über Digitalisierung oder Politik gut in Form, widmet sich aber auch den Deutungsspielräumen der Sprache. Ganz ausgereift wirkt sein neues Programm "Nur mal angenommen" noch nicht

Von Udo Watter, Putzbrunn

Gott sei dank ist Bruno Jonas dann doch nicht so menschenscheu wie der aktuelle Literatur-Nobelpreisträger. Als Hommage an Bob Dylan hatte der niederbayerische Kabarettist, so behauptete er, mit dem Gedanken geliebäugelt, gar nicht nach Putzbrunn zu kommen - der US-amerikanische Sänger und Lyriker hat ja kürzlich Patti Smith als Vertretung zum Nobelpreis-Bankett geschickt.

Nun, es ist schwer vorstellbar, dass eine eloquente Rampensau wie Jonas, der wie nur wenige andere mit dem Publikum interagieren kann, eine Gelegenheit ausließe, die Bühne zu betreten. Die wiederum fungiert in Putzbrunn tatsächlich als sein Zuhause, wo der gebürtige Passauer inmitten von aufgetürmten Packerln, die er für seine Nachbarn annimmt, und einer Sokrates-Büste über Gott und die Welt parliert. Der griechische Philosoph ("Ich weiß, dass ich nichts weiß") ist dem Kabarettisten ein Vorbild, was er insofern unterstreicht, als er im neuen Programm "Nur mal angenommen" einen Abend lang sein vermeintliches "Nicht-Wissen" in gewohnt frotzelnd-charmanter Manier entfaltet. Der narrative Faden fehlt ein wenig, das Programm wirkt dramaturgisch noch nicht rund.

Das Annehmen spielt, folgt man dem Titel, eine wichtige Rolle, nicht nur von Paketen, sondern im Sinne des Konjunktivs, im Sinne (ironischer) Fragestellungen. "Nur mal angenommen, ich wäre ein Konjunktiv", sagt Jonas am Ende des Abends, und leitet ein Gedicht ein, das schöne, philosophische Absurditäten entfaltet ("wo wirklich wäre, das Ungefähre") und er die "Fahrradkette" als Reim zu "hätte" in hübschen Varianten durchspielt. Ja, Jonas ist einer, der das Wortspiel liebt, der sich Gedanken um die Bedeutung von und Manipulierbarkeit durch die Sprache macht. Als Freund der Semiotik weist er auf die Deutungsspielräume der Worte hin, betont, wie unterschiedlich Sätze aufgefasst werden, je nachdem, wer sie sagt. Dem 64-Jährigen geht es darum, Gewissheiten in Frage zu stellen, er will sein Publikum, das sich laut von ihm vorgenommener Umfragen zu 100 Prozent für "intelligent" und "humorvoll" hält, letztlich zu mehr Geschmeidigkeit im Denken anhalten. Er spottet nicht nur über die Auswüchse des Sprachgebrauchs - die Silbe "ing" gilt ja manchen als negativ, deshalb darf man nur noch "Flüchtl" sagen oder gleich "Individualreisender" - sondern auch über die Digitalisierung, die Abgabe des Verstandes an die Maschine, oder die Verlogenheit in der Politik. Eine wichtige Frage dabei ist: "Gibt's in der Demokratie zu viele Deppen?"

Jonas wirkt sehr agil, er verfällt beim Schimpfen immer wieder mit Wonne in den "Niederbayern-Modus" und gibt sich als "Klugscheißer" selbstironisch. Er bezeichnet sich als "freilaufendes Gänsefüßchen" und sagt über seine neuerdings getragene Kopfbedeckung "Der Hut ist ein ironisches Accessoire". Im zweiten Teil des Abends nimmt er - Hommage an Dylan? - noch die Gitarre in die Hand und sagt: "Ich bin der erste Rockstar mit Lesebrille." Ein unterhaltsamer Abend, mit vielen Bonmots, und auch ein paar weniger originellen Gedanken - am narrativen Feinschliff sollte der Denker und Improvisationskünstler Jonas freilich noch arbeiten.

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