Putzbrunn:Im Schatten der Vergangenheit

In Putzbrunn wird über die Michael-Haslbeck- und die Wernher-von-Braun-Straße diskutiert. Eine Umbenennung scheint fraglich, doch es gibt Stimmen, die kritische Hinweise auf den von der NSDAP eingesetzten Bürgermeister und den Raketeningenieur fordern

Von Katja Diedler und Stefan Galler, Putzbrunn

Viel los ist nicht an diesem Mittwochmittag in der Michael-Haslbeck-Straße in Putzbrunn - beinahe ein wenig trist wirkt sie. Auf der einen Seite günstige Hotels und kleinere Firmen, auf der anderen Seite einige Wohnhäuser. Dazwischen ein Imbiss. Und das Wetter tut sein Übriges zur Stimmung: Es ist kalt und grau. Die wenigen Passanten wollen nicht lange aufgehalten werden. Sie sind ohnehin nur zum Arbeiten hier. Wer Michael Haslbeck war, wissen sie nicht - und seine Vergangenheit ist ihnen erst recht nicht bekannt.

Im Imbiss sitzen einige Menschen, die in Putzbrunn wohnen, und lassen sich ihr Mittagessen schmecken. Sie kennen die Haslbecks, denn Menschen mit dem Namen wohnen noch in Putzbrunn und holen sich von Zeit zu Zeit hier eine Currywurst. Aber über den Namensgeber der Straße wissen sie nichts, auch nicht, dass er zur Zeit der Nazi-Diktatur Bürgermeister der Gemeinde war. Sie sind erst vor einigen Jahren hierher gezogen. Ob die Straße nun einen neuen Namen bekommt oder nicht, das ist ihnen egal.

Mina Ancona ist gerade in ihrem Friseursalon zugange. "Michael Haslbeck, klar weiß ich, wer das ist. Der hatte hier einen großen Bauernhof", antwortet sie und unterbricht ihre Arbeit kurz. Aber auch ihr ist nicht bewusst, dass er damals von der NSDAP als Gemeindeoberhaupt von Putzbrunn eingesetzt worden war. Zu einer möglichen Umbenennung der Straße, in der ihr Geschäft liegt, hat sie eine klare Meinung: "Das sollte man auf keinen Fall machen. Das ist doch auch ein Teil der Geschichte des Ortes." Ancona argumentiert, dass der Nazi-Bürgermeister durch die Straße nicht zwangsläufig geehrt werde. "So haben die Menschen die Chance, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen."

Seit die Gemeinde Zusatzinformationen an Straßenschildern anbringt, hat sich eine Diskussion darüber entwickelt, inwiefern Haslbeck oder auch der Raketeningenieur Wernher von Braun, der eng mit den Nationalsozialisten kooperierte, eine Würdigung in Form eines Straßennamens verdienen. Das neue Zusatzschild in der Michael-Haslbeck-Straße informiert bisher nur über die Lebensdaten (1886-1946) und die Amtszeit des ehemaligen Bürgermeisters (1935 bis 1945).

Josef Jakob, aktuell für die Freie Wählergemeinschaft (FWG) im Gemeinderat, vertritt eine ähnliche Meinung wie Mina Ancona: "Wir können und dürfen unsere Geschichte nicht verleugnen und müssen mit ihr leben, so traurig sie auch sein mag", sagt der Landwirt, dessen Großvater einst ein erbitterter Gegner der Nazis war und auch deshalb von den amerikanischen Besatzern als erster Nachkriegsbürgermeister eingesetzt wurde. Jakob senior war damals nur drei Jahre im Amt. "Nazitreue Putzbrunner haben ihn aus dem Amt gemobbt", sagt Jakob junior heute. Und ist dennoch der Meinung, dass die Michael-Haslbeck-Straße ihren Namen behalten solle und man auch auf zusätzliche Erläuterungen zur Rolle von Haslbeck während der Diktatur verzichten könne: "Ich würde das mit Rücksicht auf die Nachkommen nicht aufbauschen. Die leben noch am Ort, können aber doch nichts für das, was vor über 70 Jahren war."

Darüber gibt es im Gremium auch andere Ansichten. Eduard Fritz etwa, CSU-Rat und Zweiter Bürgermeister, hätte kein Problem damit, wenn man die Dinge klar benennen würde. "Ich würde es begrüßen, die Zusatzinformation ausführlicher zu formulieren", sagt der Christsoziale, der am kommenden Montag für drei Wochen kommissarisch das Amt des Bürgermeisters übernimmt, Edwin Klostermeier (SPD) geht in den Urlaub.

Als er Klostermeier im Vorjahr vorübergehend schon einmal vertrat, hatte ihn eine Bürgeranfrage zur Wernher-von-Braun-Straße erreicht. "Ich habe geantwortet, dass wir uns damit auseinandersetzen", sagt Fritz, der von einer Umbenennung schon alleine aus logistischen Gründen nicht viel hält. "Wenn aber heute Straßennamen zu vergeben wären, kämen Leute wie Haslbeck oder von Braun mit Sicherheit nicht infrage."

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Auch Robert Böck, Fraktionsvorsitzender der Gemeinschaft pro Putzbrunn (GPP) im Gemeinderat, ist dagegen, der Wernher-von-Braun-Straße einen neuen Namen zu geben. "Da unbestritten ist, dass er viel Schlechtes getan hat, sollte man aber unbedingt daran erinnern", sagt Böck, der bei der Firma Gore arbeitet, die unter anderem in jener Straße zwei Häuser unterhält. "Die zahlreichen Unternehmen, die dort angesiedelt sind, wären von einer Änderung bestimmt nicht begeistert. Das wäre logistisch und finanziell ein immenser Aufwand."

Der Bürgermeister sieht die Debatte mit Wohlwollen. Er hat sie bereits vor Monaten angestoßen, indem er die Fraktionen um Stellungnahmen bat, wie mit der Wernher-von-Braun-Straße zu verfahren sei. Eines ist Klostermeier wichtig: "Es soll auf keinen Fall der Eindruck entstehen, dass die Gruppe, die sich im Rahmen des Ortsleitbildes um die Zusatzschilder gekümmert haben, etwas falsch gemacht haben. Sie sollten nur die Namen erklären, nicht politisch Stellung nehmen."

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