Die Situation war ernst. So ernst, dass sogar eine ganze Reihe von Gläubigen ihren Kirchenaustritt erwogen haben sollen. Doch nun kehrt wieder Ruhe ein in Putzbrunn: Die Ökumene darf weiterhin gepflegt werden, wenn auch nicht mehr an ganz so vielen Terminen wie vor dem Machtwort von Kardinal Reinhard Marx im September 2018, das vor allem bei den Katholiken für große Verunsicherung gesorgt hat.
Damals verlieh Kardinal Reinhard Marx seiner Weisung aus dem Jahre 2017 Nachdruck, in der er verfügt hatte, dass ökumenische Gottesdienste am Sonntagvormittag nicht im Sinne der katholischen Kirche seien, weil sie die im Glauben elementare Eucharistiefeier nicht ersetzen könnten. Vielmehr seien solche Gottesdienste, die sich sowohl an Katholiken wie auch an Angehörige der evangelisch-lutheranischen Kirche wendeten, "ein zusätzliches liturgisches Angebot", das jedoch eher Ausnahmecharakter haben sollte.
Allerdings hatten in Putzbrunn viele Gläubige diese ökumenischen Gottesdienste, die dort acht Mal im Jahr an Sonntagvormittagen stattfanden, lieb gewonnen. Dementsprechend groß war der Aufschrei in Putzbrunn, als das "Direktorium", wie solche Richtlinien des Kardinals genannt werden, im September 2018 zur Umsetzung kam.
Seither bemühten sich die Putzbrunner Katholiken um einen Kompromiss. Insbesondere Ilse Liebmann, die Vorsitzende des Pfarrgemeinderates St. Stephan, und Kirchenpfleger Josef Bruckmeier setzten sich massiv dafür ein, eine Lösung zu finden, die im Sinne aller sein sollte. Im November 2018 etwa nutzte Bruckmeier das Korbiniansfest in Freising zu einem direkten Gespräch mit Kardinal Marx: "Es war eine sehr offene und ehrliche Unterredung", erzählt der Kirchenpfleger. "Da ich auch katholischer Religionslehrer bin, konnte ich auch ein wenig theologisch argumentieren."
Der nächste Schritt war dann im November 2018 ein Zusammentreffen von Kirchenvertretern aus Putzbunn mit hohen Würdenträgern wie dem katholischen Weihbischof Rupert Graf zu Stolberg-Stolberg und der evangelischen Stadtdekanin Barbara Kittelberger im Putzbrunner Pfarrzentrum.
"Ich glaube, die Funktionäre waren ein bisschen überrascht über die Vehemenz, wie wir unsere Argumente für die Ökumene vorgebracht haben", sagt Eduard Boger, der gemeinsam mit Bruckmeier der Kirchenverwaltung der Katholischen Kirchenstiftung St. Stephan Putzbrunn mit St. Ulrich Grasbrunn und St. Aegidius Keferloh angehört und Fraktionsvorsitzender der CSU im Putzbrunner Gemeinderat ist. "Bei uns wird die Ökumene gelebt wie in keiner anderen Gemeinde", sagt Boger. Vor allem für die Kinder sei es schön, bei gemeinsam zelebrierten Gottesdiensten mit Freunden der anderen Konfession zusammen zu sein. Auch das habe man den Gästen im Gespräch eindringlich klargemacht.
Aus dem Treffen wurde eine Arbeitsgruppe, der neben dem Weihbischof und der Stadtdekanin auch die verantwortlichen Geistlichen der beiden Putzbrunner Kirchen, der katholische Pfarrvikar Stefan Berkmüller und der evangelische Pfarrer Philipp Stoltz angehörten. Diese hat nun vor einigen Tagen eine Vereinbarung getroffen, die zunächst für die kommenden drei Jahre verbindlich gelten wird.
Demnach wird es künftig fünf feste Termine geben, an denen in Putzbrunn die Ökumene gelebt werden darf - mit Legitimation durch beide Konfessionen. Diese sind: ein Gottesdienst zur "Gebetswoche Einheit der Christen" im Januar, der Segnungsgottesdienst zum Valentinstag im Februar, der ökumenische Kinderkreuzweg und das gemeinsame Osterfeuer, der Gottesdienst zur ökumenischen Kirchweih im September und der Abschlussgottesdienst zur ökumenischen Kinderbibelwoche im Oktober, der jedoch schon immer samstags stattgefunden hatte.
Für die bislang ökumenisch gefeierten Gottesdienste im März und April, den Gottesdienst zum Muttertag und zur Tauferinnerung müsse eine neue Gestaltung erarbeitet werden, teilen die Kirchen St. Martin und St. Stephan in einer gemeinsamen Erklärung mit. "Es soll ein Weg gefunden werden, an diesen Sonntagen zeitgleich eine Messe, einen evangelischen Gottesdienst und einen ökumenischen Kindergottesdienst zu feiern.
Diese Gottesdienste werden durch gemeinsame Elemente verbunden, wie einen Beginn und Abschluss auf dem Hof." Gottesdienste zu wichtigen Gemeindeterminen wie dem Dorffest, Vereinsjubiläen oder zum Volkstrauertag dürften weiterhin ökumenisch gefeiert werden. Ein ökumenischer Familiengottesdienst im Advent könne dann gefeiert werden, wenn die Möglichkeit zur Eucharistiefeier in derselben Pfarrei am Morgen sichergestellt ist, verfügte das Ordinariat.
In Putzbrunn ist man mit den gefundenen Kompromissen zufrieden: "Es ist ein positives Signal, dass wir weiterhin die Ökumene pflegen dürfen", sagt Kirchenpfleger Bruckmeier. "Unsere Pfarrer werden diese Vereinbarung mit Leben füllen." Boger zeigt sich ebenfalls erleichtert: "Auch wenn es nicht mehr so ist, wie es war, ist das doch deutlich besser als die Alternative, gar keine gemeinsamen Gottesdienste mehr feiern zu können." Ein Gutes hätten die Diskussionen der vergangenen Monate gehabt, sagt der evangelische Pfarrer Stoltz: "Die Ökumene in Putzbrunn ist noch mehr zusammengewachsen."