Jugendtheater in PullachSchöne kranke Welt

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Julie, Liora und Leander haben unter der Anleitung von Theaterpädagogin Katrin Brunner (von links) mit vier weiteren Jugendlichen ein eigenes Stück entwickelt. Vor ihnen liegen diverse Zettel, die sie im Lauf der Arbeiten erstellt haben.
Julie, Liora und Leander haben unter der Anleitung von Theaterpädagogin Katrin Brunner (von links) mit vier weiteren Jugendlichen ein eigenes Stück entwickelt. Vor ihnen liegen diverse Zettel, die sie im Lauf der Arbeiten erstellt haben. (Foto: Sebastian Gabriel)

Jugendliche haben in einem Theaterprojekt in Pullach ein eigenes Stück erarbeitet. Darin geht es um Egoismus und Klimawandel, die die Welt zugrunde richten. Aber auch das Spannungsverhältnis zwischen Freundschaft und Vertrauen spielt eine Rolle.

Von Daniela Bode, Pullach

Angst vor Krieg und Klimawandel, das sind Sorgen, die Jugendliche umtreiben. „Warum werde ich nicht gehört?  Warum werden wichtige Themen unterschlagen?“ Junge Menschen fühlen sich oft nicht verstanden. Solche und andere Fragen und Aussagen stehen auf den vielen Zetteln, die auf dem Boden vor den Julie, Liora und Leander in einem Raum im Kindergarten St. Ansgar in Pullach liegen. Es ist nur ein Ausschnitt der Themen, aus denen die drei Jugendlichen mit vier weiteren 13- bis 15-Jährigen bei einem Theaterprojekt in Pullach ein eigenes Stück mit dem Titel „Das Spiel“ entwickelt haben, das zum Nachdenken anregt und gleichzeitig zum Aktivwerden auffordert. Es geht um Themen, die die Jugendlichen einerseits persönlich bewegen und andererseits die großen gesellschaftlichen Fragen wie Klimawandel betreffen. Die jungen Teilnehmerinner und Teilnehmer sowie die Theaterpädagogin Katrin Brunner, unter deren künstlerischer Anleitung das Stück entstand, haben viel zu erzählen.

Wenn man so will, zeigt das Werk, wie sich die Herausforderungen dieser Zeit auf Heranwachsende auswirken und wie sie damit umgehen. Wie die 13-jährige Julie in dem Raum in St. Ansgar, wo sich die Theatergruppe immer traf, berichtet, war es den Mädchen wichtig, dass Themen rund um Freundschaft aufgegriffen werden wie Lügen, Misstrauen und Vertrauen. Der 13-jährige Leander brachte die politische Ebene aufs Tableau. Er warf die Frage auf, „warum wichtige Themen, wie zum Beispiel der Klimawandel, unterschlagen werden“. Er hat den Eindruck, die Politik wolle die Entwicklung nicht wahrhaben.

Julie sieht das ähnlich. Angesichts der sichtbaren Schwierigkeiten, die das Klima mache, fragt sie sich: „Ich denke, warum macht die Politik nicht mehr?“ Auch den heute um sich greifenden Egoismus und das Machtstreben kritisieren die Schüler in ihrem Stück. Es sei nicht gut, „dass man immer noch mehr will und sein eigenes Wohlergehen über das der Allgemeinheit stellt“, sagt die 15-jährige Liora. Julie treibt auch eine große Sorge um: „Um immer mehr Macht zu bekommen, werden Kriege geführt. Das ist meine größte Angst, dass ein Krieg geführt wird, an dem wir beteiligt sind.“

Der Gruppe war es wichtig, wie Leander erzählt, was sie rüberbringen wollen – „dass die Welt gerade kaputtgeht“ – nicht nur mit Fakten zu belegen, sondern auch Szenen zu bringen, die schön sind. An die man sich also erinnert, dass es wie in einer Werbung funktioniert, dass man auch gleich wieder an die Botschaft denkt.

Innerhalb von intensiven zwei Jahren haben die Jugendlichen aus Pullach, Baierbrunn und Solln mit Theaterpädagogin Brunner im Rahmen deren Theaterwerkstatt „eigenart – bewegen, gestalten, entwickeln“ das Stück erarbeitet. „Ich habe alles zusammengepuzzelt“, erklärt Brunner. So funktioniert das bei Brunners Theaterwerkstatt immer – es gibt auch noch eine Gruppe von jüngeren Kindern – die Themen kommen von den Jugendlichen, Brunner führt die Fäden zusammen.

Auf Zetteln und Plakaten hat die Theatergruppe ihre Ideen und Diskussionsergebnisse festgehalten.
Auf Zetteln und Plakaten hat die Theatergruppe ihre Ideen und Diskussionsergebnisse festgehalten. (Foto: Sebastian Gabriel)

Was die jungen Leute sagen wollen, sagen sie dem Publikum nicht direkt. Sie arbeiten mit einem das gesamte gesellschaftliche Leben prägenden Computerspiel als Metapher, eben „Das Spiel“. Jeder spielt es, es wird von einem großen Konzern gesteuert. Um immer mehr machen zu können, gibt es immer mehr Hardware. Hier klingt deutliche Kritik am Ressourcenverbrauch an. Eine Gruppe Jugendlicher findet sich in dem Theaterstück zusammen und versucht Gehör zu finden für die Kritik an dem Spiel, hat aber keinen Erfolg.

„Auch im Alltag hat man als Jugendlicher manchmal das Gefühl, nicht gehört zu werden. Ich finde es zum Beispiel nur in Teilen gut, dass man erst ab 18 Jahren wählen darf“, sagt Julie. Schließlich beteiligt sich die Gruppe in dem Stück an einer Challenge, die der Konzernchef ausschreibt, um seine Nachfolge zu regeln. Wer gewinnt, steuert dann das Spiel – also die Zukunft. Wer wird es wohl sein?

Auch in den raffinierten Charakteren, die die Jugendlichen entwickelt haben, klingen ihre Themen an. So ist etwa der „Influencer“ im Zwiespalt, ob er seinen Kanal, der ihm persönlich Vorteile bringt, beibehält oder einstellen soll für den Wert der Gruppe, wie Liora erzählt.

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In ihrem Stück kommen die Jugendlichen am Ende zu einer Botschaft, die sie weitertransportieren wollen. „Für uns ist klar, dass es nur geht, wenn wir gemeinsam denken und so zu einer guten Lösung kommen, obwohl und weil wir verschieden sind“, sagt Liora. Auch kamen die Jugendlichen infolge von weiteren Überlegungen dazu, wie eine gute Welt aussehen würde, zu dem Schluss, dass man seine Vorstellungskraft braucht und vielleicht ganz neu denken muss, sagt die Theaterpädagogin.

Wie das auch möglichst viele Menschen erreicht? „Wir versuchen mit dem Stück groß zu werden“, sagt Julie. Sie selbst spricht auch immer wieder mit Freunden über ihr wichtige Themen und unterstützt Petitionen zum Klimawandel und anderen Themen auf der Plattform Campact.

Liora sieht auch die Medien in der Pflicht. Sie spricht beispielsweise die Resonanz der AfD an. „Viele wählen sie, weil sie glauben, sie lösen Probleme. Es müsste aber noch viel mehr darüber berichtet werden, was die AfD sonst noch macht“, sagt sie. Auch findet sie, dass es die richtige Politik braucht, wenn die Menschen nicht „von allein weniger machen“, also etwa weniger fliegen.

Nach einer Stunde Gespräch räumen die Jugendlichen all die bunten Zettel wieder zusammen. Bis zu ihrem Auftritt ist es nicht mehr lang. Sie würden sich freuen, wenn sich für ihre Botschaften ein breites Publikum findet.

Das Stück „Das Spiel“ wird am Freitag, 1. August, um 17.30 Uhr und am Samstag, 2. August um 15.30 Uhr im Kulturzentrum Luise in der Ruppertstraße 5 in München aufgeführt. Tickets gibt es an der Abendkasse.

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