Süddeutsche Zeitung

Grabenkämpfe in Pullach:"Ich lasse mich nicht vertreiben"

FDP-Fraktionschef Alexander Betz verteidigt in einem gemeinsamen Interview mit Parteifreund Michael Reich den Konfrontationskurs gegen Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund von den Grünen.

Interview von Michael Morosow, Pullach

Der Pullacher FDP-Fraktionssprecher Alexander Betz fährt seit Monaten verbale Attacken gegen Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne). Vorläufiger Höhepunkt seiner Spitzen war sein in der Vorwoche im Isar-Anzeiger veröffentlichter Vergleich der Amtsführung der Rathauschefin mit der des US-Präsidenten, der diffamiere, Fake News verbreite und zensiere. Daraufhin wehte ihm heftiger Gegenwind ins Gesicht, auch aus dem eigenen Lager. Acht Mitglieder des FDP-Ortsverbands, unter anderem Gemeinderat Michael Reich, distanzierten sich in einer gemeinsamen Erklärung von dem aggressiven Ton und riefen zur verbalen Abrüstung auf. Reich sitzt mit am Tisch auf der Terrasse des Rabenwirts, als sich Alexander Betz den Fragen der SZ stellt.

SZ: Herr Reich, passen Sie jetzt auf, dass ihr Parteifreund nicht wieder verbal über die Stränge schlägt?

Reich (lacht): Sagen wir es so, ich würde die gleichen Antworten geben, vielleicht in einem anderen Tonfall. Wichtig ist die Feststellung, dass wir uns nicht von der Person Betz, sondern von seinem Ton distanziert haben. Dieser Punkt unterscheidet uns, dass er immer gerne Attacken fährt.

Holger Ptacek von der SPD bezichtigt Sie, Herr Betz, über Wochen einen Kübel Unrat nach dem anderen auszugießen.

Betz: Es gibt Leute, deren Kritik nehme ich ernst. Holger Ptacek gehört nicht dazu.

Wie ernst nehmen Sie dann sein geäußertes Entsetzen über die erste öffentliche Wortmeldung der Personalratsvorsitzenden im Rathaus, Eveline Petraschka, in der diese Ihnen für Ihren Mut und Ihren Widerstandsgeist dankt, die Amtsführung der Bürgermeisterin gleichzeitig in die Nähe totalitärer Regime rückt?

Betz: Ich teile ihren Faschismus-Vergleich nicht, weil in Pullach, anders als in totalitären Staaten, kein Kritiker Angst um Leib und Leben haben muss. Aber Petraschka schwebt intellektuell auf einem viel höheren Niveau als Ptacek.

Sowohl Petraschka als auch Sie kämpften und kämpfen im Interesse der ehemaligen Rathausangestellten Christine Eisenmann von der CSU, der aufgrund des Versäumens der Kündigungsfrist von der Verwaltung das Gemeinderatsmandat verwehrt worden war. Nun sitzt die Frau im Gemeinderat. Jetzt könnte doch eigentlich in einen ruhigeren Modus geschaltet werden. Wollen Sie Ihr Mütchen kühlen?

Betz: Es gibt noch genug andere Baustellen in unserem Rathaus und in unserer Gemeinde.

Haben Sie sich von Christine Eisenmann instrumentalisieren lassen?

Betz: Nein

Reich: Das passive Wahlrecht ist eine zentrale Grundfreiheit des Menschen. Da müssen Überlegungen wie zum Kündigungsrecht hinten anstehen.

Betz: Wer da als Liberaler, unabhängig von Personen, nicht aufsteht, der ist in der falschen Partei. Ich bin in der richtigen, es gibt keine andere Partei für mich.

Sie selbst hatten nach der Kritik an Ihrem scharfen Ton aus dem eigenen Lager aber eine Mail an Ihre Parteifreunde verschickt, die als Trennung zu verstehen war, kurz danach haben Sie einen Bruch dementiert.

Betz: Es war eine interne Mail. Ich finde es mehr als unglücklich, dass sie nach außen getragen wurde, öffentlich hätte ich das in dieser Deutlichkeit nicht gesagt. Wenn man damit rechnen muss, dass Interna nach außen getragen werden, dann schwächt das die interne Debatte. Ich rate demjenigen, der die Mail öffentlich gemacht hat, die Partei zu verlassen.

Christine Eisenmann wird vorgeworfen, nach der verlorenen Stichwahl um das Bürgermeisteramt öffentlich erklärt zu haben, dass sie wegen ihres Arbeitsverhältnisses das ihr zustehende Gemeinderatsmandat nicht annehmen werde.

Betz: Die Kehrtwende war politisch wohl unklug, aber selbst wenn ihr Umdenken unsympathisch rübergekommen sein sollte, es war ihr Recht, das zu tun.

Standen Sie schon einmal kurz davor, alles hinzuwerfen?

Betz: Drüber nachgedacht hatte ich schon, nachdem die Bürgermeisterin damit gedroht hatte, mir das Mikro abzustellen, da war für mich Schluss mit lustig. Aber ich lasse mich nicht vertreiben.

Sie sprechen den Vorfall in der Gemeinderatssitzung vom 29. April an, als es in einem Tagesordnungspunkt um Christine Eisenmanns Mandat ging. Damals wollten Sie Frau Tausendfreund mit einem Fragenkatalog grillen, und hätten, so die Darstellung der Bürgermeisterin, möglicherweise Nichtöffentliches verraten.

Betz: Mit diesem Argument kann man jede öffentliche Debatte totschlagen. Gleichzeitig hat die Bürgermeisterin ausführlich ihre Sicht der Dinge dargestellt. Es ist aber nicht sie, die entscheidet, welcher Aspekt einer Angelegenheit öffentlich behandelt werden darf, sondern das Gesetz.

Ihr Verhältnis zu Susanna Tausendfreund war anfänglich entspannt und freundlich. Wann und warum sind Sie von ihr abgerückt?

Betz: Als Tausendfreund 2014 in der Stichwahl gegen Andreas Most stand, habe ich sie unterstützt.

Reich: Ich hatte sie auch gewählt.

Betz: Es war ein schleichender Prozess, ich merkte irgendwann, dass sie nicht ehrlich umgeht mit dem Gemeinderat. Ich hatte mich gefreut, dass sie Bürgermeisterin wurde und der klassische CSU-Führungsstil passé ist - jetzt ist es noch schlimmer.

Ihr schärfster Kritiker Holger Ptacek würde Ihnen die Hand reichen, um zu einen normalen Umgangston zurückzukehren. Strecken sie Ihre aus?

Betz: Ich stehe für ein Gespräch zur Verfügung. Meine Telefonnummer kennt er.

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SZ vom 05.08.2020/sab
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