Schon allein das Tragen der prunkvollen Kostüme aus Seide, Samt und mit goldenen Borten kann etwas schweißtreibend sein. Johannes Schusters Gewand aus Hose, Hemd, Wams, Umhang, Gürtel und Hut bringt etwa zweieinhalb Kilo auf die Waage. Doch beim Renaissance-Tanzkreis „circulus saltans puelach“ in Pullach geht nicht nur ums Schwitzen und Bewegen. „Man braucht auch Geschichtsbewusstsein“, sagt der 73-jährige Leiter des Kreises. Schuster hat ihn mit seiner Frau Karolina 2006 gegründet.
Zur damaligen 1200-Jahr-Feier Pullachs sollten sich die Gruppen im Ort etwas einfallen lassen. Schuster, der schon seit 1985 mit seiner Frau den Volkstanzkreis Pullach leitet, kam mit Blick auf die Alte Heilig-Geist-Kirche, die Ende des 15. Jahrhunderts mit Geld von Münchner Patriziern gebaut wurde, die Idee, Geschichte und Tanz zusammenzubringen. So entstand der Renaissance-Tanzkreis. Bei der Redoute in Pullach hatte die Gruppe dann 2006 ihren ersten Auftritt. Zu Beginn gehörten dem Kreis zwölf Paare an, heute sind es acht und zwei weitere Frauen.
Hätte er damals gewusst, worauf er sich da einlässt, hätte er das vielleicht nicht gemacht, sagt Schuster heute und lacht. Er will sich nah an die Geschichte anlehnen, die Vorbereitungen sind daher umfangreich. Er schreibt mittlerweile die Musik am Computer selbst und passt bestehende Stücke für die Pullacher an. Auch die Tänze erarbeitet er aus historischen Vorlagen selbst. Manchmal gibt es zwei oder drei Interpretationen – und die muss er dann zusammenbringen. Allein sich einen neuen Tanz zu erarbeiten, dauere 15 bis 20 Stunden, erzählt er. Auch die Kostüme haben die Frauen aus der Gruppe mithilfe einer Theaterschneiderin nach Vorbild der Gewänder der Münchner Patrizier selbst genäht. Trotz der Arbeit hört man immer Schusters Begeisterung heraus. „Wenn die Gruppe eine Einheit ist, ist das ein richtig schönes Gefühl“, sagt er.
Der Kreis hat heute ungefähr 80 Tänze im Repertoire. „Vom Schreittanz bis Ballett ist alles dabei“, sagt Schuster. Er und seine Mitstreiter tanzen französische Tänze wie die Branles. Das sind Kreistänze wie Zwiefache, bei denen es einen Taktwechsel gibt, zum Teil springt man dabei auch. Eingeübt hat die Gruppe auch italienische Tänze, die meist sehr anspruchsvoll sind, weil es viele verschiedene Abschnitte gibt. Auch englische Tänze können knifflig sein. Beim „Spring Garden“ handelt es sich um einen Vier-Paar-Tanz, bei denen die Positionen häufig wechseln. „Es braucht viel Konzentration und Übung“, sagt Schuster.
Freilich sucht er nur Tänze aus, die für alle machbar sind. An die Grenze, gerade der Konzentration, gehe er dennoch gelegentlich ganz gerne. Auch etwas tänzerische Koordination sollte man haben, sagt er. Bei seinem Lieblingstanz, dem „Lauro“, den Lorenzo di Medici selbst choreografiert hat, geht es aber um etwas anderes. Es geht um den Blick und eine Bewegung mit der Hüfte. „Es ist viel Schauspielerei dabei“, schwärmt er.
Vorkenntnisse braucht man nicht. Jeder kann kommen und es ausprobieren, allerdings sollte man nicht jünger als 16 oder 17 Jahre alt sein. Trainiert wird in bequemer Alltagskleidung. Die Gruppe trifft sich einmal im Monat für zwei Stunden, das nächste Mal am 9. Februar um 18 Uhr im Pfarrsaal der Heilig-Geist-Kirche in Pullach. Geübt wird für den nächsten Auftritt beim Neuburger Schlossfest Ende Juni.