Pullach:Unmut an der Schranke

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Autos und Schülerinnen und Schüler warten am Bahnübergang an der Pullacher Bahnhofstraße darauf, dass sich nach der Durchfahrt der S 7 die Schranken wieder heben. (Foto: Claus Schunk)

Lange Schließzeiten an der Querung der S 7 bremsen Autos und Passanten aus, zum Teil kommt es zu gefährlichen Situationen. Dass die Wartezeit bis zu 15 Minuten betragen kann, hält die Deutsche Bahn für nicht problematisch.

Von Martin Mühlfenzl, Pullach

Francesco Di Paola hat genau mit gestoppt am Donnerstag vergangener Woche. Von 7.51 bis 8.05 Uhr, so berichtet der Pullacher, stand er mit vielen anderen – Fußgängern, Radfahrern, Menschen in ihren Autos – vor der heruntergelassenen Schranke des Bahnübergangs der Bahnhofstraße südlich des S-Bahnhofs in Pullach. Geschlagene 14 Minuten also. Und während dieser Zeitspanne verlor so manch einer die Nerven: Wartende Schulkinder, sagt Di Paola, seien trotz des geschlossenen Bahnübergangs über die Gleise gesprungen, um noch pünktlich in die Schule zu kommen. Und das, weil der öffentliche Nahverkehr im Süden der Landeshauptstadt einfach nicht funktioniere: „Der S-Bahn-Betrieb behindert den Verkehr in Pullach massiv.“

Die S 7, die seit dem Fahrplanwechsel vor wenigen Tagen, nur noch auf dem West-Ast von Wolfratshausen über Pullach verkehrt und am Hauptbahnhof wendet, gehört seit Jahrzehnten zu den störungsanfälligsten Linien im gesamten Münchner Netz. Übrigens auch auf dem Ost-Ast, auf dem sie seit 15. Dezember als wieder eingeführte S 5 von der Endhaltestelle Kreuzstraße bis nach Pasing fährt. Und auf beiden S-Bahn-Ästen ähneln sich die Probleme: Die Trassen sind größtenteils nur eingleisig, dementsprechend labil, was die Taktung angeht. Und aufgrund der oberirdischen Streckenführung und fehlender Unter- oder Überführungen an Kreuzungspunkten staut sich der Verkehr in der Rushhour morgens und abends – egal, ob in Neubiberg und Ottobrunn im Osten oder Pullach und Schäftlarn im Süden von München.

Dass sich der Verkehr in Pullach insbesondere südlich des Bahnhofs bei geschlossenen Schranken staut, ist kein neues Phänomen. Seit Jahrzehnten klagen Pullacherinnen und Pullacher über die Belastungen und Beeinträchtigungen durch die langen Schließzeiten an Bahnübergängen. „Das ist nicht neu, aber immer noch ziemlich akut und ein massives Ärgernis“, sagt Martin Rösch, Sprecher im Pullacher Rathaus. Vor allem in den Hauptverkehrszeiten etwa kurz vor 8 Uhr am Morgen, wenn „halb Pullach unterwegs ist“, wie Rösch sagt. Meldungen von besonders gefährlichen Situationen, bei denen etwa Schüler die geschlossenen Bahnübergänge ignorierten und über die Gleise liefen, seien dem Rathaus aber bisher nicht zugetragen worden. Allerdings, so Rösch, könnten die langen Wartezeiten von bis zu 15 Minuten für die Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehr problematisch werden. „Wenn die Schranke zu ist, können sie nicht ausrücken oder zum Einsatz ins Feuerwehrhaus kommen. Das ist ein Problem“, sagt Rösch, fügt aber auch an: „Bisher ist zum Glück alles gut gegangen.“

Die Schließung eines Bahnübergangs ist ein komplexer Vorgang

Dass das Thema dennoch kurz vor Weihnachten wieder hochkocht, hat einen Grund: Die Deutsche Bahn hat für Pendler spürbare Verbesserungen und mehr Pünktlichkeit versprochen, durch die Teilung der S 7 in eine verbleibende S 7 auf dem West-Ast, die durch den vorzeitigen Halt am Starnberger Flügelbahnhof des Hauptbahnhofs die Stammstrecke nicht mehr zusätzlich belastet. Und die neue S 5, die eine verkürzte Strecke aufweist und somit nicht mehr so anfällig für Störungen, Verspätungen oder Ausfälle sein soll. Einem DB-Sprecher zufolge hätten die Erfahrungen der ersten Tage gezeigt, dass die neue S 7 in der ersten Woche seit dem Fahrplanwechsel pünktlicher unterwegs gewesen sei als in der Woche zuvor. Dennoch: „Auch wenn die S 7 nicht mehr durch die Stammstrecke fährt, kann es zu Störungen kommen.“ So hätten in den vergangenen Tagen etwa Behinderungen an den Bahnübergängen, Probleme bei den Fahrzeugen sowie Personen im Gleis auf der S 7 zu Beeinträchtigungen geführt.

Die Schließung eines Bahnübergangs im S-Bahn-Netz stellt ein komplexes Verfahren dar. Gelenkt wird der Vorgang durch die Zugverkehrssteuerer im Stellwerk, die frühzeitig für die nächste Zugfahrt die sogenannte Fahrstraße einstellen. Dabei werden Weichen und Signale eingestellt sowie die Bahnübergänge angesteuert; erst wenn die Schranken geschlossen und die Querungen frei von Autos, Radlern und Passanten sind, bekommt der Zug ein grünes Signal. Hat die S-Bahn den Übergang durchfahren, passiert er ein weiteres Signal, ehe die Schranken wieder geöffnet werden. „Der Bahnübergang ist also eingebettet in die gesamte Leit- und Sicherungstechnik, sodass die Schließzeit nicht unabhängig davon geändert werden kann“, heißt es von der Münchner S-Bahn.

Hält die S 7 am Pullacher Bahnhof, sind die Schranken am Bahnübergang nur wenige Meter weiter an der Bahnhofstraße bereits geschlossen – gesetzlich geregelt dürfen sie lediglich sechs Minuten unten bleiben. (Foto: Claus Schunk)

Die maximale Schließdauer darf – gesetzlich geregelt – nicht länger als 360 Sekunden, also sechs Minuten, dauern. „In der Regel“, so die DB, „ist der Bahnübergang in Pullach aber nicht so lange geschlossen“. Der Konzern teilt aber auch mit, er könne verstehen, dass Staubildung durch geschlossene Schranken zu Unmut bei Straßenverkehrsteilnehmer führen könne. Verspätungen von S-Bahnen aber hätten nicht zwangsläufig Auswirkungen auf die Schließzeiten; allerdings könne es dazu kommen, dass zwei S-Bahnen dicht aufeinanderfolgten und dadurch der Bahnübergang schneller wieder schließe oder länger geschlossen bleibe.

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Im Pullacher Rathaus sieht man die Lage nicht ganz so entspannt. Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne), sagt ihr Sprecher Rösch, habe immer wieder bei der Bahn insistiert, dass die Schließzeiten zu lang seien und minimiert werden müssten. In der Vergangenheit sei zudem im Gemeinderat immer wieder die Möglichkeit einer Tieferlegung der S-Bahn diskutiert, aber letztlich wegen zu hoher Kosten verworfen worden. Der Unmut also ist weiter groß. Francesco Di Paola kann sich furchtbar über den Zustand der S 7 aufregen, diese sei „einfach schlecht gemanagt und legt den ganzen Ort lahm“, sagt er und schlägt gleich einen radikalen Schritt vor: „Wenn die ihre S-Bahn nicht im Griff haben, dann sollen sie halt Busse fahren lassen.“

Zum dauerhaften Schienenersatzverkehr im Isartal wird es freilich nicht kommen. Und so wird die Bahn auch weiterhin die Sicherheit an ihren Übergängen im Blick haben müssen. Am Bahnübergang an der Bahnhofstraße sei diese gegeben, sagt der Bahn-Sprecher – mit Vollschranken, roten Lichtzeichen und einem sogenannten Gitterbehang, also an den Schranken befestigte Drahtgeflechte, die bei geschlossener Schranke die Lücke zwischen Schranke und Straße bedecken. Dadurch sei ein „versehentliches Überqueren“ kaum möglich. Ein absichtliches aber offenkundig sehr wohl, wenn jemand die Nerven verliert.

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